Tourismuswelt

Deutscher Reiseverband neu aufgestellt – und gefordert
Selten verlief eine Wahl des Deutschen Reiseverbandes (DRV) derart kontrovers. Vor Bewerbungsschluss hatte sich Marija Linnhoff, streitbare Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) als Gegenkandidatin ins Rennen gebracht – und damit eine offene Debatte über Macht, Transparenz und Modernisierung im grössten Verband der deutschen Reisewirtschaft entfacht. Linnhoff, die dem DRV seit Langem kritische Distanz entgegenbringt, warf Teilen des bisherigen Präsidiums «Mauschelei» und mangelnde Reformbereitschaft vor.
Letztlich blieb ihr Erfolg jedoch aus: Linnhoff kam auf 9,8 Prozent der Stimmen. Von insgesamt 3274 wahlberechtigten Mitgliedern nahmen 1621 an der Abstimmung teil – eine Beteiligung von 49,5 Prozent. Gewählt wurde Albin Loidl, er wird neuer DRV-Präsident und damit Nachfolger von Norbert Fiebig. Die Mitgliederversammlung des Tourismus-Spitzenverbands wählte den Chef von Alpha Reisebüro Partner am Freitag in Berlin mit 87 Prozent der Stimmen – ein klares Mandat, das ihm den Rücken stärkt, zugleich aber eine aufgewühlte Branche einen soll.
Panne bei der Abstimmung
Für Unruhe sorgte zum Auftakt eine technische Panne: Die ursprünglich geplante digitale Abstimmung scheiterte, sodass kurzfristig auf Papierstimmzettel umgestellt werden musste. Die Verzögerung sorgte für Unmut unter den Delegierten, änderte aber nichts am Ergebnis – Loidl wurde mit grosser Mehrheit gewählt.
«Verantwortung übernehmen heisst, die Branche zusammenzuführen und die starke Stimme des DRV weiter zu kräftigen – in Berlin wie in Brüssel», erklärte Loidl in seiner Antrittsrede. Er kündigte an, den Verband agiler, moderner und politisch schlagkräftiger zu machen. Seine Schwerpunkte: faire Wettbewerbsbedingungen, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Fachkräftesicherung.
Der scheidende Präsident Norbert Fiebig wurde von der Mitgliederversammlung einstimmig zum Ehrenpräsidenten ernannt. Fiebig, einst Touristikvorstand bei Rewe und verantwortlich für Dertour, hatte den Verband seit 2013 geführt. Zuletzt stand er in der Kritik, weil er den Austritt des Branchenriesen TUI aus dem DRV im vergangenen Jahr nicht verhindern konnte. In seiner Abschiedsrede zeigte er sich versöhnlich: «Es war mir eine grosse Ehre, die Reisewirtschaft über all die Jahre zu vertreten.»
Mehr Frauen im Vorstand
Zeitgleich mit der Präsidentschaft wurde auch der Vorstand neu gewählt. Die Finanzverantwortung bleibt bei Ute Dallmeier (Lufthansa City Center Niederrhein). Fünf Vizepräsidenten repräsentieren die unterschiedlichen Säulen der Branche: Ralf Hieke (Reisebüro Strier), Andreas Heimann (DER Reisebüro), Tim Dunker (Ameropa-Reisen), Mark Tantz (Dertour Deutschland) und Ulrike Katz (Visionsahead).
Auffällig: Erstmals gehören vier Frauen dem DRV-Vorstand an – ein Rekordwert, den viele als Schritt in Richtung mehr Diversität und Modernisierung werten. Neben Dallmeier und Katz wurden Ann-Katrin Lukasiewicz (Reiseagentur Grenzenlos) und Songül Göktas-Rosati (Bentour Reisen) in das Gremium gewählt.
Spannungen bleiben
Ganz ruhig dürfte es im Verband nicht werden. Marija Linnhoff kündigte nach ihrer Niederlage an, den von ihr geführten VUSR (Verband unabhängiger Reisebüros) weiter auszubauen – künftig auch für Reiseveranstalter. Unterstützung erhält sie dabei ausgerechnet von Riese TUI, der Ende 2024 den DRV verlassen hatte. Beobachter rechnen mit einem anhaltenden Wettbewerb um Einfluss in der Branche.
Die Weichen für die nächsten drei Jahre sind gestellt. Der Verband will sich stärker als politische Stimme der Reisewirtschaft positionieren – in Deutschland und auf EU-Ebene. Die nächste DRV-Jahrestagung findet vom 15. bis 19. April 2026 auf der Azoreninsel São Miguel statt, der nächste Hauptstadtkongress im Oktober 2026 in Berlin.
Ob es Loidl gelingt, die Branche in einer Phase des Wandels zusammenzuführen, wird sich zeigen. Sicher ist: Mit seinem Amtsantritt beginnt im DRV ein neues Kapitel – mit viel Erfahrung an der Spitze, aber auch mit hohen Erwartungen an Aufbruch und Erneuerung.