Tourismuswelt

Es scheint, als hätte die Schweizer Bevölkerung den grössten Teil des Corona-Bergs überwunden. Der Optimismus in der Branche ist spürbar. Bild: Joshua Earle

Aufatmen in der Schweizer Tourismusindustrie

Jean-Claude Raemy/Nina Wild/Alexandra Almeida

Die Corona-Massnahmen sind weitestgehend aufgehoben. Wir haben uns bei diversen Playern aus der Tourismusindustrie umgehört, was das für sie bedeutet - und dabei festgestellt: Trotz der Erleichterung gibt es immer noch diverse Sorgenfalten.

Das Ende des besonderen Lage dürfte am 1. April 2022 Tatsache werden. Schon jetzt sind die meisten Covid-Massnahmen aufgehoben, das Ende des Pandemie-Tunnels ist in Sichtweite. Das vielzitierte «Ende von Covid» mag zwar noch mehr Wunschdenken als Realität sein, doch es herrscht zweifelsfrei Aufbruchstimmung. Eine Aufbruchstimmung, die sich auch in steigenden Reisebuchungen widerspiegelt, obwohl gerade bei Reisen noch Vorsicht geboten ist, da bei Weitem nicht alle Länder eine «Turbo-Öffnung» wie die Schweiz hinlegen.

Einige Verbände und Unternehmen haben sich bereits kurz nach Bekanntwerden der Lockerungen nach der Bundesrats-Presskonferenz geäussert. «Der Bundesrat hat heute die Weichen für eine nachhaltige Erholung der gesamten Beherbergungsbranche gestellt. Das freut unsere Gäste, die Beherbergungsbranche und natürlich mich als Gastgeber im Speziellen», sagte etwa Andreas Züllig, Präsident von HotellerieSuisse. Auch GastroSuisse freut sich: «Der heutige Entscheid ist ein grosser Schritt zurück in die Normalität», schreibt der Verband in einer Mitteilung. Für Restaurantbesuche braucht es kein Zertifikat mehr. Dennoch bleibe die wirtschaftliche und personelle Lage im Gastgewerbe weiterhin ernst. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) kündigten sogleich an, dass die Zertifikatspflicht für die Speisewagen entfällt. Die Maskenpflicht dürfte schliesslich Ende März fallen. Es riecht nach Normalität und Freiheit.

Wie ist die aktuelle Befindlichkeit in der Reisebranche? Travelnews hat bei Reise-Verbänden und Unternehmen nachgefragt, wie sie die bevorstehende Zeit einschätzen und wie sie rückblickend die behördliche Handhabung und Unterstützung während der Covid-Krise beurteilen.

Verbände

Walter Kunz, Geschäftsführer, Schweizer Reise-Verband

«Lockerungen sind grundsätzlich gut für die Nachfrage und wir stellen fest, dass diese bereits steigt und die Stimmung in der Reisebranche deutlich positiver ist als auch schon. Das ist natürlich erfreulich. Etwas Sorgen bereitet mir das Spannungsfeld, welches aus dem vielleicht raschen Nachfragewachstum und dem Personalmangel in der Reisebranche erwachsen kann. Wir hatten letztes Jahr gezeigt, dass von rund 8000 Arbeitsstellen bei Reisebüros und Veranstaltern in der Schweiz während der Pandemie rund 1700 weggefallen sind; aktuell rechnen wir gar mit rund 2000 weggefallenen Stellen. Aber wir sehen auch, wie viele Reiseunternehmen jetzt händeringend nach Personal suchen. Gibt es einen plötzlichen Nachfrage-Boom, welchem die Reisebranche infolge Personalmangel nicht adäquat begegnen kann, könnte das ein negatives Licht auf die Branche werfen.

Die Reisebranche konnte während der Pandemie ihren Wert und ihre Professionalität deutlich unter Beweis stellen, indem sie zahllosen Reisende wichtige Unterstützung gab und die Beratungsleistung wieder deutlich an Stellenwert gewann. Es wäre schade, wenn dieser Imagegewinn nun verpufft, weil die Branche bei einem explosiven Nachfragewachstum nicht nachkommt. Es kann sein, dass das Wachstum linear und nicht explosiv wächst; so oder so müssen die Reiseunternehmen alle Instrumente bereitstellen, um auch wieder mit grösserer Nachfrage klar zu kommen.

An dieser Stelle möchte ich das Handling der Situation durch den Bund loben. Ja, es kostete teils Nerven und es gab hier und da ‹Unschönheiten›, etwa bei der Verzögerung der EO-Auszahlungen. Unter dem Strich ist die Reisebranche aber angesichts der Grösse des Problems vergleichsweise gut weggekommen, sprich, es hätte deutlich schlimmer sein können. Es gab für alle Betriebe rasch und unbürokratisch die Covid-Kredite, Kurzarbeitsentschädigung, EO und die Branche hat enorm viel erreicht in Bern, etwa die gesetzliche Verankerung als Härtefall. Aber nicht nur in Bern, auch in allen Kantonen haben die lokalen Taskforces einen grossen Anteil zur Sensibilisierung beigetragen. Dadurch blieben die Firmenkonkurse überschaubar, manche Unternehmen wurden gar überentschädigt. Im Nachhinein stellt sich die Frage: Was will man mehr?»    

Luc B. Vuilleumier, Präsident, Swiss Travel Association (STAR)

Luc B. Vuilleumier

«Endlich vorbei! Die ganze Welt hofft, dass das Ende von Corona nun endlich da ist und nicht im nächsten Herbst wieder aufflackert. Zwei Jahre sind nun wirklich genug! Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial hat die Zeit tiefe Spuren hinterlassen. Jetzt kommt der langersehnte Aufbruch! Die Schweiz will wieder reisen und will dafür ordentlich Geld ausgeben. Aber so einfach wird’s nicht werden:

  • Personal und Ressourcen: Wir alle haben abgebaut, wo immer wir konnten. Der Aufschwung kommt schneller als wir die Kapazitäten wieder hochfahren können. Airlines, Flughäfen, Tour Operators, Reisebüros, alle werden ein Kapazitätsproblem haben.
  • Mietwagen fehlen: Wir wissen bereits, dass sie massiv teurer geworden sind und nun zum Teil schlichtweg nicht mehr verfügbar sind.
  • Hotels sind nicht bereit: viele Hotels standen zwei Jahre leer. Den Hoteliers fehlt das Geld, um vor der Eröffnung zu renovieren. Da könnte eine Reklamationslawine auf uns zukommen.
  • Länderrestriktionen: Viele Nationen haben noch starke Corona-Restriktionen. Länder, welche mit der Aufhebung der Corona-Massnahmen noch zuwarten, werden das Nachsehen haben.

Es braucht von der gesamten Outgoing-Reisebranche einen riesigen Effort, um das Gleichgewicht und den Stand von 2019 wieder zu erreichen. Aber ich denke, wir sind alle super motiviert, um wieder dahin zu gelangen, schliesslich mussten wir lange genug darben.

Das Handling der Krise durch Bund und Kantone war zu Beginn sehr gut (ausser der Masken-Lüge von Daniel Koch), danach manchmal planlos, hektisch und zum Teil völlig übertrieben, aber zum Schluss wieder recht professionell. Im Vergleich zu anderen Ländern aber allemal besser.

Freuen wir uns auf die vielen Buchungen!»

Reiseunternehmen

Bianca Gähweiler, Mediensprecherin, Hotelplan Suisse

Bianca Gähweiler

«Wir freuen uns über diesen Schritt zurück zur Normalität. Insbesondere für die Gäste unseres Ferienwohnungsvermittlers Interhome, der in der Schweiz über 3000 Ferienwohnungen und -häuser anbietet, sind diese Lockerungen in der Schweiz natürlich sehr erfreulich. Denn von nun an können unsere Gäste aus dem In- und Ausland ihre Ferien in der Schweiz noch sorgloser verbringen, können ohne Zertifikat den verschiedenen Freizeitaktivitäten nachgehen oder in ein Restaurant gehen. Auch dass Gäste von Interhome, welche aus dem Ausland anreisen, für die Einreise in die Schweiz kein Impf-, Genesungs- oder negativen Test-Nachweis mehr vorzeigen müssen und dass auch das Ausfüllen des Einreiseformulars entfällt ist erfreulich.  

Für die Kundinnen und Kunden von Hotelplan Suisse bedeuten die Lockerungen ebenfalls, dass sie für die Einreise in die Schweiz kein Einreiseformular mehr ausfüllen müssen und dass auch ungeimpfte Personen bei Rückkehr in die Schweiz kein negatives Testergebnis mehr vorweisen müssen. Und die Freude, dass wir das Lächeln unserer Kundinnen und Kunden in unseren Filialen wieder sehen dürfen und es nicht mehr unter der Maske versteckt bleibt, ist natürlich besonders gross.

Die gesamte Hotelplan Gruppe geht davon aus, dass die Buchungen – sei es bei Interhome als auch bei Hotelplan Suisse aber auch bei unseren Geschäftsreiseanbietern bta first travel und Finass Reisen – in den nächsten Wochen weiter zunehmen werden. Jedoch nicht nur für unsere Kundinnen und Kunden ist die Aufhebung der Covid-Massnahmen erfreulich – auch für unsere in der Schweiz tätigen Mitarbeitenden. Sie können nun wieder ohne Maske zurück im Büro arbeiten und es dürfen wieder Apéros und Mitarbeiteranlässe stattfinden. Arbeiten im Büro ist bei uns trotz der Aufhebung der Homeoffice-Empfehlung nicht jeden Tag ein Muss.

Für unsere in der Schweiz tätigen Mitarbeitenden haben wir in den letzten Wochen eine Wegleitung zum hybriden Arbeiten erstellt. Dieses besagt unter anderem, dass Mitarbeitende bis zu 60 Prozent ihrer Arbeit im Homeoffice ausüben dürfen, sofern der Inhalt ihrer Arbeit dies erlaubt. Denn Mitarbeitende möchten mehr Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsortes und als attraktives Unternehmen möchten wir auch nun die Möglichkeit bieten, den Arbeitsort – soweit inhaltlich möglich – frei zu wählen. Zudem wurde ebenfalls festgelegt, dass auch Arbeiten aus dem Ausland bei einer sogenannten "Workation" für bis zu 30 Tage pro Kalenderjahr möglich ist.»

Beatrice Biner, Inhaberin und Geschäftsführerin, Reisebüro Contemporary Travel

Beatrice Biner

«Das Massnahmen-Ende bedeutet mehr Buchungsanfragen. Mir scheint, die Kunden erwachen so langsam wieder aus dem persönlichen ‹Corona-Lockdown›. Die Erleichterung ist deutlich zu spüren, dass man nun nicht mehr Angst haben muss, irgendwo in Quarantäne im Ausland stecken zu bleiben. Meines Erachtens sind die Tests eine Lotterie: Einmal positiv, dann wieder negativ. Und persönlich freue ich mich, wieder mehr Freiheit erhalten zu haben; all diese Vorschriften entsprechen nicht meinem freiheitsliebenden Wesen.

In erster Linie hoffe ich, dass das Ausland nachzieht, auch Longhaul, und vor allem, dass die ganzen Online-Formulare und die Testregimes abgeschafft werden. Denn das erschwert das Reisen und das Reisen verkaufen immer noch sehr. Ich hoffe, dass der Umgang mit dem Virus so ist, dass wir nicht mehr von einer Hü-und-Hott-Vorschrift in die nächste müssen.

Die Kunden sind erleichtert, jederzeit wieder in die Schweiz zurückreisen zu können. Das wiederum ermutigt sie auch wieder Reisen zu planen.»

Incoming

André Aschwanden, Mediensprecher, Schweiz Tourismus

André Aschwanden

«Das Ende der meisten Einschränkungen ist ein positives Signal und sorgt für Zuversicht und gute Stimmung. Die Reiselust und die Lust auf Ausflüge und Ferien steigt bei Schweizer Gästen. Und für die internationalen Reisenden gibt es weniger Unsicherheit - sie sind somit eher gewillt zu planen und zu buchen. Für uns bei Schweiz Tourismus bedeuten die neusten Entwicklungen endlich wieder persönlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen im Büro, aber auch mit unseren Ansprechpersonen und Partnern in der ganzen Branche.

Wir sind voller Hoffnung und Zuversicht, jetzt wieder vermehrt über unser touristisches Angebot sprechen zu können anstelle der Pandemie. Tourismus ist ein Geschäft von Menschen für Menschen, wir sind auf Gemeinsamkeiten, gemeinsame Erlebnisse angewiesen und nicht auf Auseinandersetzungen und Debatten.

Alle Gäste aus dem Raum Schengen / EU / EFTA sowie aus Drittstaaten, die nicht auf der SEM-Risikoliste sind (wie z.B. Südkorea, Indonesien), können nun wieder ohne irgendwelche pandemischen Auflagen in die Schweiz kommen und in der Schweiz herumreisen. Das macht die Schweiz im Moment zum offensten und am einfachsten zu bereisenden Land in Europa. Deshalb hat die Branche die Hoffnung, dass in diesem Sommer die europäischen Gäste wieder fast im vorpandemischen Masse in die Schweiz kommen. Und auch bei den Touristinnen und Touristen aus Übersee sind wir zuversichtlich, dass auch sie bald in relevanten Zahlen zurückkehren.»

Marco R. Zanolari, General Manager, Grand Resort Bad Ragaz

Marco R. Zanolari

«In erster Linie sind wir froh, dass die gesamtschweizerische Lage diese Lockerungen zulässt und begrüssen den Entscheid des Bundesrates. Als Hotel wie auch als Arbeitgeber hat die Sicherheit sämtlicher im Grand Resort Bad Ragaz anwesenden Personen höchste Priorität. Das Ende der Massnahmen bedeutet jedoch sicherlich eine administrative Entlastung. Die Kontrollen in den Restaurants, im Spa-Bereich und bei Anreise fallen nun weg. Andererseits bedeutet es auch Verantwortung. Unsere Mitarbeitenden werden vorerst zur Sicherheit aller weiterhin eine Maske tragen und wir ermahnen zu vorzeitigen Tests und Isolation, sollte sich eine Person nicht fit fühlen oder mit positiv Getesteten in Kontakt gekommen sein.

Wir sind erleichtert, dem langersehnten Normalzustand ein grosses Stück näher gekommen zu sein. Sämtliche Dienstleistungen des Grand Resort Bad Ragaz sind nun wieder für alle Personen zugänglich. Wir hoffen, dass wir das gleiche Gefühl von Sicherheit bieten können wie anhin und freuen uns auf das Wiederaufkommen des internationalen Tourismus. Es ist aber durchaus denkbar, dass zahlreiche Gäste freiwillig weiterhin eine Maske tragen werden.

Sämtlichen Gästen steht einschränkungslos das gesamte Angebot des Grand Resort Bad Ragaz zur Verfügung. International Reisende wissen klar, welche Bestimmungen gelten und können flexibel in die Schweiz einreisen. Während eines Aufenthaltes in unserem Haus kann man sich nun wiederum vollumfänglich den Erlebnissen widmen, ohne vielleicht regelmässig das Zertifikat zücken oder im Falle einer vergessenen Maske zurück ins Zimmer rennen zu müssen.»