Tourismuswelt

Weltweit sind viele russische und ukrainische Touristinnen und Touristen gestrandet. Bild: Adobe Stock

Unmittelbare Kriegsfolgen in der Reisewelt

Gestrandete russische Touristen in Thailand und Bali, fehlende ukrainische und russische Touristen in Sri Lanka und der Türkei, Zürcher Hotels nehmen Flüchtlinge auf: das sind die jüngsten Entwicklungen des russischen Angriffkriegs auf den Tourismus.

Schwer zu ertragende und traurige Bilder aus der Ukraine lähmen in diesen Tagen und Wochen die Welt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands hat eine Solidaritätswelle mit der Ukraine ausgelöst und Russland sieht sich mit restriktiven Massnahmen konfrontiert – dies auch mit erheblichen Auswirkungen auf die Reisewelt. Wir haben die jüngsten Ereignisse und Entwicklungen verfolgt.

7500 Touristen sitzen in Thailand fest

In Thailands Beachresorts sind in diesen Tagen gegen 6500 russische und 1000 ukrainische Touristen gestrandet. Weil die meisten Rückflüge in ihre Heimatländer wegen Sanktionen und Luftraumsperrungen ausgesetzt sind, sitzen die Thailand-Reisenden nun in Krabi, Koh Samui, Phuket und Pattaya fest. Erschwerend kommt hinzu: weil Transaktionen über russische Banken blockiert sind, haben die russischen Touristen keinen Zugriff auf ihr Geld.

Die thailändische Tourismusbehörde betont, sie bemühe sich, jenen zu helfen, die nach Hause zurückkehren wollten. Dazu würden auch «Gespräche geführt über Rückflüge, bei denen es sich um reguläre oder Sonderflüge handeln könnte». Der Chef des Tourismusverbands von Phuket, Bhummikitti Ruktaengam, berichtet gemäss dem «Spiegel» von den Schwierigkeiten russischer Touristen, ihre Rechnungen per Kreditkarte zu begleichen. Die Behörden in Thailand erwägen seinen Angaben zufolge nun eine Übernahme des russischen Zahlungssystems Mir.

Gestrandet auf Bali

Russische Touristen sind auch auf Bali gestrandet. Alleine im Januar sind in Indonesien 1150 russische Touristen eingereist, mehrere hundert dürften derzeit festsitzen – mit den gleichen Problemen wie ihre Landsleute in Thailand: ausgesetzte Flüge und nicht mehr akzeptierte Kreditkarten.

Erste Touristen haben sich gemäss Medienberichten bereits nach Jobmöglichkeiten umgeschaut, um an Geldmittel zu gelangen. Unterdessen hat sich die russische Botschaft in Jakarta gemeldet. Sie stellt ihren Landsleuten virtuelle Kreditkarten zur Verfügung mit Zugriff auf das chinesische UnionPay-System anstelle von Visa oder Mastercard.

Rückschlag für Sri Lanka

Für Sri Lanka zeichnet sich eine schwierige Situation ab. Nachdem das tropische Reiseland in den beiden Pandemiejahren enorme Einbussen verzeichnen musste, zeichnet sich nun der Wegfall der wichtigsten Gästegruppe ab. Für das touristische Revival in diesem Jahr waren vor allem russische Touristen besorgt. Vom 1. Januar bis 7. März 2022 stellten sie die zahlenmässig wichtigste Klientel dar: 32'375 Russinnen und Russen reisten in den ersten zehn Wochen des Jahres nach Sri Lanka, aus der Ukraine waren es 13'168. Im Vergleich dazu: aus der Schweiz reisten seit anfangs Jahr 3011 Touristen an.

Und für Feriendestinationen wie Sri Lanka ziemlich aussergewöhnlich: an den Stränden kommt es zu Kundgebungen und Protesten ukrainischer Touristen, wie an der Mirissa Beach ganz im Süden des Landes.

Ukrainischer Protest gegen den russischen Angriffskrieg an der Mirissa Beach in Sri Lanka. Bild: Twitter / @myopicsage

Einbussen auf Kuba

Wie für Sri Lanka stellen russische Touristen auch für Kuba einen sehr grossen Anteil der Gesamteinreisen dar. Im vergangenen Pandemiejahr 2021 stammten 40 Prozent der Gäste aus Russland, wie latina-press.com schreibt.

In diesen Tagen seien die Strände von Varadero, an denen es zu dieser Jahreszeit normalerweise von Touristen wimmelt, plötzlich ruhig. Rund 8000 russische Touristen hätten letzte Woche verzweifelt nach Flügen von Kuba nach Hause gesucht, nachdem viele westliche Länder aus Solidarität mit der Ukraine den Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt haben.

Kuba hatte sich für dieses Jahr das Ziel von 2,5 Millionen Touristenankünften gesetzt. Doch weil ein Fünftel aller Touristen aus Russland stammt, dürfte dieses Ziel in diesem Jahr deutlich verfehlt werden.

Türkei bangt um Sommergeschäft

Russland und die Ukraine gehören auch für das Reiseland Türkei zu den wichtigsten Quellmärkten. Nun verdichten sich die Sorgen, dass das Sommerhalbjahr deutlich schlechter ausfallen könnte als erwartet. Alleine im letzten Jahr stammten von den total 24,7 Millionen Touristen 4,7 Millionen aus Russland und 2 Millionen aus der Ukraine.

Ein Sprecher der Association of Turkish Travel Agencies (TÜRSAB) warnt gemäss «Hurriyet», dass es bei lokalen Agenturen nach den zwei schwierigen Pandemiejahren nun mit dem möglichen Ausfall der wichtigen Gästegruppen aus Russland und der Ukraine zu erheblichen, existenzbedrohenen Einbussen kommen könnte.

Wie Deniz Ugur, der CEO von Türkeispezialist Bentour Reisen, zu Travelnews sagt, sei es nun gut möglich, dass es an der türkischen Südküste plötzlich wieder zahlreiche verfügbare Betten auch in den Hochsaison-Monaten haben dürfte. Er rechnet mit fallenden Preisen. Diese Entwicklung könnte sich gemäss Ugur auch in Griechenland abzeichnen, ebenfalls einem beliebten Reiseziel für Touristen aus Russland und der Ukraine.

Bulgarien vor schwieriger Saison

Grosse Herausforderungen kommen auch auf Bulgariens Tourismus zu. Statt Feriengäste empfangen bulgarische Hotels an der Schwarzmeerküste nun Kriegsflüchtlinge. «In einer Situation, bei der es im Schwarzen Meer Kriegsschiffe gibt, können wir keine Touristen erwarten», zitiert die Nachrichtenagentur «DPA» Bulgariens Tourismusminister Hristo Prodanow. Neue Buchungen von ausländischen Feriengästen bleiben nach der Ukraine-Invasion aus.

Mit Touristen aus Russland dürfte Bulgarien im Sommer 2022 auch wegen des enormen Wertverfalls des russischen Rubels kaum noch rechnen. Ob die vielen russischen Besitzer von Immobilien an der bulgarischen Schwarzmeerküste trotz unterbrochener Linienflüge doch nach Bulgarien reisen können, ist fraglich.

Flüchtlinge auf einem Schiff von Viva Riverside

Viva Riverside stellt seit dem 14. März eines seiner Hotelschiffe in Düsseldorf als Unterkunft für geflohene Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung. Bis zu 100 Personen wird Viva Riverside aufnehmen und sie vor Ort mit Verpflegung und allem Nötigen versorgen. Darüber hinaus hat das Unternehmen zusammen mit Viva Cruises und der Scylla AG ihre Mitarbeiter intern dazu aufgerufen, Hygieneartikel, Windeln, Lebensmittel sowie medizinische Artikel zu spenden. Arno Reitsma, Geschäftsführer von Scylla AG, sagt: «Die Ukrainerinnen und Ukrainer werden derzeit ihrer Sicherheit und Normalität beraubt. Wir wollen ihnen auf unserem Schiff alles Notwendige und vor allem Sicherheit geben.»

Zürcher Hotels empfangen ukrainische Flüchtlinge – und rekrutieren Personal

Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges signalisierten die Schweizer Jugendherbergen Bereitschaft, als erste Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung zu stehen. Diesem Beispiel sind nun zahlreiche weitere Hotels in der Stadt Zürich gefolgt. Das Ibis Budget in Zürich-West beherbergt gemäss der «NZZ» aktuell 100 Erwachsene und 45 Kinder aus der Ukraine.

Der Präsident der Zürcher Hoteliers, Martin von Moos, sagt, dass Hotels in einer ersten Phase Geflüchteten unkompliziert eine Unterkunft bieten oder sogar ganze Gebäudebereiche oder unbenutzte Personalhäuser zur Verfügung stellen könnten. Ob die in den letzten zwei Jahren wenig benutzten Zürcher Hotels von der Flüchtlingswelle profitieren? Dies verneint Martin von Moos. Betriebe, die Menschen aus der Ukraine beherbergen, erhalten von der Stadt lediglich eine kostendeckende Pauschale von 70 Franken pro Person.

Wie lange die Solidarität anhält, muss sich zeigen. Denn jüngst ist auch die reguläre Nachfrage wieder deutlich angestiegen. Entsprechend gross ist bei den Zürcher Hoteliers nun der Personalbedarf. Einige Betreiber wollen nun gleich auch Ukrainerinnen und Ukrainer anstellen. Schliesslich verfügen diese über den Schutzstatus S, müssen kein Asylverfahren durchlaufen und können – wenn auch erst nach drei Monaten – eine Arbeitserlaubnis erhalten.

(GWA)