Tourismuswelt

Fredi Gmür (*28. März 1959 – † 27. Februar 2023). Bild: HO

Nachruf: Fredi GmürTouristiker aus Leidenschaft

Vanessa Bay

Die Schweizer Tourismusbranche verliert einen ihrer herausragenden Köpfe: Fredi Gmür ist am 27. Februar 2023 nach schwerer Krankheit gestorben. Ein Nachruf von Vanessa Bay.

Ende 2018 war ein Meilenstein im Leben von Fredi Gmür: Nach vollen 23 Jahren als CEO der Schweizer Jugendherbergen (SJH) gab er seinen Rücktritt bekannt. Sorgfältig und umsichtig, wie es seine Art war, bereitete er den nächsten beruflichen Schritt vor und gab diesen dann im Spätherbst 2019 bekannt: Er wagte mit der Fredi Gmür Consulting den Schritt in die Selbstständigkeit.

Als wichtigstes Startkapital brachte Fredi Gmür die umfassende strategische und operative Erfahrung ein, die er sich im Laufe seiner Karriere angeeignet hatte. «Es ist mir ein Anliegen, sowohl touristische Angebote als auch die Tourismuspolitik mit Weitblick, lebensfähig, fair und umweltbewusst mitzugestalten und auf dem Weg in eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft zu begleiten», sagte er damals.

Fredi Gmür, weit über die Branche hinaus bekannt, respektiert und geschätzt, hatte sein ganzes Berufsleben dem Tourismus gewidmet. «Die Faszination am Tourismus wurde mir in die Wiege gelegt», sagte er einmal. «Die Wichtigkeit der unternehmerischen Verantwortung für die Gesellschaft erkannte ich bereits im Kindesalter. Das Klima bestimmte schon dazumal die wirtschaftliche Entwicklung und beeinflusste das Stimmungsbarometer im Elternhaus.»

Nach einer kaufmännischen Ausbildung und Weiterbildung in Betriebswirtschaft, Marketing und Tourismus war er je sieben Jahre Tourismusdirektor in Amden am Walensee, wo er aufgewachsen war, und in Savognin. Besonders profiliert hat sich Fredi Gmür danach als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizer Jugendherbergen von 1996 bis Ende 2018.

Herausforderung Strukturwandel

Als er die Position übernahm, steckten die «Jugis» inmitten eines herausfordernden Wandels: Die regionalen Vereine hatten gerade fusioniert – die Organisation musste sich unter einem gesamtschweizerischen Verein neu aufstellen. Mit vereinten Kräften gelang es, die Schweizer Jugendherbergen in ein neues Zeitalter zu führen. Fredi Gmür spielte dabei eine prägende Rolle – er hatte die Kraft und den Durchhaltewillen, die neuen Leitbilder und strukturellen Veränderungen umzusetzen und in der breiten Öffentlichkeit vehement zu vertreten. Selbst dann, wenn er sich damit nicht nur Freunde schaffte. Während seiner Schaffenszeit wandelten die Schweizer Jugendherbergen ihr Image gewaltig. Das Netzwerk wurde bereinigt und weiterentwickelt, die Beherbergungsbetriebe bekamen neue Strukturen und das Angebot wurde permanent verbessert.

Überlebenswichtige Nachhaltigkeit

1996 setzte noch kaum jemand auf Nachhaltigkeit. «Doch für unsere Organisation war das damals schon überlebenswichtig», sagte Fredi Gmür. Jedes Projekt und die gesamte Strategie fussten auf drei Pfeilern: Umweltbewusstsein, soziales Handeln, gesunde Finanzen. So änderten die Jugendherbergen ihr Gesicht. Es gibt Minergiebauten mit herausragender Architektur zum Beispiel in Gstaad, Interlaken oder Scuol; eine Jugendherberge in Saas-Fee mit Inhouse-Wellness und Hallenbad und so weiter. Mit dieser Entwicklung der Jugendherbergen veränderte sich nicht nur ihr Image, sondern auch die Kundschaft: Jugendliche Touristen mit Tramperrucksack (oder heute eher mit Rollkoffern) gehören immer noch zur Klientel. Aber zunehmend kommen Paare und Familien.

Viele Preise und Auszeichnungen

Während seines Schaffens durften die Schweizer Jugendherbergen zahlreiche Preise und Auszeichnungen entgegennehmen: So unter anderem im Jahr 2016 den myclimate Award als «Pionier für integrierten Klimaschutz im Bereich Hotellerie», im selben Jahr den Umweltpreis der Schweiz und 2011 den Nachhaltigkeitspreis der Zürcher Kantonalbank. Bereits 2007 hatten die Teams der SJH und SSST den Tourismuspreis «Milestone» für ihre Nachhaltigkeitsstrategie erhalten. Darüber hinaus wurde Fredi Gmür vor sechs Jahren zum «Standortmanager des Jahres» gekürt.  

Neben seinem Wirken bei den Schweizer Jugendherbergen engagierte sich Fredi Gmür für eine Reihe von Branchenverbänden, Stiftungen und Expertengruppen. So war Fredi Gmür 2017–2020 Mitglied der Begleitgruppe Tourismusstrategie des Bundes, 1997–2018 Vorstandsmitglied im Schweizer Tourismus-Verband, 2011–2018 Gründungsmitglied und Präsident des Branchenverbandes Parahotellerie Schweiz, 2013–2018 Mitglied im Beirat von Hotelleriesuisse und 2011–2016 Mitglied im Tourismusrat von Schweiz Tourismus.

Auch sein neuer beruflicher Lebensabschnitt liess sich vielversprechend an. So wurde er in den Verwaltungsrat der Engadin St. Moritz Tourismus AG berufen, wo er zusammen mit einem engagierten Verwaltungsrat und Geschäftsleitungsteam herausfordernde strukturelle Projekte erfolgreich begleitete und das Unternehmen wieder auf Kurs brachte. Weiter wirkte er im VR des Regionalflughafens Samedan und hatte weitere Mandate inne. Er wurde Stiftungsrat bei myclimate, Präsident der Stiftung Scaletta S-chanf, Mitglied der Reisekommission Procap Schweiz. Zudem übernahm er diverse Mandate im Bereich Organisationsentwicklung, Marketing und IT.

Doch Fredi Gmür bekam die Chance nicht mehr, diese neue Phase seines Lebens auszukosten. Auch die Zeit, die er zusammen mit seiner Frau in der zweiten Heimat Brasilien verbringen wollte, war ihm nicht mehr vergönnt. Eine heimtückische Krankheit schränkte seinen Handlungsspielraum zusehends ein. Sein Leiden, das er mit unglaublicher Kraft, Grösse und Fassung trug, verschlimmerte sich von Woche zu Woche.

Fredi Gmür ist am Montagabend, 27. Februar 2023, im Beisein seiner Familie verstorben. Mit ihm verlieren wir einen Branchenkollegen, der seine Visionen beharrlich, aber mit Respekt und Wertschätzung für die Menschen und die Umwelt realisierte. Für mich persönlich haben wir einen Kollegen verloren, auf dessen Verlässlichkeit und menschliche Grösse wir vertrauten, der Brücken baute, auch schwierige Diskussionen respektvoll führte und mit seiner ruhigen Art ausgleichend wirkte. In unsere Trauer mischt sich die Dankbarkeit dafür, Fredi Gmür gekannt und geschätzt und mit ihm zusammengearbeitet zu haben.

Unsere Gedanken sind bei seiner Frau und seiner Familie.