Tourismuswelt
Ein Einblick in die Zukunftsvisionen der «Thought Leaders»
Jean-Claude RaemyMorgen Dienstag (9. März) geht die erste vollständig virtuell durchgeführte ITB Berlin, die «ITB Now», offiziell los - wobei es wie üblich bereits heute diverse kleinere Events und auch Tutorials für dieses noch ungewohnte Format gibt. Die weltgrösste Messe als Online-Format: Natürlich werden gewohnte ITB-Besucher Berlin als Stadt, das Networking mit den unzähligen Anlässen sowie die Currywürste vermissen. Nicht vermissen wird man die Taxi-Warteschlangen oder das zumeist grau-kalte Märzwetter. Und was man auch nicht vermissen wird: Das enorme Informations-Angebot. Denn was die ITB auch im virtuellen Raum bietet, ist schlicht überwältigend. Die ITB Now beginnt zwischen dem 9.-12. März jeweils um 10.00 Uhr und dauert bis 19.30 Uhr.
Einer, der mittendrin auf Seiten der Organisation dabei ist, ist Gerry Romanescu. Der Tausendsassa ist in der Schweizer Reisebranche bestens bekannt. Der Managing Director und Mitgründer der Consultingfirma G&B Travel and Hospitality Partners Switzerland war früher unter anderem Geschäftsführer des Nordamerika-Spezialisten Sky Tours (damals noch Mitglied der RBM-Gruppe), später Vice President Customer Care bei der damaligen Swissair, dann vier Jahre in derselben Funktion beim Online-Ticketportal Orbitz, danach noch Direktor bei Trans m AG, bevor er bis Juli 2020 insgesamt 13 Jahre beim Beratungsunternehmen PWC (PriceWaterhouseCoopers) tätig war, die letzten vier Jahre davon als «Director Lodging & Tourism». Der auch im Gemeinderat der Zürcher Gemeinde Nürensdorf aktive Romanescu ist zudem einer der Initianten von «Swiss Tourism Experts», also ein waschechter Tourismusprofi.
Für die ITB wird Romanescu gemeinsam mit Profi-Moderatorin Anouk Ellen Susan durch den «Marketing & Distribution Day» am 10. März führen und am 11. März um 19.00 Uhr ein Interview mit der neuen CEO der Hotelplan Group, Laura Meyer, führen. Travelnews hat bei ihm zu diesen Themen nachgehakt.
Herr Romanescu, wie kamen Sie überhaupt zu diesem «Job» für die ITB?
Ich bin mit meiner Firma G&B Travel and Hospitality Gründungsmitglied der Swiss Tourism Experts. Die Organisatoren der ITB Berlin NOW Convention haben bei unserer Experten-Vereinigung angefragt, ob wir Interesse hätten, einen Moderatoren oder eine Moderatorin für die ITB zu stellen. Ich habe mich sehr gerne zur Verfügung gestellt und freue mich auf die Aufgabe. Wie oft hat man die Gelegenheit mit Richard Holden (VP Travel Product Management bei Google) oder Laura Meyer (CEO Hotelplan Gruppe) über die Chancen und Probleme der Tourismus-Industrie zu diskutieren?
Was sind denn generell die Kernthemen des «Marketing & Distribution Day»?
Die Kernthemen sind weit gestreut. Sie umfassen etwa Möglichkeiten von «Conversational Commerce» - wie etwa Whatsapp Sales - oder auch Fragen dazu, in welche Bereiche Investment-Fonds im Tourismus investieren sollen, oder welchen Einfluss Covid-19 auf das Pauschalreise-Angebot hat, oder wie die «post-Pandemie»-Luxushotel-Industrie aussehen wird. Und es gibt noch so viel mehr. Es wird eine Masterclass von Lufthansa zum Thema «sustainable flying» geben; Google hat derweil eine Masterclass zum Thema «Capturing re-emerging travel demand using Google». Insgesamt also ein unglaublich dichtes, breites und qualitativ hochstehendes Programm.
Was sind Ihre Erwartungen zu diesem Tag, in Bezug auf Ergebnisse, aber auch auf den Zuschauer-Impact?
Meine Erwartung ist, dass die Teilnehmer einen Einblick in die Erwartungen an die Zukunft von Seiten der «Thought Leaders» unserer Branche erhalten. Wie könnte das «Neue Normal» in der Zeit nach der Pandemie aussehen? Wo entstehen jetzt die Opportunities für morgen? Ich habe in der Vorbereitung immer wieder das Zitat von Winston Churchill gehört: «Never waste a great crisis.» Ich erwarte, dass der positive Spirit der Gäste die Teilnehmer inspiriert und sich diese auch aktiv und kritisch in die verschiedenen Diskussions-Foren einbringen – wie bei einer richtigen Messe, einfach anders.
«Die letzten 12 Monate haben uns gelehrt, dass ‹virtuell› mehr möglich ist, als wir alle je erwartet haben.»
Was haben Sie für Erwartungen in Anbetracht der besonderen Plattform «Online-Präsentation»? Ist das ein Nachteil, für dieses Segment irrelevant oder gar ein Vorteil?
Die letzten 12 Monate haben uns gelehrt, dass «virtuell» mehr möglich ist, als wir alle je erwartet haben. Wir haben aber auch gelernt, wie wichtig der persönliche Konakt ist, und wie sehr wir diesen vermissen!
Die Organisatoren haben einen unglaublich guten Job gemacht, die Nachteile der virtuellen Konferenz möglichst auszumerzen. Der Vorteil des Formates ist, dass die Teilnehmer in den vier Tagen «Face time» mit über 50 globalen Leaders der Tourismusbranche erhalten – so viele wie noch nie. Das Programm ist kompakt und vielseitig. Die meisten Sessions dauern 15 bis 30 Minuten, man ist als Messe-Besucher nicht den ganzen Tag «offline» bei der Arbeit, es gibt keinen wichtigen Call irgendwo zwischen schmutzigem Geschirr und Mülleimer, weil da gerade eine freie Steckdose für den Phonecharger ist. Man muss nicht von einer Bühne in die nächste Halle hetzen für ein Appointment oder um bei einen Roundtable dabei zu sein. Man kann sich mit Peers rund um die Welt austauschen und reduziert den eigenen CO2-Foodprint – und die Füsse schmerzen am Abend nicht. Aber es gilt auch: Nichts ersetzt den informellen Austausch an der Kaffeemaschine oder am Snackbuffet.
Das sind schöne Beispiele. Inwiefern hat sich aus Ihrer Sicht aber die Marketing- und Distributionswelt der Reisebranche infolge Corona generell verändert?
Vor einem Jahr waren in der Werbung der Meerblick im Hotel und die günstigen Flugpreise die Kernmessages. Heute wird mit Hygienekonzepten und Sicherheit geworben. Mehr als 30 Tage im Voraus kann kaum geplant werden, denn Preise und Reisevorschriften ändern fast täglich – die Herausforderungen sind auf allen Ebenen des Marketings fundamental. Und die virtuellen Distributionskanäle sind «pandemisch» wichtig geworden. Es wird sich zeigen, wieviel von der alten Distributionswelt im «neuen Normal» übrig bleiben wird.
- Das gesamte Programm der ITB Now gibt es unter diesem Link.