Tourismuswelt

Die Werte, welche Omotenashi in sich vereint, vermitteln ein Gefühl von Freundlichkeit und Aufrichtigkeit und sorgen dafür, dass man sich willkommen fühlt. Das stärkt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt - oder die Kundentreue. Bild: AdobeStock

Gute Frage Was ist mit Omotenashi gemeint?

Luxus hat viel mit Servicequalität zu tun. Und da sind die Japaner mit dem Kulturkonzept «Omotenashi» meilenweit voraus. Wir erklären, worum es geht.

Wie man Luxus definiert, ist immer Ansichtssache. Sicherlich gibt es eine Art «Hardware-Aspekt» dabei, also die Auswahl und Qualität von Material und Fertigung, sowie einen «Software-Aspekt», also die Serviceleistung. Gerade für Luxusmarken ist die Art und Weise, wie diese ihre Kunden behandeln, wichtig, denn sie bedienen eine Zielgruppe, die nichts anderes als das Beste erwartet. High-End-Kundendienst wird in kleinen Details erkennbar, in Gesten und Aufmerksamkeiten, welche das Kundenerlebnis angenehmer gestalten. Und hier haben die Japaner einen grossen Vorsprung, denn dort ist die Kunst der Gastfreundschaft kulturell verankert.

Für den höchsten Grad der Kundenaufmerksamkeit gibt es gar einen Begriff, nämlich «Omotenashi». Dieser war im Rahmen der jüngst ausgetragenen Olympischen Sommerspiele in Tokio in aller Munde. Etymologisch ist dieser gar nicht so leicht erklärbar; das Wort setzt sich zusammen aus «Omote» (öffentliches Gesicht) und «Nashi» (nichts) und lässt sich vereinfacht auch übersetzen als etwas, das keine Vor- und Rückseite besitzt. Gemeint ist damit eine Handlung, die aus vollem Herzen erfolgt, ohne den versteckten Wunsch nach einer Gegenleistung. Es geht darum, ein Maximum an Aufwand für den Kundendienst zu betreiben, wobei dieser mühelos und völlig unaufdringlich wirken soll. Selbstlosigkeit und Vorausdenken sind Schlüsselelemente dieses Service. Im Grunde genommen ist es das Gegenteil des theatralischen, performativen Luxus, der in der westlichen Welt üblich ist.

Omotenashi gilt als die höchste Form der Aufmerksamkeit und geht weit über das simple Konzept der Gastfreundlichkeit hinaus. Und es ist in Japan kulturell verankert. So ist es in Japan üblich, dass sich das Personal beim Eintritt eines Kunden in ein Lokal verneigt. Im Restaurant werden Wasser und heisse Tücher sofort und unaufgefordert gebracht. Trinkgeld ist unüblich. Wer im Laden warmes und kaltes Essen zum Mitnehmen bestellt, erhält dieses automatisch in getrennten Taschen; für Tiefkühlwaren wird immer umsonst Eis oder ähnliches bereitgestellt. Der Buschauffeur warnt die Busfahrenden jeweils vor starken Kurven, damit niemand hinfällt. Handwerker werden vor der Arbeit im Haus eines Kunden stets unaufgefordert ihre Schuhe ausziehen. Öffentliche Toiletten sind umsonst und meist auch sehr sauber. Und die Pünktlichkeit der japanischen Züge ist legendär.

Der im Alltag allgegenwärtige Servicegedanke soll für stets angenehme Atmosphäre sorgen und hat seine Wurzeln in der Jahrhunderte alten Tradition der Teezeremonie. Übertragen auf den Luxusbereich wird Omotenashi dann noch auf die Spitze getrieben. Der Business-Class-Service bei den Fluggesellschaften All Nippon Airways (ANA) oder Japan Airlines (JAL) wird nicht umsonst stets zu den besten der Branche gezählt. Und in den Hotels sind diskrete Aufmerksamkeiten gewissermassen «Alltag». Zur Veranschaulichung dient vielleicht die Geschichte eines Gastes, welcher im Park Hyatt Tokio an einem Freitag sein Jackett und seine Schuhe im Zimmer vergass, und dann das Wochenende in Kyoto verbrachte. Als er am Montag zurückkam, waren Jackett und Schuhe immer noch am selben Ort - aber in einem anderen Zimmer. Dazu gab es keinen Zettel, auf welchem stand «Wir haben Ihr Jackett und Ihre Schuhe gefunden und für Sie im nächsten Zimmer bereitgestellt» - damit hätten westliche Hotels wohl ihren tollen Service voller Selbstzufriedenheit dargestellt und ausgekostet. Nein, es wurde einfach erledigt, unaufdringlich, ohne Brimborium. Mit- und vorausdenkender Top-Service eben.

Davon könnten sich viele (Luxus-)Unternehmen ein Scheibchen abschneiden...

(JCR)