Tourismuswelt

Szene aus der Komödie L.A. Waitress. Bild: Youtube

Einwurf Das ist zu viel des Guten

Tamara Cantieni

Die Überfreundlichkeit in 5-Sterne-Häusern entlockt unserer Autorin ein «Herrgottnochmal».

Ich hatte es mir gerade in der Hotellobby des 5-Sterne-Etablissements gemütlich gemacht, als dieses feenhafte Wesen in meine Richtung schwebte und mit ihrem Tablett neben mir zum Stillstand kam.

«Was darf ich Ihnen bringen?»

Sie hauchte die Worte, gleichzeitig sang sie sie. Ich musste mich unglaublich anstrengen, um sie überhaupt zu verstehen! KAFFEE sagte ich umso bestimmter, als müsste ich diesen bizarren Singsang wieder ausgleichen. Mit einem einzigen Ton (ich nehme an, es war ein «gern») entfleuchte sie wieder schwebend durch den Raum.

Der Kaffee kam, sie sang-fragte, ob alles in Ordnung sei, und ob ich noch einen Wunsch hätte. Ja, den hatte ich, ich wollte Scones. Nachdem sie auch diese gebracht hatte, tanzte sie leichtfüssig alle 10 Minuten an meinen Tisch, um mich zu fragen, ob alles in Ordnung sei, oder ob ich noch etwas bräuchte. Alle 10 Minuten.

Sie machte mich wahnsinnig.

Erst dachte ich, sie hätte vielleicht Mitleid, weil ich allein dort sass, was ich allerdings sehr bewusst tat und äusserst liebte! Ich wollte allein sein und die herrlichen Dinge geniessen, und ich war kurz davor, sie aus dem Nichts heraus anzuschreien, dass bislang alles in Ordnung gewesen war, bis sie damit angefangen hatte, mich alleweil zu fragen und zu drangsalieren mit ihrem albernen Singsang! Puh. Ich konnte an mich halten.

In dieser Menge und Aufdringlichkeit können die Fragen doch nicht ernst gemeint sein.

Und nur wenige Tage später, ich war gerade mit einer Freundin in einem anderen Hotel essen, passierte mir genau das gleiche! Eine übermotivierte Kellnerin hörte nicht auf, uns zu fragen, ob es schmeckt  – bei jedem Gang –, ob wir noch etwas brauchen würden, und ob bei uns alles in Ordnung sei. JA, JA, JA, wollte ich am liebsten entgegnen, LASS UNS EINFACH ESSEN, HERRGOTTNOCHMAL!!!

Es gibt tatsächlich sowas wie eine Überfreundlichkeit, die mich ziemlich nervt. In dieser Menge und Aufdringlichkeit können die Fragen doch nicht ernst gemeint sein. Ein aufmerksames Personal hat Augen im Kopf, es SIEHT, wie es seinen Gästen geht! Ein aufmerksames Personal ist diskret. Ein aufmerksames Personal redet wie ein Mensch, und nicht wie eine Maschine, die so tut, als wäre sie gerade freundlich.

Wäre es mir lieber, die Leute würden grimmig brummen, statt in diesem merkwürdigen Singsang zu flöten? Natürlich nicht. Aber dieses Verchäuferlis spielen, indem man die üblichen Fragen im üblichen Ton flötet, nervt. Freundlichkeit kommt ohnehin nicht aus der Flöte, sie kommt aus dem Herzen.