Tourismuswelt

Kindern im Ausland helfen zu wollen, ist löblich. Leider verfolgen manche Voluntouristen aber ganz andere Ziele mit den Kindern. Deshalb sind Aufklärung und Kontrolle zwingend, meint Kinderschutz Schweiz. Bild: Fotolia

«Touristische Infrastruktur kann für Delikte gegen Kinder missbraucht werden»

Die Kinderschutzorganisation ECPAT ortet im Freiwilligentourismus auch ein gewisses Gefahrenpotenzial – und mahnt die Anbieter zu sauberer Überprüfung der Volontäre.

Letzte Woche publizierte travelnews.ch im Rahmen eines Kommentars einige Vorbehalte in Bezug auf Voluntourism. Das hat zu diversen Reaktionen geführt. Notabene bei Kinderschutz Schweiz (ECPAT Switzerland). Dort nimmt Tanja Maier (Wissenschaftliche Mitarbeiterin Geschäftsfeld Politik, ECPAT Switzerland) «erfreut» zur Kenntnis, dass travelnews.ch eine kritische Stimme zum Freiwilligentourismus publiziert: «Wir teilen die im Kommentar erwähnten Ansichten zu den Problematiken dieser Form des Tourismus, finden es aber wichtig, dass ein weiterer Aspekt berücksichtigt wird: Nämlich, dass neben den erwähnten negativen Auswirkungen, besonders Kinder und Jugendliche im Rahmen des Freiwilligentourismus gefährdet sind, sexuell ausgebeutet zu werden.»

Was heisst das konkret? «Kinder haben das Recht auf Schutz vor sexueller Ausbeutung – auch im Freiwilligentourismus», erklärt Maier. Kinder und Jugendliche seien generell überall dort einer grossen Gefahr ausgesetzt, missbraucht zu werden, wo Freiwillige direkten und unbeaufsichtigten Kontakt zu ihnen haben können, wie etwa in Gastfamilien, in Waisen- oder Krankenhäusern. Dort seien Kinder verletzlich und allzu leicht sexuell auszubeuten.

Wie die internationale Studie zur sexuellen Ausbeutung von Kindern im Tourismus von ECPAT International (2016) zeigt, sind die meisten Täterinnen und Täter keine Pädophilen, sondern so genannte Gelegenheitstäter - welche ein Kind missbrauchen, weil sich ihnen die Möglichkeit dazu bietet. Gleichzeitig gibt es auch pädosexuelle Täter und Täterinnen, welche sich unter anderem durch Freiwilligeneinsätze gezielt Zugang zu Kindern verschaffen.

Was kann die Tourismusbranche tun?

Aus diesem Grund ist laut Maier unerlässlich, dass die Reiseanbieter und Organisationen die Freiwilligen vor ihrer Abreise auf ihre Absicht hin sowie deren Leumund und Strafregister überprüfen. «Es liegt in der Verantwortung der Reisevermittler, sicherzustellen, dass jede durch sie vermittelte Organisation nicht nur über eine Kindesschutzstrategie verfügt, sondern diese auch aktiv lebt», folgert die ECPAT-Mitarbeiterin. Zum Beispiel, indem die Teilnehmenden vor ihrem Einsatz einen Kodex zum Umgang mit Kindern unterschreiben, an den sich alle während des gesamten Aufenthaltes zu halten haben. Reiseveranstalter sollten also zwingend die zentralen Kriterien gemäss Tourism Watch erfüllen, damit die Rechte der Kinder in ihren Angeboten eingehalten werden. Dazu gehören:

  • Ausformulierte Kindesschutzstrategie, worin alle Massnahmen zum Schutz von Kindern verbindlich festgelegt sind, ist vorhanden.
  • Die Schulen, Kinderheime oder Jugendtreffs, mit denen eine Zusammenarbeit stattfindet, sind staatlich anerkannte Einrichtungen.
  • Es wird eine besondere Sensibilisierung der Teilnehmenden für die Rechte von Kindern durchgeführt.
  • Die Teilnehmenden wissen, an welche Fachperson sie sich zu wenden haben, wenn sie Missstände beobachten.

«Der Tourismus ist nicht die Ursache von sexueller Ausbeutung von Kindern, jedoch wird die touristische Infrastruktur für die Begehung dieser Delikte missbraucht», konstatiert Maier. Die Mitarbeitenden in der Tourismusbranche können deshalb helfen, Kinder zu schützen: Indem sie ihre Kundinnen und Kunden über die Kampagne «Nicht wegsehen!» und die Möglichkeit, Verdachtsfälle vor Ort oder über das Meldeformular zu melden, informieren.

(JCR)