Tourismuswelt

Bromance auf den Azoren: Nik Hartmann (für einmal ohne Karohemd, links) und Claudio Zuccolini. Bilder: CH Media

Note 4,75 für die 1. Staffel von «Abenteuerlustig»

Andreas Güntert

Vier Mal unterwegs mit Nik Hartmann und Claudio Zuccolini: Zeit für ein Fazit der ersten Staffel von «Abenteuerlustig». Die Comedy-Reisesendung ist oft witzig, macht manchmal Reiselust und hat immer Längen.

Eine Wodka-Schwemme, Kosakentanz und russischer Armeedrill in St. Petersburg: Auch die vierte und bislang letzte Folge von «Abenteuerlustig» holt die Zuschauerinnen und Zuschauer dort ab, wo sie die Sendungsmacher vermuten: Beim Klischee.

Nein, das ist keine Grundsatzkritik an der Machart von «Abenteuerlustig». In jedem Klischee steckt immer irgend eine Mini-Wahrheit und eine Spur von Zuschauer-Vorwissen drin. Wie ein Medium mit diesem Reiz umgeht, wie eine Sendung das Publikum am Händchen nimmt und in neue Gefilde führt – für mich ist letztlich das die spannende Frage.

Abenteuerlustig erste Staffel: Fazit der Generation X

Insgesamt vier Folgen umfasste die erste Mini-Staffel des Comedy- und Reiseformats Abenteuerlustig: Mit den zwei reiseführenden Schweizer Zelebritäten Nik Hartmann und Claudio Zuccolini waren wir in Istanbul und Sizilien, auf den Azoren und zum Abschluss in St. Petersburg.

Ein guter Mix aus bekannten Destinationen und Orten, die wohl noch nicht jede Schweizerin und jeder Schweizer schon bereist hat.

Hatte ich als Mann der Generation X in der Sendekritik der ersten Folge noch eine Vertreterin der Generation Z an der Seite, so musste ich die folgenden drei Episoden alleine benoten.

Weil die Generation Z schon nach Folge eins nichts mehr wissen wollte von «Abenteuerlustig.» Ja eh, easy.

Aufbau von Abenteuerlustig: gut gemeint und gut gemacht

Bei Reise-Sendungen am Fernsehen herrscht immer die akute Gefahr, dass abendfüllend Postkarten-Ansichten übermittelt werden, dirigiert von einem touristischen Sponsoring-Partner.

Das ist bei Abenteuerlustig nicht der Fall. Indem die beiden Protagonisten Aufgaben zu lösen haben und sich nicht zu schade sind, dabei auch mal sehr alt auszusehen, bleibt eine gewisse Grund-Spannung erhalten.

Problem von Abenteuerlustig: Die Längen

Eines der zwei grossen Problme von «Abenteuerlustig»: Es dauert viel zu lange, bis es endlich losgeht mit den Aufgaben für die zwei Protagonisten. Ich glaube, den tieferen Sinn dieser schleppenden Dramaturgie erkannt zu haben.

Es dauert nämlich immer rund 30 Minuten, genau bis zum ersten Werbeblock, bis Claudio Zuccolini und Nik Hartmann erstmals eine der Schatullen öffnen dürfen, in der sich ein Hinweis auf ihre nächste Aufgabe verbirgt.

Endlich öffnet sich die Schatulle. Geht das nicht ein bisschen früher?

Macht Abenteuerlustig reiselustig?

Eine nicht ganz einfache Frage in einer Zeit, da sich eh schon eine gewaltige Reiselust aufgestaut hat. Grundsätzlich würde ich sagen: In guten Momenten macht Abenteuerlustig tatsächlich Lust, das eben Gesehene selber zu bereisen.

Etwa, wenn Zuccolini und Hartmann mit Zelt und Fiat 500 auf Sizilien unterwegs sind. Oder auf selbiger Insel den Ätna erklimmen und hoch am Berg verrückterweise sogar noch die Ski anschnallen.

Der Sprung ins Ungewisse: Claudio Zuccolini auf den Azoren.

Wer in der Pandemie mehr Zeit auf dem Sofa als draussen verbracht hat, den kann «Abenteuerlustig» durchaus anstacheln, selber wieder aktiver zu werden.

Wenn es schon einer wie Zucco schafft, auf den Azoren die Extremsportart des Canyoning nicht nur zu geniessen, sondern auch ohne bleibende Schäden zu überleben, dann wird man das ja selber wohl auch noch schaffen. Fast schon Bildungsfernsehen, irgendwie.

Abenteuerlustig erste Staffel: Geilometer

In der ersten Folge regten sich Generation Z wie auch X darüber auf, dass und vor allem wie oft Hartmann und Zuccolini das Wort «geil» in ihren mittelalterlichen Mund nahmen.

Was als ebenso anbiedernd wie unpassend rüberkam. Beweisen ältere Männer ihre Coolness damit , dass sie dann und wann das Wort «geil» in den Redefluss einstreuen? Ich finde: Nein. Und schon gar nicht bei gesetzten Familienvätern jenseits der 40, wenn sie sich ausserhalb von Töff-Garage und dem geschützten Rahmen ihrer Carrera-Rennbahn aufhalten.

Claudio Zuccolini alias Rap-Lehrling «Zuccolov» in St. Petersburg.

Sechs Mal fiel das G-Wort in der ersten Sendung. Nach vier Ausgaben von Abenteuerlustig kann ich sagen: Das hat sich stark gebessert. Insgesamt lag der Schnitt nach Folge vier nur noch bei drei G-Wörtern pro Sendung.

Und wenn man sich als Rapper betätigen muss, so wie es «MC Nikolai» und «Zuccolov» in der letzten Folge in St. Petersburg taten, kann man pro G-Wort auch mal ein Auge zudrücken. Auch wenn beim Rap-Versuch der beiden kaum ein Auge trocken blieb.

Die Stimme aus dem Off: Bitte heimreisen

Weiter oben habe ich zwei Probleme der Sendung erwähnt. Von der Langfädigkeit hatten wir es schon. Nun also zum zweiten Problem: Die Stimme aus dem Off.

Was mich schon in der ersten Folge geärgert hatte, zog sich durch alle vier Ausgaben hindurch. Wobei der Tiefpunkt auf den Azoren erreicht war. Als sich Claudio Zuccolini auf die Suche nach einer Ausgabe der Vogelart des Azorengimpels machte, begann die Stimme aus dem Off zu reimen.

Müsste ich einen Tiefpunkt nennen der vier Folgen: Ja, dieser Moment wäre es.

Abenteuerlustig erste Staffel: Fazit

Nach der ersten Folge habe ich die Note 4.75 abgegeben. Dabei bleibe ich. Vieles an dem Format stimmt, einiges aber sollte besser werden.

Wie geht die Reise jetzt weiter, Herr Zuccolini (links) und Herr Hartmann?

Die Serie könnte stärker in die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort eintauchen und dabei auch Orte zeigen, die für die Einheimischen eine Rolle spielen. Auch an solchen Locations liessen sich wohl die für die Sendung typischen «Challenges» einbauen.

Wie sehr die Sendung den Zuschauerinnen und Zuschauern gefällt und welches Alter dieses Publikum hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt, Ende März 2021, nicht gesagt werden. Der Sender 3+ will auf Anfrage keine Quoten-Details verraten. Man sei mit dem Start zufrieden, heiss es. Für eine Einschätzung ist mir in der Regel ein solides Set an Zahlen lieber als ein Wort wie «zufrieden».

Was der Privatsender indes verrät: Eine zweite Staffel von «Abenteuerlustig» sei angedacht. Details dazu würden später folgen, heisst es bei 3+. Was ich jetzt schon sagen kann: Ich würde und werde wieder hinschauen.