Tourismuswelt

Andy Keller, Managing Director der Helvetic Assistance GmbH, erklärt, warum Reiseversicherungen notwendig und empfehlenswert sind. Bild: zVg

150‘000 Franken für den Rückflug aus den USA?

Wer keine Reiseversicherung hat, geht ein hohes Risiko ein, etwa bei den Repatriierungskosten. Wie versichere ich mich richtig? Andy Keller, Managing Director Helvetic Assistance, äussert sich zu Vorteilen und Formen von Reiseversicherungen.

Herr Keller, gehen wir davon aus, dass ich in den Ferien einen schweren Unfall erleide oder schwer erkranke. Was muss ich als erstes tun?

Sofern Sie über eine kurzfristige Police oder eine Jahresversicherung verfügen, welche die Assistance deckt, müssen Sie zwingend die Notrufzentrale Ihrer Reiseversicherung anrufen. Dort wird man von professionellen und erfahrenen Spezialisten betreut, welche die notwendigen Massnahmen massgeschneidert organisieren. Diese Notrufnummer sollten Sie in Ihrem Handy gespeichert haben. Einzelne Reiseversicherungen verfügen allenfalls auch über eine Notfall-App.

Was passiert, wenn ich keine solche Versicherung habe, aber in die Schweiz überführt werden muss?

Dann werden Ihnen die gesamten Kosten der Repatriierung in Rechnung gestellt. Ab Gran Canaria kostet dies schnell zwischen 40'000 und 50'000 Franken. Sind Sie in den USA, steigen die Kosten auf 120'000 bis 150'000 Franken.

Es empfiehlt sich also, sich zu versichern. Was schlagen Sie vor?

Wichtig ist, dass man über eine Assistance-Deckung verfügt. Die Assistance-Zentrale ist während 24 Stunden an 365 Tagen erreichbar und hilft, wenn man im Ausland erkrankt oder verunfallt, oder kümmert sich auch um Todesfälle. Diese Deckung nimmt also dem Kunden jegliche Koordination vor Ort ab und bezahlt die entstehenden Kosten. Auch diese können rasch einen fünfstelligen Betrag erreichen oder noch höher ausfallen.

Dazu empfiehlt sich der Abschluss einer Annullierungskostenversicherung. Hier entstehen heute durch verschärfte Bedingungen der Airlines, Hotels oder Reiseveranstalter schon früh Kosten, welche somit ebenfalls versichert wären.

Für Reisen in weiter entfernte Länder ist auch eine Zusatzversicherung für medizinische Kosten empfehlenswert, da die Kosten in vielen Ländern sehr hoch sind oder die medizinische Gesundheitsversorgung nicht genügend ist. Damit hat der Kunde Zugang zu spezialisierten Ärzten oder zur privaten Abteilung.

All diese Angebote werden meistens gebündelt und als kurzfristige Police oder als Jahresversicherung verkauft. Mit Letzterer sind Sie bei allen Reisen im Jahr, egal wohin und wie lange, geschützt.

Worauf sollte man bei einer Reiseversicherung achten?

Dass es ein Produkt mit einem anständigen Preis-Leistungsverhältnis ist. Wichtig: Eine professionelle und hochqualifizierte Notfallzentrale, welche dem Kunden 24 Stunden an 7 Tagen, wo immer er ist und was immer passiert, zur Seite steht. Dazu sollte sie einen einfachen, fairen und schnellen Schadenprozess bieten und im Fall einer Schadensübernahme eine schnelle Auszahlung des geschuldeten Betrages gewähren.

«Eine Annullierungskostenversicherung empfiehlt sich wegen den verschärften Bedingungen der Airlines, Hotels oder Reiseveranstalter.»

Kommen wir zurück zur Repatriierung: Ich könnte doch auch einfach REGA-Gönner sein.

Bei einer Reiseversicherung und der REGA handelt es sich um zwei unterschiedliche Gesellschaftsformen. So muss die Reiseversicherung aufgrund der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in jedem Fall Hilfe leisten. Die REGA ist eine unabhängige Stiftung, welcher von Gönnern lebt und sie ist nicht verpflichtet, Hilfe zu leisten. Die REGA repatriiert bei Krankheit oder Unfall, wogegen die Reiseversicherung noch in vielen anderen Fällen Leistungen erbringt, etwa vorzeitige Rückreise, Pannen, Naturkatastrophen, Terror, Todesfall und mehr. Aber die REGA fliegt auch Einsätze für die Reiseversicherungen, da diese nicht über eigene Ambulanzjets verfügen. Und bei der Repatriierung von REGA-Gönnern, welche eine Jahresversicherung haben, werden diese Kosten den jeweiligen Reiseversicherungen in Rechnung gestellt. Kurz: Am besten ist man Gönner bei der REGA und hat eine Jahresversicherung, diese ergänzen sich perfekt.

Gut, dann bin ich also versichert. Welche Regeln gelten für eine Repatriierung?

Zuerst muss die Meldung über die Krankheit oder den Unfall an die Notrufzentrale erfolgen. Diese muss dann zwingend Kontakt mit dem behandelndem Arzt vor Ort aufnehmen, um die medizinischen Abklärungen einzuleiten. Die Repatriierung wird dann anhand dieser medizinischen Abklärungen organisiert.   

Was geschieht, wenn ein spezieller Rücktransport nicht in Frage kommt?

Bei Unterversorgung ist die Verlegung in ein für die Behandlung besser ausgestattetes Spital möglich. Generell führen wir aber die Rücktransporte immer durch, insofern der Patient laut den medizinischen Abklärungen «fit to fly» ist.

Kann die Rückreise auch verweigert werden?

Kaum. Medizinische Fälle werden immer mit höchster Priorität behandelt. Der Zeitpunkt der Repatriierung ist von den medizinischen Abklärungen abhängig. Generell werden medizinische Rückführungen schnellstmöglich durchgeführt. Der Patient selber oder auch dessen Angehörige können sich jederzeit über den aktuellen Fallstatus erkundigen.

«Am besten ist man Gönner bei der REGA und hat eine Jahresversicherung, diese ergänzen sich perfekt.»

Zum Abschluss: Was empfehlen Sie als Versicherungsspezialist hinsichtlich der Reisevorbereitung?

Wir sehen leider einen Trend, wonach sich der Kunde wenig bis gar nicht auf die Reise vorbereitet. Man bucht einfach, ohne sich über die Sitten, Gebräuche und Gesundheitsthemen im Zielland zu informieren. Viele merken erst vor Ort, dass sie eine bestimmte Impfung notwendig hätten oder dass das Klima feuchter und heisser als erwartet ist. Dann wird einfach das Reisebüro oder auch die Hotline der Reiseversicherung angerufen. Manchmal kann es auch in einen medizinischen Fall ausarten. Meine Empfehlung ist daher, sich gründlich auf die Zieldestination vorzubereiten, vor Abreise einen Gesundheitscheck zu machen, die Impf- und sonstigen Papiere überprüfen, eine gültige Reiseversicherung zu haben bzw. abzuschliessen und die Notfallnummer des Versicherers zu speichern.

(JCR)