Tourismuswelt
«Für eine Verstärkung der kombinierten Mobilität ist es allerhöchste Zeit»
Dass dem Oberthema «Nachhaltigkeit» im Rahmen der Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbands (SRV) überhaupt ein Workshop-Slot zugestanden wurde, spricht deutlich aus, dass die Umwelt nun zu einem wichtigen Anliegen der Reisebranche geworden ist: In der Abstimmung über die Workshop-Inhalte bei den Mitgliedern im Vorfeld der GV stach dieses Thema ja beispielsweise das Thema «Fachkräftemangel» aus.
Zu berichten gab es denn auch einiges, und SRV-Fachbereichsleiter Roland Schmid konnte anhand einiger Beispiele die Augen der Teilnehmenden hinsichtlich der Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit sicherlich öffnen. So erinnerte er nicht nur daran, dass man Kompensationsmöglichkeiten nutzen soll und dass der SRV diesbezüglich eine langanhaltende Partnerschaft mit MyClimate, sondern er unterstrich auch, wieso das Sinn macht. Wichtig sei es eben, unverhinderbare CO2-Emissionen zu kompensieren. Anhand einer Analogie wurde dann vorgemacht: Für 1 Tonne CO2-Verbrauch sollte man 80 Bäume pflanzen. Wie viel CO2 wurde auf der Reise von Zürich nach Dubai (die SRV-GV fand in Ras-al-Khaimah statt) produziert? 1,6 Tonnen - pro Person. Der effektive Kompensationspreis - Hotela hatte übrigens die Kompensation der CO2-Emissionen aller GV-Teilnehmenden für die Reise nach Dubai gesponsert - lag demnach bei 45-140 Franken, je nach Berechnung und Kompensationsprojekt.
Aber natürlich sind Reisen nicht der einzige Ort, wo gespart werden kann. Schmid fragte in die Runde, welchen Beitrag jeder persönlich zu leisten bereit sei, um die Nachhaltigkeit zu fördern. Die Antworten gingen von «weniger Fleisch verzehren» über «weniger lang/heiss duschen» bis hin zu «mehr Velo fahren» und «weniger fliegen». In Bezug auf das Reisen erinnerte Schmid daran, dass es im CETS möglich sei, nach von der GSCT - einer Art Iso für Nachhaltigkeit im Tourismus - zertifizierten Hotels zu suchen, und er forderte die Reiseanbieter auf, nachhaltige Angebote künftig noch besser erkennbar zu machen und in der Beratung aktiv auf solche hinzuweisen. Zudem sollten generell mehr nachhaltige Angebote im Portfolio sein und wo möglich vom Flug auf die Bahn ausgewichen werden. «Jeder kann einen Beitrag leisten», so Schmid's Appell.
Zug und Flug als Partner statt Konkurrenten
Genau beim Thema «Zug statt Flug» setzte auch Mike Jakob (Raltour/Frantour) an. Er zeigte auf, dass der Zug ganz klar weiterhin das ökologisch sinnvollste Mobilitäts-Angebot darstelle, wobei natürlich immer die Fragen nach dem Zeitfaktor und dem Preis den Entscheid über das Transportmittel wesentlich beeinflussen. Was macht Sinn? Die Alternative der Bahn sei in einem Radius von drei bis fünf Stunden sicherlich empfehlenswerter als das Flugzeug. Jakob zeigte, dass auf der Strecke Zürich-Genf (2:47 Stunden mit der Bahn) im Jahr 2019 immer noch 622'564 Personen den Flugtransport nutzten, derweil auf der Strecke Genf-Paris (3:08 Stunden mit der Bahn) sogar 1'059'227 Personen einen Flug wählten. Da gebe es also noch viel Potenzial in Sachen Nachhaltigkeit. Das krasseste Beispiel gibt aber Madrid-Barcelona her (per Bahn 2:30 Stunden), wo man 2'572'844 Flugpassagiere zählte.
Dabei seien Bahnreisen, wo sinnvoll, durchaus auch beim Preis attraktiv. Zuversicht schöpft Jakob aus der Erkenntnis, dass Europa aktuell, von der Pandemie befeuert, stark im Trend sei und die Angebote, gerade auch im Segment der Nachtzüge, wieder hochgefahren werden. Von den total 22,3 Millionen Reisen mit Übernachtung von Schweizern im Jahr 2019 gingen 35% in die Schweiz, 37% in die Nachbarländer, 20% ins restliche Europa und nur 8% nach Übersee. Dieser Trend dürfte sich in den letzten beiden Jahren noch massiv verstärkt haben. Wenn man nun also die Leute dazu bringt, innerhalb Europas noch verstärkt auf den Zug zu setzen, könnte der ökologische Fussabdruck der Reisemobilität massiv verbessert werden. In diesem Zusammenhang konnte Jakob darauf verweisen, dass auch im Dynamic Travelshop von Railtour nun «grün-zertifizierte Hotels» erkenn- und buchbar seien (Travelnews berichtete dazu separat).
Vor allem aber plädierte Jakob für eine Zukunft mit kombinierter Mobilität, wo also beispielsweise die Anreise per Zug und die Rückreise per Flug erfolgt. Die beiden Segmente Zug und Flug seien nicht nur Konkurrenten, sondern eben auch Partner - und was spreche dagegen, dass man beispielsweise per Zug nach Rügen fahre und dann ab Heringsdorf zurück fliege? Oder per Zug Orte in Italien besucht und dann ab einem dortigen Flughafen heimreist?
In dieselbe Kerbe schlug schliesslich Rino Schmid (Ke Account Manager, SBB), der die neue Kooperation zwischen Zug und Flug am Beispiel von Lugano festmachte: Als die Adria Airways dort groundete, wurde schnell eine Kooperation zwischen SBB und Swiss auf die Beine gestellt, um den Tessiner Flugmarkt weiterhin abholen zu können (auch dazu berichtete Travelnews). Schmid meinte, der «Flugzug» solle ausgebaut werden, und dies nicht nur im Landesinnern, sondern möglichst auch grenzüberschreitend. Angesichts dessen, dass Personenwagen 97% ihrer Nutzdauer nur herumstehen, sei ein «Modalshift» hin zur kombinierten Mobilität allerhöchste Zeit.