Tourismuswelt

Was bedeutet der tiefe Euro für die Reisenden?

Jean-Claude Raemy

Der Euro ist wieder gleichauf mit dem Franken, zeitweilig sogar leicht darunter. Grund zur Sorge oder Grund zur Freude?

Der Euro-Franken-Wechselkurs fiel gestern Donnerstag (30. Juni) zwischenzeitlich auf den tiefsten Wert seit der Freigabe des Franken-Wechselkurses im Jahr 2015, was damals den Übernamen «Frankenschock» erhielt. Sprich: Der Franken war wieder mehr Wert als der Euro, was für unsere Wirtschaft diverse Implikationen hat. Aktuell sind die beiden Währungen etwa gleichauf. Unter dem Strich hat sich der Franken gegenüber dem Euro innert weniger Wochen somit um über vier Prozent aufgewertet.

Das ist insofern von Interesse, als die Konsumentenpreise in der Schweiz aufgrund von Ukraine-Krieg und damit verbunden gestiegenen Treibstoffpreisen sowie Lieferengpässen und Produktverknappungen am steigen sind - die Inflation liegt aktuell oberhalb der Schwelle, welche die Schweizerische Nationalbank (SNB) als «Preisstabilität» bezeichnet. Der Preisdruck ist auch in der Reisebranche spürbar: Allgemein haben sich die Preise für Flüge, Hotels, Mietwagen und weitere touristische Dienstleistungen zuletzt - teils drastisch - verteuert. Jetzt, wo der Euro schwächelt, müsste es doch hier bei Auslandreisen etwas Entlastung geben, oder nicht?

Keine signifikanten Änderungen

Hotelplan-Sprecherin Bianca Gähweiler erklärt: «Bei den dynamisch paketierten Reisen ist es effektiv so, dass Kursänderungen sofort weitergegeben werden, sprich, die Reisen, die von uns in Euro eingekauft und paketiert werden, dürften tendenziell etwas günstiger werden, allerdings in sehr bescheidenem Rahmen.» Es sei auch zu bedenken, dass die Inflation im Ausland teils noch deutlich höher ist als in der Schweiz, d.h. die allfälligen Einsparungen beim reinen Reisepreis werden bei den Auslagen vor Ort möglicherweise weggefressen.»

Markus Flick (Sprecher DER Touristik Suisse) ergänzt: «Steigende Frankenkurse kurbeln die Reiselust grundsätzlich an, weil die vor Ort anfallenden Ausgaben im Euro-Raum günstiger werden. Gleichzeitig nehmen wir die Herausforderung an, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Preise unabhängig von der Währungsentwicklung sicherzustellen. Weil Preise dynamisch festgelegt werden können und uns die aktuelle Entwicklung nicht unvorbereitet trifft, müssen unsere Kundinnen und Kunden keine signifikanten Preissteigerungen infolge des fallenden Euros befürchten.»

André Lüthi, VRP der Globetrotter Group, sagt seinerseits: «Die allgemeine Verteuerung des Reisens wird von der aktuellen Entwicklung nur minimal abgefedert. Bei uns wird relativ wenig in Euro eingekauft, beispielsweise bei den Sprachreisen. Dort wird mit einem eingekauften Kurs kalkuliert. Wenn der Franken nun steigt, frisst uns das etwas Marge weg, ist im aktuellen Ausmass aber nicht besonders schlimm. Die allgemeine Teuerung der Reisen beschäftigt uns mehr. Immerhin lässt sich bislang festhalten, dass die Mehrheit der Kunden die Teuerung mutwillig hinnimmt. Mir scheint gar, es gebe aktuell weniger Preisdiskussionen als noch vor der Pandemie.»

Der Dollar schwächt sich wieder ab

Man kann also bilanzieren, dass die Euro-Parität zumindest kurzfristig keinen nennenswerten Einfluss hat auf das Outgoing-Reisegeschehen. Dort, wo dynamisch paketiert wird, wird der kleine Vorteil weitergereicht, dort, wo mit fixem Eurokurs kalkuliert wurde, ist die Differenz aktuell zu klein, als dass grosse Preiskorrekturen zu erwarten wären. Und was im Ausland durch den tiefen Kurs theoretisch günstiger wird, wird wegen der Inflation auch gleich wieder teurer...  

Nicht anders verhält es sich übrigens ausserhalb des Euroraums. Der Dollar, der im Mai/Juni gegenüber dem Franken deutlich zugelegt hatte, hat sich zuletzt wieder abgeschwächt, bzw. der Franken ist eben erstarkt. Die befürchtete Preiserhöhung bei Reisen nach Amerika bleibt wohl aus. Was nicht heisst, dass die Reise dorthin nicht teurer würde: Flugpreise und Mietwagen steigen und die Inflation vor Ort beträgt satte 8 Prozent. Da kann die Frankenstärke lediglich etwas «Schadensbegrenzung» bringen.

Und von wegen Schaden: Den hat primär das Incoming. Wenn der Franken weiterhin so stark ist, werden die Besucherzahlen aus den - ebenfalls Inflations-geplagten - wichtigen Quellmärkten nicht weiter so rasant zulegen wie zuletzt.