Tourismuswelt

Die Verfügbarkeit von Impfstoffen ist in der westlichen Welt deutlich höher als etwa in Afrika. Das schafft neuartige Probleme. Bild: Mat Napo

Unausgewogene Impfquoten setzen auch dem globalen Tourismus zu

Das Reisegeschäft ist global eng vernetzt. Dass gewisse Länder bei Impfquoten deutlich weiter voraus sind, schafft neue Ungleichheiten und verhindert eine Erholung des Tourismus auf breiter Ebene.

Die Covid-Impfung ist der Schlüssel für Reisen 2021 und bestimmt auch noch 2022. Darüber ist sich die globale Reise-Community einigermassen einig, obwohl es in der Ausgestaltung der Reisebestimmungen natürlich noch viele Unterschiede gibt. Doch «Vax and relax» greift zu kurz, denn das Problem ist deutlich komplexer: Es reicht nicht, wenn in einzelnen Ländern bestimmte Impfquoten erreicht werden - sind diese in anderen Ländern nicht erreicht, drohen wieder ähnliche Szenarien wie mit der Delta-Variante, welche in zuvor gut abgeschotteten, aber wenig durchgeimpften Ländern besonders stark wütete.

Genau hier tun sich aber enorme Gräben auf. In Drittweltländern liegt die Impfquote (vollständig Geimpfte) bei rund 3 Prozent, wie ein Bericht von «Médecins Sans Frontières» festhält. Demgegenüber sitzen so genannte «High Income Countries», wo die Impfquote durchschnittlich bei bereits 60 Prozent liegt, auf über 870 Millionen Impfstoffdosen, von denen bis zum Jahresende schätzungsweise 241 Millionen ablaufen werden - ohne dass ein Plan für deren Neuverteilung vorliegt. Rund ein Jahr nach Beginn der Verteilung von Covid-Impfstoffen durch Pharmafirmen zeigt sich also deutlich, wohin die Impfstoffe primär gehen. Und diese «Impflücke» bedeutet für die Drittweltländer nicht nur eine gesundheitliche Gefahr für die Bevölkerung, sondern auch langsamerer wirtschaftlicher Aufschwung. Es schafft zudem ganz konkrete Probleme im Tourismus.

Wo bleibt die Stimme der Reisebranche?

Immer mehr Länder öffnen ihre Grenzen für Geimpfte und Genesene (oder auch für Getestete). Doch in Ländern, in denen die breite Bevölkerung keinen Zugang zu Impfungen hat, werden neue Covid-Wellen befürchtet - insbesondere solche mit neuen Varianten. «Wenn die Impfquoten in vielen Ländern weiterhin so niedrig sind, ist es wahrscheinlicher, dass sich neue Varianten entwickeln - einschliesslich ‹besorgniserregender Varianten› wie die Delta-Variante -, welche die Pandemie verlängern können und eine Bedrohung für die Gesundheitssysteme in der ganzen Welt darstellen», schreibt die Ärztevereinigung in ihrer Mitteilung weiter.

Der touristische Restart, gerade in vielen Zweit- und Drittweltländern extrem wichtig, wird also wegen einer an sich verhinderbaren Impf-Ungleichheit aufs Spiel gesetzt. Dies wiederum kann für die Reisebranche weltweit, also auch in «First World Countries», negative Effekte haben. Kurz: Ist die Impfgleichheit nicht gewährleistet, ist der Aufschwung des Tourismus bedroht, da weiterhin Ungewissheit darüber herrschen wird, was noch kommen könnte - was wiederum das Vertrauen der Endkonsumenten beeinträchtigt.

«Médecins sans frontières» verlangt von den Pharmaunternehmen, dass diese ihre Impftechnologien mit weiteren Anbietern gerade aus der Dritten Welt teilen, damit man dieses Problem schneller in den Griff bekommt. Angesichts eines weiteren Jahres, in dem uns Covid beschäftigen wird, müssen aber auch die führenden Vertreter der Reisebranche in den Industrie-Staaten eine grössere Rolle beim Eintreten für eine gerechte Verteilung von Impfstoffen spielen. Schafft die Reisebranche es, hier Gehör zu finden?

(JCR)