Tourismuswelt

Omikron, die neue Corona-Mutation, hält die Welt derzeit in Atem. Bild: AdobeStock

Kommentar Das Comeback der Quarantäneliste wird nicht helfen

Jean-Claude Raemy

Die Corona-Variante Omikron fegt gerade über die Welt - und bringt zur Unzeit wieder zahlreiche neue Reise-Restriktionen mit sich. Doch ist das wirklich noch eine geeignete Lösung?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat am 26. November anlässlich einer ausserordentlichen Sitzung die neue Corona-Variante namens «Omikron» als besorgniserregend und «potentiell immunevasiv» eingestuft. Omikron weist mehr Mutationen auf als andere Corona-Varianten und scheint hochansteckend zu sein. Zwar wird es rund zwei Wochen dauern, bis verlässliche wissenschaftliche Ergebnisse zur neuen Variante vorliegen - doch die Regierungen weltweit haben nicht lange gefackelt: Die Grenzmauern werden gerade wieder überall hochgezogen.

Japan und Israel haben sich gleich komplett abgeschottet und verbieten allen ausländischen Staatsbürgern die Einreise, Marokko setzt alle Flüge ins Land aus - in all diesen Fällen für vorerst zwei Wochen. In der Schweiz dagegen greift man zur guten alten, aber seit dem 3. August 2021 bis zum letzten Samstag eigentlich nicht mehr gebrauchten Quarantäneliste zurück. Seit heute (29. November 2021) sind insgesamt schon 19 Länder auf der Liste: 11 afrikanische Länder, dazu Australien, Hong Kong, Israel und fünf europäische Länder. Dabei wird es nicht bleiben, sollten weiterhin die gleichen Massstäbe für die Inklusion auf der Liste angewendet werden (nämlich lediglich ein erhärteter Nachweis einer Omikron-Infektion im betreffenden Land). Kanada, Italien und Deutschland haben bereits Omikron-Fälle vermeldet.

Die Anwendung der Quarantäneliste ist in einem ersten Schritt sicherlich richtig. Das Ziel muss sein, die Ausbreitung der Variante so stark wie möglich einzudämmen; es ist ein Wettrennen gegen die Zeit. Deshalb müssen Rückreisende aus den Ländern mit nachweislichen Fällen sich zuerst mal abschotten, um keine unkontrollierte Verbreitung zu riskieren. Ob das möglich ist, steht auf einem anderen Blatt: Vielleicht breitet sich Omikron bei uns längst aus - in ein paar Tagen wissen wir mehr. Der Bundesrat konnte indes nicht untätig abwarten und hat folgerichtig gehandelt. Da das Bundesamt für Gesundheit (BAG) inzwischen aber den «ersten wahrscheinlichen Omikron-Fall in der Schweiz» vermeldet hat (eine Südafrika-Rückkehrerin) fragt es sich, wie sinnvoll die ganzen Quarantäneregeln noch sind.

Was heisst das für den Tourismus?

Bedauernswert ist, dass diese neue Variante und die damit verbundenen neuen Reisebeschränkungen zur Unzeit kommen. Die touristische Nachfrage begann sich wieder zu erholen, und wer geimpft war, konnte mit einigermassen verlässlicher Reisefreiheit rechnen, auch die Flugpläne begannen sich zu stabilisieren. Das Vertrauen in die touristische Erholung ist nun aber wieder weitgehend dahin. Zahlreiche Personen, die sich zum Jahresende 2021 noch eine Reise ins Südliche Afrika gönnten, riskieren nun, dort festzusitzen, oder müssen bei der Heimkehr in Quarantäne, oder werden aus diesem Grund die Reise möglicherweise nicht mehr antreten. Da immer mehr Länder mit minimaler Vorwarnungszeit auf der Quarantäneliste landen, dürfte die Reise-Nachfrage nun wieder komplett zum Erliegen kommen - und das just zur wichtigen Reisezeit der Weihnachts-Feiertage. Der grosse Run auf den wieder eröffneten Transatlantik-Korridor dürfte wohl auch erstmal gestoppt sein. Auf die Reisebranche kommen einmal mehr sowohl viel Mehrarbeit als auch eine möglicherweise lange Nachfrageflaute zu. Man könnte sagen, «Winter 2020/2021 reloaded».

Auch die Incoming-Branche ist betroffen. Der wichtige britische Skifahrermarkt wird angesichts der Quarantänepflicht in diesem Jahr die Skiferien in Verbier & Co. wohl ausfallen lassen. Auch die Niederländer sind ein wichtiger Skifahrermarkt. Die grosse Frage aus Schweizer Sicht wird allerdings sein, wie mit den Nachbarländern verfahren wird. Wie bereits erwähnt, wurden in Deutschland und Italien bereits Omikron-Fälle registriert; diese beiden Länder sind allerdings noch nicht auf der Quarantäneliste gelandet.

So oder so zeigt sich dasselbe Problem wie im letzten Herbst: Einheitliche Reisevorschriften sind ein Wunschdenken, überall wird wieder auf nationaler Ebene Gesundheitspolitik betrieben, was verwirrlich ist und die Reisetätigkeit massiv behindert - was vielen so ja auch recht ist. Und noch etwas zur Quarantäneliste: Da die Omicron-Variante bereits in anderen Regionen ausserhalb des afrikanischen Kontinents auftrat, bevor die südafrikanischen Epidemiologen Alarm schlugen, kann man davon ausgehen, dass die Verwendung von Impfpässen und PCR-Tests nicht wirklich ausreichen wird, um die globale Ausbreitung dieser Variante in Schach zu halten. Die zentrale Frage lautet daher bereits: Wie stark wird das Vertrauen der Konsumenten dieses Mal beeinträchtigt und was heisst dies für die Nachfrage 2022?

Eine weitere grosse Frage lautet: Wie lange kann und will der Staat noch aushelfen? Immerhin wurden dank der Annahme des Covid-Gesetzes in der Schweiz am gestrigen Abstimmungs-Sonntag die Grundvoraussetzungen für weitere Hilfe geschaffen. Es darf also angesichts dessen, dass die Covid-Krise sicherlich auch noch weit ins 2022 hinein wirken wird, mit weiteren Härtefall-Unterstützungen und wohl auch mit einer Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung bis Ende 2022 gerechnet werden. Der Aufschwung der Reisebranche wird sich nämlich nochmals hinauszögern; manche werden vielleicht die Flinte auch freiwillig ins Korn werfen, angesichts der schier endlosen Krise. Und genau da müssen nun die Bemühungen der Reisebranche ansetzen: Die Regierungen muss man dazu drängen, die quasi-willkürlichen, nationalen Reisebeschränkungen aufzuheben und internationale, ja globale Reiserichtlinien zu erarbeiten, welche eine sinnvolle Reisetätigkeit ermöglichen.

Die grosse Verwerfungslinie

Wie schwerwiegend Omikron ist, ist aktuell Gegenstand von Diskussionen. Aus Südafrika hört man, dass die gesundheitlichen Auswirkungen der Variante gar nicht so schlimm seien und auch primär Ungeimpfte betroffen seien, was darauf schliessen liesse, dass trotz der vielen Mutationen der Impfschutz doch noch ein Stück weit hält. Das muss aber noch erhärtet werden.

Doch Omikron hat schon jetzt wieder alte Wunden aufgerissen und geopolitische Verwerfungen gezeigt: Südafrika hat sich darüber beschwert, dass es ungerechterweise mit drakonischen Flugverboten belegt wurde, weil es den Omikron-Stamm als erstes entdeckt hat. «Exzellente Wissenschaft sollte gelobt und nicht bestraft werden», liess das südafrikanische Aussenministerium in einer Erklärung verlauten. Wird Afrika leichtfertiger abgestraft als andere Weltregionen?

Man könnte die Sache auch unter einem anderen Gesichtspunkt sehen: Aktuell sind rund 54% der Weltbevölkerung gegen Covid geimpft; in Afrika und Drittweltländern in anderen Erdteilen liegt der Wert allerdings unter 10% - die ungleiche Verteilung der Impfstoffe, vom Westen kaum berücksichtigt und von den Pharmakonzernen quasi gewollt - rächt sich nun, indem genau in den weniger durchgeimpften Weltregionen wieder neue Herde entstehen. Davor hatten mehrere Institutionen bereits gewarnt (Travelnews berichtete).

Wir wissen: Mobilität ist für die moderne Welt eine Notwendigkeit, und nicht nur ein frivoler Luxus, den die Reisebranche bedient. Um weitere Rückschläge wie nun jenen mit Omikron zu vermeiden, müssen nun auch die bisher im Impfbemühen vernachlässigten Länder endlich Zugang erhalten. In der Schweiz werden sich die radikalen Impfgegner auch mit viel Impfwochen-Marketing und dergleichen nicht mehr rumkriegen lassen, also sollte man überschüssige Impfstoffe vielleicht dorthin bringen, wo sie begehrt und benötigt sind. Die globale Immunität ist mehr wert als eine nationale Immunität.