Tourismuswelt

Hat der Kunde ein Anliegen? Dann hören Sie ihm zu. Und das darf auch einen Preis haben. Bild: AdobeStock

Kommentar Produkt ist Silber, Service ist Gold

Jean-Claude Raemy

In turbulenten Zeiten wie jetzt wird schnell klar, welche Firmen Oberhand haben: Es sind nicht unbedingt jene mit der besten Hardware oder dem tollsten Markenversprechen, sondern jene mit tadellosem Kundenservice. Hier sollten sich gerade einige Transportunternehmen zu Luft, Land und auf Schienen von den globalen Luxusbrands inspirieren lassen.

Wer sich mit der Luxusbranche auseinandersetzt, merkt schnell, dass Luxus zwei Standbeine hat: Zum einen natürlich das Produkt, das tadellos gefertigt ist, höchsten Wünschen und Ansprüchen genügt und entsprechend aufwändig vermarktet wird. Zum anderen aber etwas, was auf den ersten Blick weniger sexy wirkt: Tadellosen Service. Und man ist geneigt zu sagen, dass Letzteres wichtiger ist.

Haben Sie schon einmal eine ältere Louis-Vuitton-Tasche oder einen Hermès-Bag zur Reparatur gebracht? Der Schaden wird begutachtet, der Fall angenommen, man erhält Informationen zu Dauer und Umfang der Reparaturen, und erhält am Ende sein Produkt in einem Zustand «wie neu» zurück. Das gleiche gilt für Uhren von Rolex. Und, vielleicht näher am Reisethema, für Rimowa-Koffer. All diese Produkte kosten zwar viel Geld - bieten dafür aber Langlebigkeit aufgrund der Qualität der verwendeten Materialien und dem Know-how der Fachleute, welche sie herstellen sowie auch reparieren. Höchstes Know-how nicht nur in der Handwerkskunst und der Vermarktung, sondern eben auch im tadellosen Service.

Die Botschaft ist simpel: «Wenn Sie sich für unsere Marke entscheiden, werden wir uns um Sie kümmern, auch lange nachdem Sie das Produkt erstanden haben.» Die Kosten für Reparaturen und Kundenpflege sind aus Sicht des Anbieters beträchtlich, doch wird dieses Investment aufgewogen durch hohe Wertschätzung und emotionale Bindung an eine Marke.

Warum sollte das nicht anderswo funktionieren?

Man stelle sich nun vor, dass ein solches Modell auch auf weniger luxuriöse Branchen übertragen wird. Der Anspruch an «Hardware», also das reine Produkt, darf ruhig tiefer sein. Man darf etwas anbieten, das weniger langlebig ist. Doch darf man den Service schleifen lassen? Nein, denn Servicequalität müsste eigentlich nicht in direkter paralleler Relation zum Kaufpreis sein.

Das ist etwas, das sich beispielsweise Airlines wieder etwas mehr zu Gemüte führen sollten. Während des goldenen Zeitalters der kommerziellen Luftfahrt genossen Passagiere schmackhafte Mahlzeiten und konnten sich in geräumigem Komfort ausstrecken. Doch die permanente, fast zwanghafte Daueroptimierung der Revenue führte dazu, dass man sich weitgehend am Beispiel der Low-Coster orientierte, die alles auf den Preis und meist sehr wenig auf Convenience und Service setzen. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, statt Premium-Kunden zu verhätscheln und Economy-Kunden zu verärgern, wieder etwas mehr «in der Breite» für positive Vibes zu sorgen?

Die Flugbranche hat es grösstenteils versäumt, einen vorhersehbaren Anstieg der aufgestauten Reisenachfrage zu bewältigen, obwohl sie während der Pandemie Dutzende von Milliarden an öffentlichen Geldern in die Hand genommen hat - angeblich, um sich «in Bereitschaft zu halten». Dieser Sommer, in welchem der Begriff «Flugchaos» zum Dauerthema geworden ist, hat das Image der Luftfahrtbranche just in dem Moment, als sich alle endlich wieder auf langersehntes freies Reisen nach den Corona-Einschränkungen gefreut hatten, auf einen neuen Tiefststand gedrückt. Und das Problem ist natürlich nicht die «Hardware», also die Flugzeuge, oder die Routen, noch nicht einmal die gestiegenen Flugpreise: Es ist diese Angst der Kunden - und auch des Vertriebs - im Problemfall völlig auf sich gestellt zu sein.

Nie ankommende Anrufe in Call Centern, zähe Kämpfe um jegliche Formen von zumeist berechtigten Entschädigungen, Abspeisung mit «Gutscheinen», komplett überbuchte Flüge, gepaart mit immer wiederkehrenden Streiks... ja sogar die Business Lounges sind inzwischen vollgestopft. Beispiele dafür, wie ärgerlich modernes Fliegen geworden ist, gibt es zuhauf. Die Gags über baldige Gebühren für den Toilettenbesuch oder für die Kotztüte machen schon seit Jahren die Runde. Warum kriegt man diese negative Entwicklung nicht in den Griff?

In den USA ist die Zahl der Beschwerden gegen Fluggesellschaften gegenüber der Zeit vor der Pandemie um 300 Prozent gestiegen. Jeden Tag, so scheint es, gibt es neue Geschichten über Fluggesellschaften, die Flüge streichen, nachdem sie die Passagiere stundenlang warten liessen, und sich dann weigern, eine Rückerstattung zu gewähren. Rechte? Nein. Rechnungen? Ja.

Wie gelingt die Imagekorrektur?

So kann es doch nicht weitergehen. Aktuell scheint man in der Luftfahrt einfach darauf zu setzen, dass sich die Lage irgendwann normalisiert. Wann? Wenn die Leute aus lauter Frust keine Flüge mehr buchen? Die Luftfahrt hat eigentlich Glück, dass sie quasi unverzichtbar ist und die Bahnen keinen viel besseren Job machen und auf den Strassen gleichermassen Chaos herrscht.

Die moderne Mobilität steht vor einer riesigen Herausforderung. Klar sind Flüge längst eine «Commodity» und nicht mehr ein exklusives Fortbewegungsmittel. Aber der Transporteur hat eine gewisse Verantwortung gegenüber dem Kunden: Dieser bezahlt für eine Beförderung und allenfalls für Extras. Dass sich Legacy Airlines inzwischen so stark an Low-Costern orientieren, irritiert doch aber die Kunden. Die Diskrepanz zwischen Markenversprechen und Realität ist inzwischen gross. Dass die Lufthansa den fünften Skytrax-Stern verlor, hat niemanden überrascht.

Wäre es nicht an der Zeit, sich ein Beispiel an den Luxusgüter-Firmen zu nehmen, statt an den Ultra-Billig-Anbietern?