Future

David Ruetz, Head of ITB bei der Messe Berlin, hat heute das Konzept der kommenden ITB erläutert. Bild: ITB Berlin

Die ITB wird zur reinen Fachmesse

Jean-Claude Raemy

ITB-Chef David Ruetz erklärt Travelnews, wie sich die wichtigste Reisemesse der Welt nach den Pandemiejahren aufstellt und an frühere Erfolge anknüpfen will. Der Fokus wird auf B2B-Kunden und Networking gelegt und die Messelaufzeit verändert sich leicht.

Die (Schweizer) Reisebranche hat in den vergangenen, Pandemie-geprägten Jahren die weltweit wichtigste Reisemesse, die ITB Berlin, schmerzlich vermisst. Die virtuellen bzw. hybriden Versuche konnten den «ITB Groove» vergangener Jahre nicht wettmachen. Doch im kommenden Jahr wird die ITB live zurück sein - und dies mit einer neuen Ausrichtung.

«Die ITB 2023 wird eine reine Fachmesse sein und beginnt neu am Dienstag 7. März», erklärt David Ruetz (Head of ITB) im Telefongespräch mit Travelnews. Statt wie bisher von Mittwoch bis Sonntag - und wie ursprünglich angekündigt ab dem 8. März 2023 - wird die nächste ITB Berlin also an den drei aufeinanderfolgenden Tagen Dienstag bis Donnerstag (7.-9. März 2023) stattfinden. Der Eröffnungsakt findet bereits am Abend des Montag, 6. März 2023, statt. Als offizielles Gastland wird Georgien fungieren. Das Land war bereits letztes Jahr als Adventure & Sustainability Partner der ITB Berlin dabei und im Mai 2022 Gastgeber des Premieren-Events der neuen «TRVLX by ITB»-Eventreihe. Das Land am Kaukasus wird die Messe am am 6. März mit einer feierlichen Eröffnungsgala im CityCube Berlin sowie im parallelen Live-Stream eröffnen.

Weshalb der Fokus auf die Fachbesucher? Mit der Pandemie habe dies nichts zu tun, erklärt Ruetz: «Wir waren hierzu mit zahlreichen Ausstellern schon länger in Diskussionen. Die doppelte Ausrichtung der Messe auf Fachbesucher wie auf Publikum schaffte teils logistische Zwänge, etwa indem Aussteller am Freitagabend ihren Messestand komplett für die Privatbesuchertage umbauen mussten und auch speziellen Content liefern mussten, wie Tänzer, B2C-Attraktionen oder Wettbewerbe. Manche machten dies wirklich top, für viele war es aber eine finanzielle und personelle Belastung.» Der Abschied auf Raten hatte ohnehin schon zuvor begonnen - die Hallen 7 und 9 (Technologie und Hotels) waren schon seit längerem für die Publikumstage geschlossen. Nun werden sich die Aussteller auf Fachbesucher konzentrieren können, womit die «globale Reisefamilie» an der ITB wieder einen dedizierten und geschätzten Anlass hat.

Was passiert mit dem Berliner Publikum? «Die Privatbesuchertage verlagern wir ins Berlin Travel Festival, die bisherige Consumer-Partnerveranstaltung der ITB», erklärt Ruetz. Dieses Festival, welches seit 2019 existiert, wird neu Teil der B2C-Komponente der Boot- und Freizeitmesse «Boot & Fun Berlin», die vom 24. bis 27. November 2022 auf dem Berliner Messegelände stattfindet. In der Vergangenheit hatte das Berlin Travel Festival parallel zum Privatbesucher-Wochenende der ITB Berlin in der Arena Berlin stattgefunden. Mit dem neuen Konzept bündelt die Messe Berlin einen Termin für Privatbesucher*innen, welche sich somit auf einen Zeitpunkt konzentrieren können und sämtliche Freizeit-Angebote - ergänzt um die Themen Boote, Caravaning, Camping und Angeln - unter einem Dach finden. Mehr Infos unter bootberlin.de und berlintravelfestival.com.

Networking ist zentral - das Digitale bleibt, wo nützlich und sinnvoll

Für Fachbesucher wird die ITB gegenüber früheren Ausrichtungen also fast wie gewohnt daher kommen - als wichtigste Networking- und Business-Plattform im Reiseprofi-Jahreskalender. «Einige Aussteller und auch Fachbesucher haben ihre Branchenpartner teils noch gar nie persönlich getroffen», weiss Ruetz um den Wert der Live-Begegnungen. Ganz wie früher wird es aber natürlich kaum sein: Es gibt noch grosse Fragezeichen bei China, und mit einer Teilnahme von Anbietern aus Russland und der Ukraine, möglicherweise auch von mitbetroffenen Zielen im Osten Europas, sieht es eher düster aus.

Ruetz rechnet trotzdem mit einem «ähnlichen» Anmeldestand wie früher - möglicherweise etwas kleiner bei den Ausstellern, aber dafür wohl höher bei den Fachbesuchern, welche einen enormen Nachholbedarf haben. Laut Ruetz haben viele Aussteller ihre Teilnahme bereits zugesagt, und dies nicht mit mickrigen Ständen: «Gerade für viele arabische oder auch asiatische Aussteller war die Ausrichtung einer At Mini-ITB mit kleinen Ständen nie eine Option. Darüber hinaus vernehme ich, dass sich diverse Aussteller fortan auf die ITB fokussieren wollen, also bei anderen grösseren Reisemessen ihre Teilnahme absagen oder die Budgets herunterfahren und voll auf uns setzen.»

Was bleibt von den virtuellen Formaten übrig? Ruetz erklärt, dass der «ITB Berlin Kongress» weiterhin parallel zur Messe und live auf dem Berliner Messegelände stattfinden wird und ausgewählte Sessions davon auf itb.com gestreamt werden. Das Kongress-TV werde «im gewohnt professionellen Format mit Moderatoren und allem drum und dran geboten», so Ruetz. Ergänzend werden digitale Services rund um die Live-Veranstaltung angeboten. Ruetz bilanziert: «Wir konnten in den letzten beiden Jahren klar feststellen, dass sich eine Messe wie die unsere nicht in ein rein virtuelles Format übertragen lässt. Die Akquise peripherer Kontakte fehlt, die zufälligen Begegnungen in den Messehallen können nicht durch E-Meetings ersetzt werden, das forcierte Kennenlernen auf Webplattformen kommt ja teils einem Stalking gleich und Anfragen von Unbekannten werden häufig abgelehnt.» Was beim spontanen Kärtchentausch zwischen den Messegängen natürlich nicht der Fall ist.

Darüber hinaus werden laut Ruetz mit der Neukonzeptionierung Kapazitäten für die Weiterentwicklung der Messe genutzt, etwa mit zusätzlichen Networking-Möglichkeiten. So sei etwa ein «Lounge» geplant, in welcher sich Live-Teilnehmer mit virtuellen Teilnehmern jederzeit digital treffen können - wo dies sein wird, wird aktuell noch finalisiert. Ebenso sei ein Live-«Speed Networking Event» geplant. Zuhanden der Aussteller verkündet Ruetz zudem die Wiederaufnahme eines beliebten Events: So plant die ITB Berlin 2023 erstmalig wieder die Auszeichnung herausragender Messe-Auftritte im Rahmen der ITB Exhibitor Awards.

Neuer Ort für die Schweiz?

Was heissen die Neuerungen also für die ITB unter dem Strich? «Mit der Positionierung der ITB Berlin als reines B2B-Produkt möchten wir die Zukunftsfähigkeit der Plattform sicherstellen und die Marke als weltweiten ‚Katalysator‘ der Tourismusbranche noch einmal massgeblich stärken», kommentiert Ruetz, «zugleich sorgen wir für eine notwendige Profilschärfung sowie für eine noch bessere Kundenbindung und Neugewinnung.»

Was heisst das für die ausländischen Messemarken der ITB? Sicher ist, dass die ITB China bis auf Weiteres pausiert, nachdem das Messeteam vor Ort in Shanghai auf Behördenanordnung wie der Rest der Bevölkerung seit Wochen in Heimquarantäne ist. Sicher durchgeführt wird laut Ruetz aber die ITB Singapore, in der dritten Oktoberwoche, während die ITB Mumbai, welche es noch gar nie im Live-Format gab, im April 2023 erstmals als solches durchgeführt wird.

Zuletzt gibt es noch etwas zur ITB Berlin zu sagen: Während der Pandemie wurde bei den Hallen 12-17, beim Funkturm-Innenring, ein Renovierungsprojekt angestossen. Dies könnte aus unterschiedlichsten Gründen, primär einer temporären budgetbedingten Einfrierung der Arbeiten, bis zur Austragung der nächsten ITB nicht fertiggestellt. Jene Aussteller, welche während der hybriden letzten Austragung von diesen Hallen in den neuen «Hub 27» neben der Halle 25 zügeln mussten, könnten dies auch 2023 nochmals tun müssen. Darunter wäre etwa der Auftritt der Schweiz, koordiniert von Schweiz Tourismus. Das ist laut Ruetz allerdings noch nicht sicher. Abbruch am riesigen Interesse an der nächsten, erstmals wieder richtig live durchgeführten ITB wird dies nicht tun.