Tourismuswelt

Sunday Press Dichtestress – Die Schattenseite des Tourismus

Swiss geht härter gegen renitente Passagiere vor – Längere Wartezeiten in Zürich-Kloten – Barcelonas Einwohner schlagen Alarm.

Die negativen Begleiterscheinungen des Tourismus prägen die heutigen Sonntagsmedien, bei der «NZZ am Sonntag» ist es gar die Titelgeschichte. «Swiss geht härter gegen aufsässige Passagiere vor», lautet die Schlagzeile auf der Front, «Swiss-Passagierin wurde in London von der Polizei abgeführt» der Titel auf dem Auftakt im Wirtschaftsbund.

Hintergrund der prominent aufgemachten Story ist ein Vorfall mit einer Vielfliegerin, die sich auf dem Flug von Zürich nach London nach einem Gangplatz erkundigte. Die Situation eskalierte in der Folge, so dass die Frau in London von der Polizei in Empfang genommen und abgeführt wurde. Das erlebte sie als demütigend und klagt deshalb gegen die Swiss. Was auf dem Flug genau vorgefallen war, bleibt allerdings im Dunkeln, weil die Swiss keine Auskunft zum konkreten Fall gibt und das Dossier mit dem Rapport des Kabinenpersonals unter Verschluss hält.

Ausgehend vom Einzelfall kommt die Zeitung zum Schluss, dass «die Zahl der Konflikte mit Fluggästen stark gestiegen ist». Die Airline schalte auch schneller die Polizei ein. Laut den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Zivilluftfahrt wurden ihm im letzten Jahr täglich zwei Vorfälle mit auffälligen Fluggästen gemeldet. Das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Swiss sagt nur, dass für sie die Sicherheit an Bord «höchste Priorität» habe, «eine Gefährdung des Luftverkehrs muss unter allen Umständen verhindert werden.»

Dass es vermehrt zu Ausrastern und Entgleisungen komme, dafür gibt es laut «NZZ a/S» nachvollziehbare Gründe. Sie zitiert den Präsidenten der Gewerkschaft des Kabinenpersonals mit folgenden Worten: «Wir haben wirklich volle Flugzeuge, und der Dichtestress nimmt auf allen Seiten zu.» Weltweit hätten die meisten Airlines in der Economy-Klasse den Platz pro Passagier «deutlich reduziert», schreibt die Zeitung, zudem sei die Auslastung «stark gestiegen».

Längere Wartezeiten für Reisen in die USA

Die «SonntagsZeitung» berichtet ihrerseits von neuen Passagierrekorden auf dem Flughafen Zürich und längeren Wartezeiten als Folge der verschärften Kontrollen für Flüge in die USA. Wurden am ersten grossen Ferienwochenende mit 103'418 Passagiere an einem Tag so viele Passagiere wie noch nie abgefertigt, dürften es an diesem Wochenende noch mehr sein. Laut einer Flughafensprecherin werden zwischen Freitag und Sonntag 308'000 Passagiere von Zürich aus abfliegen. An den nächsten beiden Wochenenden dürfte die Zahl noch ansteigen.

«Und just bei diesem Hochbetrieb», schreibt die «SoZ», «verschärften die US-Behörden die Sicherheitskontrollen für Flüge in die Staaten.» Seit vergangenem Mittwoch gelten neue Regelungen, «bei denen die elektronischen Geräte im Handgepäck im Fokus stehen». Wie viele und welche Passagiere davon betroffen sind, würden die US-Behörden jeweils kurzfristig bestimmen. «Die Passagiere müssen mit längeren Wartezeiten rechnen», sagt Flughafensprecherin Jasmin Bodmer.

Die Touristen werden zur Plage

Um zu viele Touristen und den Dichtestress geht es in der «NZZ am Sonntag» auch im Auslandteil. Eine Reportage aus Barcelona zeigt die negativen Seiten für Einheimische und das Gewerbe, die unter den Massen von Touristen leiden. Die Sättigung sei «allgegenwärtig». Barcelonas Wahrzeichen, die Sagrada Familia, die jährlich von 4,5 Millionen Menschen besucht wird, lasse sich im Sommer deshalb nur noch mit vorheriger Reservation besichtigen. Seit 1990 hat sich die Zahl der Touristen in Barcelona auf 9 Millionen vervierfacht. Verschärft wird das Problem durch die Kreuzfahrttouristen. Barcelona hat den grössten Kreuzfahrthafen Europas.

Ein Treiber ist auch der Wohnungsvermittler Airbnb. Mit einer 100-Quadratmeter grossen Wohnung, die normalerweise einen Mietzins von 1100 Euro einbringt, lassen sich die Einnahmen durch tage- oder wochenweises Vermieten vervierfachen. Der Berliner Tourismuschef Burkhard Kieker spricht in diesem Zusammenhang von einem «weltweiten Trend». Alle europäischen Topdestinationen leiden unter dem Touristenboom von individuellen Städtereisen. Egal, ob Rom oder Reykjavik, die Stadtregierungen sehen sich laut «NZZ a/S» einem «paradoxen Trend ausgesetzt: Gruppenreisen gibt es kaum noch, Massentourismus ist verpönt.» Jeder Besucher nehme für sich in Anspruch, die Stadt individuell zu entdecken. Mit dieser Philosophie habe die Vermittlungsplattform Airbnb längst die grössten Hotelketten überflügelt.

Laut dem Datenspezialisten STR bietet Airbnb drei Mal mehr Zimmer an als Marktführer Marriott mit 1,1 Millionen. In Barcelona, London oder Paris würden heute bereits fast die Hälfte der einwöchigen Aufenthalte via Airbnb gebucht. «Der Städtetourismus ist nicht einzudämmen», sagt Berlins Tourismuschef Kieker. Er und andere Tourismusdirektoren beliebter Städte setzen deshalb darauf, die touristischen Brennpunkte zu entschärfen. Die Themenseite schliesst mit einem Zitat von Hans Magnus Enzensberger: «Tourismus zerstört, was er sucht, indem er es findet.»

Widerstand gegen Ausbaupläne der Rigibahnen

In das Thema Dichtestresse geht auch ein Artikel der «Zentralschweiz am Sonntag», der über den Widerstand von Anwohnern gegen den «Ausverkauf des Berges» berichtet. Sie wehren sich gegen hochtrabende Pläne der Rigibahnen, die den Berg in einen Erlebnisraum verwandeln möchten, mit Streichelzoo, Erlebnisalp und einem historischen «Schwizer Bergdörfli». In Etappen soll die Rigi für insgesamt 50 bis 60 Millionen Franken zu einer Themenwelt umfunktioniert werden. Die Verantwortlichen der Bahnen sprechen von einem «Erlebnisraum Rigi», die Gegner von einer «Disneyfizierung».

Der Kulturwissenschaftler René Stettler wirft den Rigibahnen vor, den Berg «schleichend in ein voralpines Disney World umzubauen, in einen profitorientierten Konsum- und Erlebnispark». Was auf der Rigi geplant sei, bezeichnet er als «gelinde gesagt skandalös». Statt Ausbau plädiert er für eine Obergrenze bei den Gästezahlen und eine Anpassung des Masterplans an ein «nachhaltiges Tourismuskonzept» für höchstens 800'000 Besucher. Derzeit befördern die Rigibahnen 780'000 Passagiere. CEO Stefan Otz liess kürzlich gegenüber Medien verlauten, dass eine Million Touristen auf der Rigi denkbar seien. 

Ferieninsel Kos kehrt zum Alltag zurück

Laut der «SonntagsZeitung» kehrt auf der griechischen Insel Kos nach dem starken Seebeben von Freitagnacht «langsam Normalität ein». Die Geschäfte öffnen wieder, die Einwohner versuchten, gelassen zu bleiben: «Es ist Hochsaison, viele leben vom Tourismus.» Die Regierung versicherte an einer Pressekonferenz, die Insel sei sicher und die Infrastruktur intakt – nur der Hafen wurde schwer beschädigt. Die meisten Gebäude auf Kos hätten das Beben gut überstanden – die grössten Schäden sind in der Altstadt zu sehen.

Auch der Schweizer Reiseveranstalter Hotelplan zeigt sich erleichtert. Eines der Hotels, das Schaden am Verputz genommen hat, sei bereits wieder freigegeben worden. Durch herabfallende Trümmer in der Altstadt wurden zwei Männer getötet und rund 120 Menschen verletzt. Die Behörden sprachen von einem «Wunder», das es nicht mehr Tote gegeben hat. Trotzdem vermeldet Hotelplan nur «vereinzelte Annullierungen» und hält fest: «Von Reisen nach Kos raten wir nicht ab.»

Kontrastprogramm in den Reiseteilen

Als Antwort auf Dichtestress und Massentourismus können die heutigen Reiseteile gelesen werden. «Zentral- und Ostschweiz am Sonntag» bringen eine Reportage über Aserbaidschan, «ein Land voller Charme und Gegensätze». Das zwischen Iran und Russland gelegene Land am Kaukasus biete Individualreisenden viel und «kennt noch keinen Massentourismus». Die «SonntagZeitung» reiste nach Südschweden und tauchte ein in die Welt der Astrid Lindgren und ihrer furchtlosen Heldin Pippi Langstrumpf.

Der «Stil»-Bund der «NZZ am Sonntag» stellt die fünf schönsten Schweizer Jugendherbergen vor (Saanen, Crans-Montana, Basel, Saas Fee und St. Moritz) und titelt: «Ein Hoch auf die Jugi.» Der «SonntagsBlick» schliesslich porträtiert im Wirtschaftsteil Patrick Vogler, den neuen CEO des Grand Resort Bad Ragaz. Vogler war bisher Finanzchef und hat nun seit 1. Juli die Gesamtleitung inne. Bis 2019 soll der Quellenhof für 25 Millionen Franken saniert werden, damit er zum 150-Jahr-Jubiläum in neuen Glanz erstrahlt.

(HPB)