Tourismuswelt

Polizia, Kutschen, Menschenmassen: Der ganz alltägliche Wahnsinn im sommerlichen Florenz. Der Bürgermeister droht jetzt mit Massnahmen gegen unbotmässige Touristen - andere leidgeprüfte Städte suchen das Problem weniger martialisch zu lösen. Bild: Pixabay

Ist mit Steuern oder Wasserwerfern gegen Touristenmassen vorzugehen?

Das Problem des «Overtourism» wird zum Dauerphänomen. Geglückte Initiativen mittels Steuerregulierung stehen dabei martialischen Ankündigungen gegenüber.

Am letzten Freitag beschäftigten wir uns in einem Kommentar mit dem Thema «Overtourism», also den negativen Auswirkungen eines unkontrollierten Tourismuswachstums in gewissen Zielgebieten.

Übers Wochenende gab es wiederum diverse Meldungen, welche in direktem Zusammenhang mit diesem Thema stehen. Beispielsweise sperrten am Samstag Mitglieder der Organisation «Ciutat per qui l'habita» (zu Deutsch etwa: «Die Stadt gehört jenen, die darin wohnen») in Palma de Mallorca symbolisch das Tourismusministerium der Balearen. Sie klebten Zettel mit der Aufschrift «geschlossen» an die Eingangstür des Gebäudes. Eine Sprecherin der Vereinigung las kritisierte unter anderem die Vermietung von Ferienwohnungen in Mehrfamilienhäusern, die das Angebot für die Einheimischen reduziere und die Immobilienpreise nach oben treibe. Die Chefin der städtischen Reinigungsfirma von Palma machte derweil den Tourismus für die wachsenden Müllmengen mitverantwortlich und wies darauf hin, dass in besonders stark von Touristen aufgesuchten Vierteln der Müll zweimal am Tag eingesammelt werden müsse.

Gleichzeitig hörte man aus Mailand, dass in den touristisch frequentierten Vierteln Darsena und Navigli mindestens bis Mitte August alle Glasflaschen, Getränkedosen, Feuerwerkskörper und Selfiesticks verboten sind. Für einen ganzen Monat sind auch Streetfood-Wagen verbannt, weil sie eben Flaschen und Dosen verkaufen. Es werde Kontrollen geben und wer sich nicht an die Regeln halte werde gebüsst. Hintergrund der Aktion sind einerseits Müllprobleme, aber auch die Sorge um die öffentliche Sicherheit sowie «die allgemeine Ästhetik der Stadt». Nota bene: Die Verordnung gilt nicht für das Gebiet rund um den Mailänder Dom.

Behörden tun sich schwer mit der bestmöglichen Vorgehensweise

«Am Ende des Tages wird die Politik den Overtourism wohl über Steuern, Abgaben oder Eintrittspreise regeln müssen», kommentiert Roland Zeller, der Gründer von travel.ch und heutige Multi-Verwaltungsrat. Bei den Steuern gehen Behörden in der Regel vorsichtig vor, und wenn solche angedroht werden, regt sich schnell Widerstand von touristischen Anbietern. Mallorca hat letztes Jahr nach heftigen Diskussionen eine solche eingeführt; Malaysia wollte dies im Juli tun, doch wartet man weiterhin auf die Einführung -  es gibt zahlreiche weitere Beispiele. Die Eintrittspreise sind, zumindest bei unter staatlicher Aufsicht stehenden Sehenswürdigkeiten, ebenfalls ein probates Mittel zur Besucherbeschränkung.

«Die Frage ist, wie viel es einem Tourist wert wäre, zum Beispiel einen Tag in Barcelona oder Amsterdam zu verbringen? 10, 20, 30 Euro pro Tag? Ab wann macht sich eine Destination ‚unattraktiv‘ genug, damit der Besucherstrom zurückgeht?» fragt Zeller weiter. Dabei könnte es sich eben um Zutrittsgebühren zu Sehenswürdigkeiten oder ganzen Stadtviertel (z.B. Piazza San Marco in Venedig) handeln, oder Pauschalen für Kreuzfahrt-Touristen – alles ist denkbar.

«Gleichzeitig müssten die erhobenen Gebühren natürlich auf eine smarte Weise zur lokalen Bevölkerung zurückfliessen, so dass negative Auswirkungen der Touristenhorden kompensiert werden können - und nicht irgendwo im Gesamtetat versickern», moniert Zeller. Mallorca geht mit gutem Beispiel voran: Von den bislang mit der Tourismussteuer eingenommenen rund 64 Millionen Euro sollen rund 80 Prozent für Massnahmen zum Umweltschutz und zur Verbesserung der Wasserversorgung aufgewendet werden sollen. Einen Überblick über die angestossenen Massnahmen findet man auf www.sustainableislands.travel.

Das sind sicherlich geglückte Beispiele einer Regulierung. Im langwierigen Prozess wird es mancherorts aber auch zu unschönen Auseinandersetzungen kommen. So etwa in Florenz: Dort hat der Bürgermeister angeordnet, dass mit Wasserwerfern auf jene losgegangen werde, welche vor den religiösen Monumenten der Stadt «biwakieren». Eine martialische Art, das Problem des Overtourism zu lösen, die sicherlich nicht dazu angetan ist, eine gute Balance zu finden zwischen Willkommenskultur und Verhinderung des Overtourism.

(JCR)