Tourismuswelt

Im vergangenen Februar machten sich Livia und Mario von ihrer Heimatgemeinde Balzers (FL) auf den Weg mit ihren Velos. Aktuell befinden sich die beiden in der Türkei. Bilder: Livia Amstutz und Mario Beck

Auf einer Fahrradweltreise trotz Covid-19

Nadia Imbaumgarten

Livia und Mario sind zwei Weltenentdecker die sich zurzeit auf einer schon etwas länger geplanten, langen Reise befinden. Covid-19 konnte die beiden nicht aufhalten, ihren Traum zu verwirklichen. Hier erzählen sie von ihrer Reise und ihren Erfahrungen.

Aktuell befinden sich Livia Amstutz und Mario Beck in der Türkei. Seit dem 17. Februar 2021 sind die zwei mit ihren Velos unterwegs und sind bereits durch Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien und Bulgarien gereist - und dies alles trotz Covid-19. Wir wollten mehr von den beiden sportlichen Weltentdecker erfahren und haben uns mit ihnen ausgetauscht.

Sowas wie «Alltag» entstehe kaum auf ihrer Reise, wie sie uns verraten, doch das sagt den beiden zu. «Es gibt immer wieder Unvorhergesehenes: schlechte Strassen, eingestürzte Brücken, Einladungen zu Tee und Kaffee, schöne Orte an denen wir verweilen etc. so verläuft selten ein Tag genau so, wie man ihn sich vorstellte», so Livia und Mario.

Pro Tag fahren sie ca. 4-6 Stunden Fahrrad. Die restliche Zeit füllen sich mit Pausen, Einkaufen, Gegend und Begegnungen geniessen. Abends suchen sie 2-3 Stunden vor dem Eindunkeln einen Schlafplatz. Zum Abendessen wird selber gekocht. «Für uns ist das ein schönes und wichtiges Ritual. So können wir runterfahren und den Tag abschliessen.» Der restliche Abend und die Pausen füllt sich auch mit: Tagebuch schreiben, Fotos und Filme aussortieren und verwalten, Fahrrad- und Materialpflege, Routenplanung und Planung der nächsten Tage, Infos zu Coronatests und Einreisebestimmungen sammeln, Social Media und weiteren Kleinigkeiten. Die Tage sind also immer gut ausgefüllt.


Livia und Mario, ihr seid Mitten in der Corona-Krise losgezogen – warum?

Diese Reise war schon länger geplant. Eigentlich wollten wir im März 2020 losfahren. Es sollte via Balkan übers Schwarze Meer nach Georgien, Armenien und Aserbaidschan in die zentralasiatischen Stan-Länder gehen. Wie es von dort dann weiter gehen sollte, war noch offen. Wir hatten bereits unsere Jobs und die Wohnung gekündigt, als die Pandemie kam und ein Start unserer Reise verunmöglichte. Glücklicherweise konnten wir vorübergehend zu Livias Mutter ziehen und sogar wieder arbeiten gehen. Wir warteten daraufhin ein paar Monate ab. Im Sommer 2020 sind wir dann von zu Hause aus Richtung Norden (Österreich, Tschechien, Polen, Schweden, Dänemark) losgefahren. Leider kam dann im Herbst die 2. Welle und wir beschlossen - auch wegen der Kälte - zu Hause zu überwintern. Mitte Februar 2021 sind wir dann wieder losgefahren.

Im Februar 2021 lebte die Welt bereits ein Jahr mit Corona. Wir hatten den Eindruck, dass sich die Lage soweit stabilisiert hat, dass die Menschen einen Weg gefunden haben, damit umzugehen. Zudem war ja nach wie vor kein Ende in Sicht. Es war nicht mehr akut und völliger Ausnahmezustand wie noch im März 2020, als wir eigentlich los wollten. Es ist unser Traum, diese Reise zu machen, daher haben wir es einfach versucht. Wir hofften, dass es mit Respekt und Vorsicht möglich ist, trotz Pandemie zu reisen. Und bisher hat sich diese Hoffnung erfüllt. Anfängliche Bedenken wegen negativer Reaktionen lokaler Bevölkerung haben sich glücklicherweise als völlig unnötig herausgestellt. Ganz im Gegenteil. Wir fühlen uns überall sehr willkommen und gerne gesehen.

Wie lange seid ihr noch unterwegs?

Coronabedingt haben wir keine fix geplante Route mehr. Wenn möglich wollen wir aber nach wie vor gegen Osten ziehen. Wir sind aber offen, vielleicht zieht es uns auch wieder nach Afrika. Dass wir bisher ohne Probleme in die Türkei gekommen sind, freut uns sehr. Jetzt schauen wir, wie es weiter geht. Wir wollen ohne Flugzeug reisen, daher gibt es eigentlich nur zwei Optionen: Georgien oder Iran. Da der Iran zur Zeit keine Touristenvisa ausstellt, wird es wohl Georgien sein. Die Landesgrenzen nach Georgien sind soeben geöffnet worden. Hoffen wir, dass das so bleibt. Bis wir die Türkei erradelt haben, kann sich noch vieles ändern. Wir haben das Privileg zeitlich ungebunden zu sein.

Wildcampen in Kroatien.

Welche Herausforderungen bringt eure Reise mit sich?

Eine Herausforderung war sicher, uns an die Planlosigkeit zu gewöhnen. Corona lässt keine langfristigen Pläne zu, das haben wir wohl alle mittlerweile lernen müssen. Doch inzwischen schätzen wir sogar, dass keine Pläne möglich sind, es gibt uns Freiheit und lehrt uns Gelassenheit.

Weiter ist es natürlich wichtig, informiert zu bleiben über die Lage, Corona-Massnahmen und Einreisebestimmungen im jeweiligen Land und den Nachbarländern. Dabei achten wir aber darauf, uns nicht verrückt machen zu lassen von all den Medienberichten und Fallzahlen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Lage vor Ort oft entspannter ist, als wir es uns nach Medienberichten vorgestellt hatten. Zumindest wir als Reisende sind bisher kaum direkt von Corona und Corona-Massnahmen betroffen gewesen - für die lokale Bevölkerung mag das natürlich leider oft anders sein.

Dann gibt es noch die rein praktische Herausforderung, dass wir uns für die Einreise vieler Länder einem PCR-Test unterziehen müssen. Wir recherchieren jeweils im Internet, wo es Möglichkeiten zum Testen gibt. Das ist zum Teil etwas aufwändig und zeitintensiv. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir uns durch eine in kyrillischer Schrift verfasste Infoseite quälen müssen. Wir als Radfahrende müssen zudem einen Testort finden, der relativ nah an der Grenze liegt. Der PCR-Test darf ja in der Regel nicht älter als 48 oder 72 Stunden sein. Das heisst für uns, dass wir in diesem Zeitrahmen mit dem Velo an die Grenze radeln können müssen. Die Coronateststationen nehmen also schon Einfluss auf unsere Routenplanung.

Bisher haben wir 5 PCR-Tests gemacht. Wir waren dafür in Spitälern, in Labors und provisorischen Teststationen. Es waren jeweils interessante Erfahrungen, die uns nochmals einen anderen Einblick in ein Land ermöglichten. Es ergab sich dabei manch nettes Warteschlangengespräch und zeigt, dass wir alle im gleichen Boot sitzen.

Was macht die Reise mit dem Velo so besonders?

Als Veloreisende sind wir auf das Wohlwollen völlig fremder Menschen angewiesen, z.B. bei der Schlafplatzsuche oder um Wasser aufzufüllen. Unbekannte um Hilfe zu bitten, braucht manchmal Überwindung, generiert aber meist schöne Begegnungen und weckt Vertrauen in das Gute im Menschen.

Zudem ist für uns die Reisegeschwindigkeit mit dem Velo ideal. Man ist langsam genug um Vieles wahrzunehmen und trotzdem auch schnell genug um Stecke zu machen. Zudem macht das Draussensein 24h am Tag - bei Regen, Wind, Kälte und Sonnenschein - das Vorwärtskommen aus eigener Kraft und allem, dem Guten wie dem Schlechten, direkt ausgesetzt sein den Reiz aus. Das Gefühl der Freiheit, das wir auf einer Radreise haben, ist einmalig.

Was hat euch besonders gut gefallen auf eurer Reise bis jetzt?

Das Schöne an einer Radreise ist, dass plötzlich so viele vermeindliche Kleinigkeiten zu einem Highlight werden. So ist ein kühles Getränk auf einmal das Grösste und ein Wildcampingplatz an einem sauberen Bach an dem man sich und die verschwitzte Kleidung waschen kann, fühlt sich plötzlich an wie das Paradies.

Schöne, unerwartete Begegnungen mit Mensch sind auch immer toll. Z.B. In Albanien, als wir schwitzend langsam einen Berg hinauffuhren, forderte uns ein Mann am Strassenrand auf, stehen zu bleiben. Er reicht uns eine Tasche mit Wasser, Schoggigipfel und Snickers. Er hat die Sachen für uns gekauft, als er uns den Berg hinauf schleichen sah. Diese bedingungslose Freundlichkeit von völlig fremden Menschen rührt uns immer wieder. Manchmal ist es fast etwas irritierend für uns.

Naturbedingte Highlights, die wir auf unseren Fahrradreisen erleben durften sind ganz klar die Sichtung der Nordlichter und tagelang durch die Sahara zu fahren.

Was darf auf einer Reise mit dem Velo auf keinen Fall im Gepäck fehlen?

Ein e-Reader, Musik, ein kühles Getränk für den Abend und eine Notration an Essen - für Unvorhergesehenes, denn wir haben immer Hunger. :)

Ausrüstungstechnisch gilt für uns: weniger ist mehr. Nebst den grundlegenden Dingen wie Zelt, Schlafsack, Matten, Kocher, Kleidung für Sommer und Winter versuchen wir uns einzuschränken. Was wir sehr schätzen, ist unsere Plane. Darauf können wir trocken und sauber sitzen und liegen. Sie kommt mehrmals täglich zum Einsatz, z.B. in den Pause, zum Mittagessen und am Abend zum Kochen. Sie hilft auch, Ordnung zu halten und nichts zu verlieren, wenn wir z.B. im hohen Gras zelten. Ausserdem kann sie auch als Regen oder Sonnenschutz verwendet werden.

Was müssen die Travelnews Leser/innen unbedingt noch über eure Reise wissen?

Ein wichtiges Fazit, das wir aus unseren Reisen gezogen haben ist: Die allermeisten Menschen auf der Welt sind freundliche und nett. Und, dass die Grundbedürfnisse sind auf der ganzen Welt die selben sind. Das klingt so simpel und einfach, aber es scheint uns, dass das in der heutigen Zeit oft vergessen oder nicht so empfunden wird. Fahrradreisen ist eine tolle Sache, das wieder zu entdecken.