Tourismuswelt

Orten im Markt von Luftentkeimungsgeräten grosses Potenzial: Kai Sannwald (links) und Thorsten Lehmann. Bild: TN

Reine Luft als Businessmodell

Gregor Waser

Das Mietwagengeschäft liegt am Boden. Für die Sunny-Cars-Gesellschafter Kai Sannwald und Thorsten Lehmann kein Grund, Trübsal zu blasen. Sie haben kurzerhand eine neue Firma gegründet in einem ganz anderen Feld.

Kleinere Reisebüros, die sich während der aktuellen Krise in alternativen Geschäftsfeldern versuchen, gibt es einige: da werden Yogamatten verkauft, Steuererklärungen ausgefüllt, Räume vermietet, begleitete Spaziergänge offeriert oder Fernweh-Biere gebraut – um Mitarbeitende auf Trab zu halten und um einige Franken dazu zu verdienen.

Dass sich nun auch Unternehmer grosser Reisefirmen mit einem Jahresumsatz von 300 Millionen Franken umsehen und diversifizieren, also mit einem gänzlich neuen Produkt einen unbekannten Markt betreten, ist in der Reisebranche aussergewöhnlich. Aber so geschehen Ende Jahr bei Kai Sannwald und Thorsten Lehmann, den beiden Eigentümern des erfolgreichen Mietwagen-Brokers Sunny Cars. Sie haben eine neue Gesellschaft gegründet und die nennt sich Sunny Air Solutions. Wie dieser Schritt zustande kam und was die neue Firma macht, wollten wir genauer wissen – und zoomten nach München.

Kai Sannwald blickt zurück auf den Beginn der Coronakrise: «Im März und April 2020 waren wir gelinde gesagt orientierungslos. Wir wussten zwar, unsere Finanzen sind in Ordnung, wir haben ein dickes Fell. Dann im Mai zeichnete sich langsam ab, dass nicht nur 2020 sehr schwierig werden würde, sondern wohl auch 2021, die Krise also noch lange andauern wird.» Fragen stellten sich: wie können die Mitarbeitenden aus der Kurzarbeit geholt werden? Welche neuen Felder könnten sich dafür eignen? «Bevor wir uns konkrete Modelle angeschaut haben, liessen wir erstmal Revue passieren, was Sunny gut kann und wo wir diese Erfolgsfaktoren in anderen Branchen positiv einsetzen können, etwa unsere Service- und Dienstleistungsqualität.»

«Viele Anbieter tummeln sich in diesem Markt.»

Das Brainstorming ging los: hier der ideenreiche Schnelldenker und Marketingcrack Thorsten Lehmann, da der analytische Kai Sannwald mit prüfendem Blick. Die Ideen gingen hin und her. Ob Abonnements für E-Bikes, die winterliche Unterbringung und Pflege von Wohnmobilen oder die Lead-Generierung im Handwerker-Bereich, die Ideen waren zahlreich. Doch zu Sunny wirklich passen wollte zunächst keine dieser Ideen – zu B2C-lastig oder zu wenig geeignet, um mehr als nur eine Sunny-Abteilung einbinden zu können.

Dann erfuhr Lehmann aus verschiedenen Quellen, dass der Luftentkeimungsmarkt interessant sein könnte. Bei der ersten Erwähnung des Themas verdrehten einige Sunny-Teammitglieder zunächst die Augen. Doch die luftige Idee nahm Formen an. Kai Sannwald durchleuchtete den Markt und spielte Szenarien rauf und runter: «Es ist erstaunlich festzustellen, wie viele Anbieter sich in diesem Markt tummeln und mit Versprechen um sich werfen, die Luft zu 99,9 Prozent reinigen zu können – mit Billigstgeräten aus Asien. Der Markt ist ungeprüft und jeder kann sagen, was er will.»

Doch die Nachfrage schien immens – ob Schulen, Büros, medizinische Einrichtungen, Anwälte, Praxisräume oder die Hotellerie und Gastronomie: das Bedürfnis nach reiner Luft ist gross, jetzt in der Corona-Zeit und auch darüber hinaus. Es kam zu ersten Kontakten mit Produzenten von Luftreinigungsgeräten, um sich mit dem Markt vertrauter zu machen. Bald war klar: mit einer individuellen Bedarfsanalyse vor Ort, handverlesenen Produkten und einem top Kundensupport, der sich Service-Champion Sunny Cars schon immer auf die Fahne geschrieben hat, lässt sich in diesem Markt einiges bewegen. So gründeten Kai Sannwald und Thorsten Lehmann am 9. Dezember 2020 die Sunny Air Solutions GmbH, rechtlich unabhängig von Sunny Cars.

«Glaubwürdigkeit und hohe Qualität sind gefragt.»

Die neue Firma – erweitert mit technischen Mitarbeitenden, die das Qualitätsmanagement sicherstellen – ist nun bereit und hat sich zum Ziel gesetzt, noch in diesem Jahr drei Millionen Euro Umsatz zu erzielen. Erste Abschlüsse mit einem Hotel, einer Anwaltskanzlei, einer IT-Firma und einer Arztpraxis konnten bereits getätigt werden. Das aktuelle Gerät, welches bereits alle Prüfprozesse der Sunny Air Solutions abgeschlossen hat, kostet 2150 Euro.

Sunny Air Solutions setzt einerseits auf UV-C-Strahlung – keine neue Technologie, aber neu ist ihr Einsatz bei Luftentkeimungsgeräten. Andererseits stehen Hepa-Filter im Einsatz, die kleine Teilchen und Partikel aus der Luft extrahieren und so die Raumluft gründlich reinigen.

«Für den Markteintritt spielt Geschwindigkeit zwar eine wichtige Rolle», sagt Thorsten Lehmann, «gleichzeitig sind aber Glaubwürdigkeit und hohe Qualität gefragt.» Der Markt benötige keine weitere reine Online-Verkaufsplattformen von Luftreinigungsgeräten. Sunny Air Solutions habe das Ziel, sich als Qualitätsanbieter und Lösungsfinder zu etablieren. Beratungsgespräche, individuelle Konzepte und Wirkungsnachweise sind für die Kunden des jungen Unternehmens inklusive.

Und Kai Sannwald unterstreicht, dass es sich hier nicht um ein temporäres Abenteuer oder einen Versuchsballon handelt. Die bisherigen Investitionen lägen im sechsstelligen Bereich, «für uns ist dies ein langfristiges Investment».

Dabei zu Gute kommt den Sunnies ihr grosses Netzwerk in der Reisebranche und darüber hinaus. Die Kontakte zu zahlreichen, möglichen Abnehmern ist lang. Und im direkten Kontakt mit Kunden höre man ab und zu, ihr seid doch die mit den Mietwagen. Insofern profitiere nun Sunny Air Solutions auch vom Bekanntheitsgrad und der Glaubwürdigkeit aus dem Mietwagenbereich.

«So viel sexier ist ein Opel Corsa nun auch wieder nicht.»

Und wie es denn für Salesmitarbeitende sei, statt einem Opel Corsa ein Luftentkeimungsgerät anzupreisen? Sannwald sieht dies pragmatisch: «Ein guter Vertriebler kann auch das. Seien wir ehrlich, so viel sexier ist nun ein Opel Corsa auch wieder nicht.»

Doch wie geht es weiter mit Sunny Cars? Waren es 2019, im erfolgreichsten Jahr der Unternehmensgeschichte, über 830'000 Mietwagen-Buchungen, die eingingen, reduzierte sich diese Zahl im ersten Krisenjahr auf 200'000 – wobei da noch die ersten vier Monate auf Normalbetrieb liefen. «Wir haben uns erneut 200'000 Buchungen vorgenommen», sagen die beiden Firmeninhaber, «doch, who knows», es sei noch völlig unklar, wie die nächsten Monate verlaufen werden und inwiefern das Sommergeschäft noch anziehen könnte.

«Unser grosser Vorteil», sagt Kai Sannwald, «wir sind keinen Banken oder Investoren Rechenschaft schuldig und müssen nicht irgendwelche Budgets stur einhalten». Und diese unternehmerische Freiheit ermöglichte nun auch die reaktionsschnelle Gründung einer vielversprechenden zweiten Firma.