Tourismuswelt

Viele Regulierungen, kurzfristige Änderungen und der Wunsch zur sozialen Interaktion innerhalb einer Bubble führen zu einer Wiederbelebung von Gruppenreisen. Bild: Matt Heaton

Die Reise geht weiter – mit veränderten Vorlieben

Diese zehn Herausforderungen und Hürden gilt es zu meistern. Das sagen 40 europäische Tourismusexperten zur nahen Reisezukunft.

In Luzern erfolgte Ende August die 70. AIEST-Konferenz. An der viertägigen Tagung haben sich 40 wissenschaftliche Tourismusexperten aus verschiedenen europäischen Ländern intensiv ausgetauscht und ihre Einschätzung zur touristischen Entwicklung abgegeben – vor dem Hintergrund der anhaltenden Covid-Pandemie.

Nun haben die vier Schweizer AIEST-Mitglieder Christian Laesser, Jürg Stettler, Pietro Beritelli und Thomas Bieger im Nachgang der Konferenz ein Konsens-Papier publiziert, auf dem sie die touristischen Trends zusammenfassen und aufzeigen, welche Herausforderungen und Hürden auf die Tourismusindustrie in den nächsten Monaten warten – zunächst hat die Hotelrevue darüber berichtet.

Die 70. AIEST-Konferenz fand in Luzern statt – mit einem Ausflug auf die Rigi. Bild: HSLU

Ausgangspunkt waren diese Fragestellungen:

  • Wie wird sich die touristische Nachfrage regional und international in Zukunft entwickeln?
  • Welche Entwicklungen abseits des Tourismussystems rufen a) Chancen und b) Herausforderungen für den Tourismus hervor?
  • Welche Entwicklungen innerhalb des Tourismussystems rufen a) Chancen und b) Herausforderungen hervor?
  • In welche Richtung sollen sinnvolle Forschungsansätze in Zukunft gehen?

Das sind die wichtigsten zehn Erkenntnisse

  1. Europa-Trips: Low-Cost-Carrier fahren ihre Punkt-zu-Punkt-Verbindungen wieder hoch und kurbeln den Städtetourismus an. Bei Langstreckenflügen sind zunächst höhere Preise zu erwarten. Damit rücken City-Breaks in den kommenden Monaten in den Fokus.
  2. Reisen in der Bubble: Weil der Gast alleine in einem komplexen Tourismusmarkt mit vielen Regulierungen und kurzfristigen Änderungen zunehmend überfordert ist, werden Gruppenreisen wiederbelebt werden. Mit ein Grund: die gewünschte soziale Interaktion innerhalb einer Bubble, einer Blase.
  3. Lokaler Tourismus: Der Anteil der inländischen und regionalen Nachfrage wächst wie auch ein grösseres Interesse an abgelegenen Destinationen und Naturerlebnissen - mit Unterkünften, die soziale Distanz garantieren.
  4. Nachhaltiges Reisen: Mit den Mega-Trends zu mehr Individualismus, Gesundheit und Nachhaltigkeit verbinden die Befragten Chancen für den Tourismus. Sie eröffnen Möglichkeiten zu spezialisierten Angeboten für die eigene persönliche Optimierung, für die eine höhere Zahlungsbereitschaft besteht.
  5. Kleinere Reisepopulation: Die Verteilung der Einkommen und des Wohlstands im In- und Ausland führt zu einer Verkleinerung der Reisepopulation. Hinzu kommt: bei den Geschäftsreisen ist mit einem Rückgang von 20 Prozent zu rechnen.
  6. Mehr Bürokratie: Staatliche und andere Regulierungen sowie Bürokratie bremsen die touristische Entwicklung.
  7. Neue Finanzerungsmodelle: Touristische Unternehmen müssen aufgrund pandemiebedingter finanzieller Schwierigkeiten ihre Darlehen zurückzahlen. Neue, innovative Finanzierungsmodelle müssen gefunden werden.
  8. Fachkräftemangel: Ein grosses Problem ist die mangelnde Verfügbarkeit von geeigneten Arbeitskräften im Tourismus. Je qualifizierter die Arbeit ist, desto schwieriger sind geeignete Mitarbeitende zu finden.
  9. Probleme mit digitaler Infrastruktur: In naher Zukunft könnte in einigen Ländern die Qualität der digitalen Infrastruktur gerade in ländlichen Gebieten leiden. Bedenken äussern die Tourismusexperten auch über die Zunahme von Cyberattacken, unter denen die Performance von Transportunternehmen oder Energiedienstleistern leiden könnte.
  10. Mindset: Die Tourismusbranche tut sich aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten und einer einhergehenden Verlustangst mit der Anpassung an Veränderungen schwer. Viele Tourismusakteure werden sich deshalb so lange wie möglich auf jene touristischen Gegebenheiten konzentrieren, die vor der Pandemie geherrscht haben - anstatt fundmental neu über nachhaltige Alternativen nachzudenken.

AIEST

Die AIEST ist eine Internationale Vereinigung wissenschaftlicher Tourismusexperten. Sie wurde im Jahr 1951 als erste wissenschaftliche Organisation im Tourismus gegründet. Das weltweite Netzwerk von Tourismusexperten hat sich zum Ziel gesetzt, die Reise- und Tourismusbranche durch die Analyse von Trends und neuesten Entwicklungen im Tourismus mit zukunftsorientierten Lösungen auf Herausforderungen vorzubereiten. Für den wissenschaftlichen und praktischen Austausch wird jährlich in einer stets wechselnden Destination eine AIEST Conference durchgeführt.

(GWA)