Tourismuswelt

Wenn das Trinkgeld zur Pflicht verkommt, verliert es seine eigentliche Bedeutung, findet Tamara Cantieni. Bild: Fotolia

Einwurf Die Nötigung zum Trinkgeld

Tamara Cantieni

Unsere Autorin zweifelt daran, dass sie das Prinzip des Trinkgeldes richtig verstanden hat.

Ich gebe gut und gerne Trinkgeld. Und zwar dann, wenn ich happy bin, und das ist der Fall, wenn der Service gut war. Nicht ok – gut! Gut im Sinne von aufmerksam, bereichernd, schnell, unauffällig, sympathisch.

Ja, Trinkgelder sind eine gute Sache. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich plötzlich von allen Seiten dazu genötigt werde. Und zwar, bevor ich überhaupt eine Dienstleistung in Anspruch genommen habe!

Ich habe beispielsweise eine Kreuzfahrt gebucht. Da teilt mir der Veranstalter im Voraus mit, dass ich jeden Tag 10 Euro Trinkgeld abzugeben habe. Ich. Und mein Mann. Und meine Kinder auch. Jeweils. Aha. Warum? Für das Personal? Aber die haben doch einen Lohn!

Was mache ich nun, wenn das Zimmermädchen mir Rosenblätter aufs Bett streut und Schwäne aus Badetüchern bastelt? Was mache ich nun, wenn ein Kellner extra aufmerksam oder nett ist? Wir lassen ja schon zu zweit jeden Tag 20 Euro liegen – sind diese Extras dann selbstverständlich oder kosten zusätzlich? Nochmals: Warum?

Ein Zeichen, dass ich mit der Dienstleistung zufrieden bin. Ein Ansporn für die Menschen in ihrem Beruf.

Ich verstehe offenbar das Prinzip vom Trinkgeld nicht. Bis anhin dachte ich, das sei ein kleines Dankeschön. Ein Zeichen, dass ich mit der Dienstleistung zufrieden bin. Je mehr Mühe und Freude ich spüre, umso lieber und mehr gebe ich. Ein Ansporn für die Menschen in ihrem Beruf. Ein Zeichen, dass der Kunde sie zu schätzen weiss. Aber wenn ich Trinkgelder geben muss, dann wird es eine Selbstverständlichkeit und einfach ein Bestandteil vom Lohn, den der Kunde berappen muss, und das kann es doch nicht sein, oder?

Man erklärte mir, dass mit diesem pauschalen Trinkgeld auch die unsichtbaren Jobs etwas davon hätten, etwa die Küchenhilfen oder die Leute in der Wäscherei. Nun, das ist ein freundlicher Gedanke, aber nicht ganz richtig, denn Trinkgelder sind etwas für Menschen mit direktem Kundenkontakt.

Mein Trinkgeld ist freiwillig. Ich bin die Letzte, die geizt, aber ich will von Herzen geben. Wenn das Trinkgeld zur Pflicht verkommt, verliert es seine eigentliche Bedeutung.

Auf Reisen macht jeder die hohle Hand, und wenn du nichts gibst, bist du ein verknöcherter Schweizer. Ich will mich aber nicht dazu zwingen lassen. Das Trinkgeld soll bleiben, was es ist: ein materielles Dankeschön, das auf beiden Seiten Freude macht!