Tourismuswelt

Der Ombudsman der Schweizer Reisebranche spürte die Belastung von Covid-19 im Rahmen vieler Mails, Briefen und Gesprächen. Bild: AdobeStock

Deutlich mehr Arbeit für den Ombudsman der Schweizer Reisebranche

Im Jahr 2020 wurden in der Ombudsstelle 1933 Fälle bearbeitet - das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 54 Prozent.

Franco Muff

Bereits im Rahmen des Jahresberichts des Vorjahrs hielt Franco Muff, der Ombudsman der Schweizer Reisebranche, klar fest, dass es 2020 einige Fälle mehr zu bearbeiten geben werde. Das wurde nun bei der Präsentation des Jahresberichts 2020 überdeutlich: Wurden 2019 noch 1254 Fälle bearbeitet, damals eine sinkende Zahl, wurden 2020 total 1933 Fälle eingereicht - eine Steigerung um satte 54 Prozent.

Möglicherweise wäre die Zahl sogar höher gewesen. Einerseits ist die Korrespondenz mittels Brief gesunken (noch 8 Prozent der Anfragen), jene per Telefon aber auch auf 15 Prozent, was mit der beschränkten telefonischen Erreichbarkeit der Ombudsstelle infolge Home-Office und Kurzarbeit zu tun hatte. Sprich, es wurde darauf verwiesen, das Anliegen möglichst schriftlich einzureichen.

In diesem Zusammenhang interessant: Es besteht laut Muff weiterhin eine Tendenz, sich möglichst anonym zu erkundigen. Die Ombudsstelle bearbeitet aber keine anonymen Anträge, da sie konkrete Daten benötigt, um einen Fall ausreichend bearbeiten zu können und dazu ebenso beide Parteien einbeziehen muss.

«Bemerkenswert im vergangenen Jahr war die spürbare Belastung durch die Situation rund um Covid-19 und deren Folgen, welche sich in Gesprächen, E-Mails und Briefen zeigte», hält Muff fest. Statistisch gesehen erhöhte sich die Anzahl der Anfragen aus der Deutschschweiz leicht; insgesamt kamen 76 Prozent der Anfragen aus diesem Landesteil, gegenüber 15 Prozent aus der Romandie, 2 Prozent aus dem Tessin und 7 Prozent aus dem Ausland. Interessant: Es gab einen Rückgang der Anfragen von Reisebüros und Veranstaltern. Sprich, inzwischen kommen 81 Prozent der Anfragen von Reisenden und nur noch 19 Prozent aus der Reisebranche selber.

Corona dominiert die Anfragen

Wenig überraschend ist, dass Corona den Löwenanteil der Anfragen bestreitet. Es sind dies in absteigender Reihenfolge die Bereiche Diverses, Pauschalreise und Flug. Der Bereich Diverses wurde in diesem Jahr ausschliesslich für Anfragen in Zusammenhang mit Problemen infolge Covid-19 benutzt. Bei den Pauschalreisen gibt es zusätzlich eine hauptsächliche Gewichtung auf Themen rund um Corona, was sich insbesondere sehr stark beim Bereich Airlines gezeigt hat. «Im langjährigen Vergleich mit einigermassen normalen Umständen, hat noch nie ein Thema unsere Arbeit so dominiert wie 2020», hält Muff fest, «insgesamt waren es rund 85 Prozent der Anfragen, die sich um das Ereignis Corona und dessen unmittelbaren Auswirkungen auf Reisen drehten.»

In allen drei genannten Bereichen konzentrieren sich die Bemühungen hauptsächlich um die Stornierung von Buchungen durch die eine oder andere Partei mit der Konsequenz der Forderung nach Rückzahlung, einer Gutschrift oder einer Verschiebung der Reise. Bei den Airlines, welche die Ombudsstelle beschäftigt haben, waren die meisten über längere Zeit im Zahlungsrückstand, was viel Unmut ausgelöst hat.

Neu wurde der Bereich Internetbuchung separat aufgeschlüsselt. Dabei handelt es sich ausschliesslich um Dossiers im Zusammenhang mit Buchungen bei Veranstaltern im Ausland, welche nicht behandelt wurden. Dies führte zu zahlreichen negativen Kommentaren. Man kann aber bekanntlich nicht den «Fünfer und das Weggli» haben, sprich, eine Buchung im Netz über einen ausländischen Anbieter beinhaltet keine Hilfe des Ombudsman der Schweizer Reisebranche. Noch immer gibt es Konsumenten, welche sich durch das Kürzel .ch verwirren lassen, davon ausgehen über einen Anbieter in der Schweiz gebucht zu haben.

Kreuzfahrten und Flussfahrten schliesslich haben der Ombudsstelle ebenso einiges an Aufwand generiert. Veranstalter von Flussfahrten versuchten oft, Kunden zu einer Verschiebung der Reise zu motivieren. Aufgrund von Verhandlungen wurden mehrheitlich dennoch auch Rückzahlungen in bar geboten. Während das Verhalten der Anbieter von Flussfahrten als allgemein positiv zu beurteilen ist, so waren die Erfahrungen bei den meisten Kreuzfahrten ernüchternd, was keine neue Erkenntnis darstellt. Viele grosse Reedereien sind immer noch der Ansicht, dass die Gewährung von Gutscheinen eine gute Kundenbindung darstellt. Dieser Ansicht ist die Ombudsstelle keineswegs.
Art der Erledigung

Wie jedes Jahr hat der Gesamtbereich Information und Beratung den grössten Stellenwert eingenommen. Das ist speziell in diesem Jahr nicht aussergewöhnlich, denn die neue, noch nie dagewesene Situation warf eine gewaltige Anzahl an Fragen auf. Das Hauptgewicht liegt bei den Anfragen der Konsumenten. Viel höher als in Vorjahren fällt der Bereich «Keine Zuständigkeit» aus. In dieser Zahl finden sich einerseits die Anfragen zu Buchungen bei ausländischen Veranstaltern, jedoch ebenso Direktbuchungen bei Leistungsträgern im Ausland.
Die Ombudsstelle hat sehr viel Beratung in Sachen Pauschalreisegesetz und Gebühren geleistet. In ihrer Haltung blieb die Stelle zum Thema Gebühren standhaft, was ihr teilweise negative Presse beschert hat. Hier war u.a. jedoch eine fehlende Kenntnis zur Rolle der Ombudsstelle und eine eher einseitige Sicht der Dinge der Anlass zur Kritik. Die Crew der Ombudsstelle hat in zahlreichen Fällen eine Senkung der Kosten für die Reisenden bewerkstelligen können, was meist mit Erklärungen einher ging.

Fehlende Vorbereitung schonungslos aufgezeigt

In seinem Fazit schreibt Muff, dass sich gezeigt habe, «dass ein Ereignis dieser Art das Fehlen einer Vorstellungskraft und Vorbereitung auf brutalste Weise offenlegte». Waren einerseits die Konsumentinnen und Konsumenten völlig verunsichert, was nun aus deren Ferienplänen werden würde, so waren die Fluggesellschaften, Reedereien, Veranstalter und Reisebüros mit einem noch nie dagewesenen Einbruch an Buchungen konfrontiert, teilweise bis 90 Prozent aller Buchungen waren betroffen.

Das Pauschalreisegesetz mit seinen strengen Beurteilungen bzw. Paragrafen zum Vorgehen der Veranstalter im Falle von Stornierungen von Reisen durch diese, führte für die Reisebranche zu fatalen Auswirkungen. Anstatt sich um neue Buchungen zu kümmern oder bestehende weiter zu verarbeiten, ging es somit primär in Richtung Stornierung. Dies bedeutete doppelte Arbeit praktisch zum Nulltarif ohne jegliche Aussicht auf eine Verbesserung der Lage.

Laut Muff gab es derweil auch uneinsichtige Reisebüros, welche die Konsequenzen von Mikro-Touroperating (das Kombinieren von Einzelleistungen zu einer Pauschalreise) nicht begreifen wollten oder konnten. Wird nämlich ein Reisebüro durch seine Zusammenstellung von Serviceleistungen zum Veranstalter, unterliegt es den Paragrafen des Gesetzes wie ein Veranstalter, der Arrangements anbietet. Andererseits waren wir mit Konsumenten konfrontiert, die aus völliger Verängstigung um gezahlte Beträge Tendenz zur Nulltoleranz zeigten, sofort aus jeglicher Verpflichtung ohne Verlust aussteigen wollten. Etliche Diskussionen stellten sich zur Frage, wer nun ein Risikopatient ist, welcher Ratschlag oder welche Verfügung dieses oder jenes Landes nun für den Entscheid einer Reisestornierung entscheidend sein würde.

Der Ombudsstelle ging es darum, das Pauschalreisegesetz umzusetzen, dabei dennoch einen gesunden Menschenverstand walten zu lassen. «Für viele Branchenvertreter war dies eine bittere Pille», so Muff. Grosse Verlierer im letzten Jahr seien aber vor allem die vielen Schweizerinnen und Schweizer gewesen, welche sich die Reisen selbst im Internet bei diversen Anbietern gebucht hatten. Die Betreuung der Kunden durch fehlende oder unfähige Kundendienststellen bei solchen Anbietern liess laut Muff so manchen Reisenden zur Verzweiflung bringen. Umbuchungen wurden kaum getätigt, Erstattungen auf die lange Bank geschoben oder mit diversen Begründungen verweigert. Die Ombudsstelle konnte sich diesbezüglich nicht engagieren, auch nicht gegen ein Entgelt: «Uns fehlte dazu schlicht die Zeit», schliesst Muff, und fügt an: «Es bleibt zu hoffen, dass sich einige dieser geprellten Personen in Zukunft wieder an ein Reisebüro in der Schweiz wenden, weil sie realisiert haben, dass die Buchung eines Arrangements dort nebst Beratung zusätzliche Sicherheiten bietet dank der Absicherung in einem der diversen Garantiefonds. Ob ein Reisebüro versichert ist, kann man vor der Buchung klären.»

(JCR)