Tourismuswelt

Claudio Cesarano, CEO von Linguista, ist trotz allem zuversichtlich für die Zukunft. Bild: HO

«Wir werden schlanker aufgestellt sein»

Claudio Cesarano, CEO von Linguista, geht nicht davon aus, dass die Reisebranche nach Pandemieende vor einem Boom steht, die Krise werde länger dauern. Dass sich die Leute aber auch künftig sprachlich weiterbilden wollen, zweifelt er nicht an. Linguista verzeichnet 400 Prozent mehr Online-Sprachschüler seit Pandemiebeginn.

Das Thema Online-Sprachkurse ist bei Linguista Sprachaufenthalte im Dauerhoch. Seit Beginn der Coronapandemie vor knapp einem Jahr wurde das Kurs-Angebot verzehnfacht. Die Anzahl an Online-Sprachschülern ist um 400 Prozent gestiegen. Nichtsdestotrotz bleibt auch die Nachfrage nach einem Zwischenjahr im Ausland im Trend. Linguista bietet dafür eine breite Auswahl an Sprachprogrammen an – beispielsweise in Verbindung mit einem Job oder Praktikum.

Online-Sprachkurse boomen. Bild: HO

Ausgebaut hat Linguista unter anderem den Bereich der Business-Kurse. Dazu gehören Englisch-Fachsprache-Angebote wie «Legal English», «Professional English» oder «Work & Career» sowie Chinesisch und auch Russisch. Die Vorteile des Online-Lernens sind dabei vielfältig. So können die Teilnehmer ihr Programm beispielsweise bei den Chinesisch-Kursen ganz individuell zusammenstellen. Die Schule bietet Einzel- oder Gruppenkurse um jede beliebige Zeit an, 24 Stunden am Tag. Der Einstieg ist jederzeit möglich und auch die Qualität der Lehrpersonen ist garantiert. Denn Linguista arbeitet auch beim E-Learning mit den Lehrern und Lehrerinnen der Partnerschulen vor Ort zusammen. Die Teilnehmenden aus aller Welt sind untereinander und mit der Lehrperson per Video in Kontakt und können sich jederzeit persönlich austauschen. Zum Einsatz kommen Tools wie Zoom oder Microsoft Teams. Was Claudio Cesarano zur aktuellen Lage und der Zukunft meint erfahren Sie im untenstehenden Interview.


Herr Cesarano wie würden Sie das vergangene Jahr resümieren?

Claudio Cesarano: Ein absolutes Krisenjahr mit noch nie da gewesenen Herausforderungen an alle Unternehmen – vor allem in den Härtefallbranchen, wie sie die Reisebranche eine ist. Mit über 80 Prozent Umsatzeinbussen ein KMU mit über 80 Mitarbeitern erfolgreich zu steuern, hat viel abverlangt. Das vergangene Jahr war von Enttäuschungen, Frustration aber auch von Hoffnung auf eine Wiedereröffnung der Welt geprägt.

Was waren die grössten Herausforderungen?

Einerseits den Mitarbeitern trotz unmöglicher Planbarkeit eine Perspektive und eine gewisse Sicherheit zu geben, andererseits die plötzliche Umstellung auf die digitalen Kanäle. Wir sind im Reiseverkauf tätig und ein einfacher Online-Shop funktioniert in unserem Geschäft nicht. Kleine Teams, die plötzlich nicht mehr zusammenarbeiten. Liquiditätsängste, da alle Kunden innert kurzer Zeit eine Rückerstattung wollen. Rückforderungen von Partnern, allen voran den Airlines, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Politische Unsicherheiten betreffend Unterstützungshilfen und nicht zuletzt die Neustrukturierung von Prozessen zur Beschleunigung der Digitalisierung. Aber die grösste Herausforderung war sicher, der ganzen Mannschaft Zuversicht zu vermitteln.

Wie hat sich Ihre Firma dadurch gewandelt?

Wir haben grosse Fortschritte in der Digitalisierung gemacht. Wir sind näher zusammengerückt und arbeiten vermehrt abteilungsübergreifend. Wir mussten noch strikter fokussieren und unsere Produkte überdenken, da viele unserer Partner leider in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind oder gar Konkurs anmelden mussten. Wichtige Vertriebspartner aber auch Partner vor Ort mussten schliessen und stehen uns für unsere Programme darum nicht mehr zur Verfügung. Zusätzlich mussten wir neue Produkte entwickeln und neue Kooperationen eingehen. Ein grosser Vorteil für uns ist, dass wir mit der Globetrotter Group einem solventen Mutterhaus angeschlossen sind und ein wichtiger Aktionär eingestiegen ist, der bewusst auf die Zukunft der Gruppe setzt.

«Von unseren rund 400 Partnern weltweit sind ungefähr 20 Prozent akut gefährdet»

Hat sich die ganze Branche verändert?

Die Branche hat sich sicherlich gewandelt, was aber erst in diesem Jahr zum Tragen kommt. Welche Anbieter wird es noch geben? Wie sieht die Aufstellung des Branchenverbandes aus und müssen wir auch mehr politischen Einfluss ausüben können in Zukunft? Wie werden die Kundengelder in Zukunft abgesichert und welche Unternehmen sind verpflichtet, sich abzusichern? Wie kann man Gesetze wie z.B. das Pauschalreisegesetz anpassen? Diese Fragen werden in diesem Jahr sicherlich Folgen der Krise sein.

Gibt es positive Entwicklungen bei Technologien, Produkten, Arbeitsweisen?

Wir gewichten vermehrt Produkte, die durch die Krise Aufwind bekommen haben. Wir setzen noch mehr auf digitale Kommunikationsmittel intern für Sitzungen und Mitarbeiterbefragungen sowie auf zentralisiertes und abteilungsübergreifendes Arbeiten. Homeoffice ist in einzelnen Abteilungen als Standard möglich, dasselbe gilt für Jahresarbeitszeitkonten etc.

Ihr Ausblick in die Zukunft?

Ich bin zuversichtlich. Es wird länger dauern, als wir uns das je hätten vorstellen können. Die Liquidität muss gesichert sein, und Unterstützung muss gesprochen werden für eine Branche, die ganz unverschuldet in diese Misere geraten ist. Wir werden schlanker aufgestellt sein, denn bald ist die Kurzarbeit vorbei und der ersehnte Boom wird ausbleiben. Denn der Tourismus muss zuerst wieder raufgefahren werden. Airlines müssen die Kapazitäten langsam erhöhen. Die Frage Impfung versus Test ist noch nicht geklärt, denn auch mit einer Impfung weiss man noch nicht sicher, ob man Ansteckungen verhindern kann. Die Diskussion über eine Zwei-Klassen Gesellschaft – jene, die reisen und diejenigen, die nicht reisen dürfen – wird auch noch auf uns zukommen. Viele Leistungsträger vor Ort werden nicht überleben und die Infrastruktur weltweit wird nicht im Nu wiederhergestellt sein. Dieses Jahr werden wir wahrscheinlich ab September wieder reisen können. 2022 werden wir hoffentlich wieder erfolgreicher sein und per Ende 2023 sind wir wieder näher an 2019 dran. Ungewiss ist auch, ab wann Gruppen wieder sorglos reisen können oder dürfen.

Wie verändert sich das (Sprach-)Reiseverhalten? Was stellt man jetzt verstärkt fest?

Sprachreisen werden immer gefragt sein. Die Art des Reisens wird sich ändern, da man nachhaltiger und länger reisen will – das heisst mit einem zusätzlichen Erlebnis wie Arbeiten und Reisen oder einem ganzen Studium im Ausland. Auch die jungen Teenager werden wohl durch das Homeschooling einen Bedarf haben, ihre Sprachkenntnisse intensiv zu verbessern. Privatkurse werden gefragt sein. Im Businessbereich werden Online-Sprachkurse salonfähiger.

Haben junge Erwachsene jetzt eine (Sprach-)Bildungslücke?

Die Motivation, Französisch oder Englisch nun auch noch online zu lernen, ist nicht sehr hoch. Junge Erwachsene haben ein enormes Manko an Austausch und ihnen fehlt das Zusammensein mit Freunden. Deshalb sind Bildungsreisen sicherlich eine sehr gute Möglichkeit, nicht nur, um eine eventuelle Bildungslücke, sondern auch um eine soziale Lücke zu schliessen.

Wie geht die Generation 50+ mit der Situation um?

Unsere 50+-Generation kann es kaum erwarten, ihre Reise endlich anzutreten. Ein grosser Teil unserer Kunden hat bereits zum vierten Mal umgebucht, da sich die Situation vor Ort immer wieder änderte, und sie nicht reisen konnten. Annullationen haben wir in diesem Bereich kaum. Unsere Community ist sehr treu und freut sich einfach auf den Moment, wenn es wieder losgeht. Sie vertrauen auf unser Gesundheitskonzept und die Sicherheit, die wir vor Ort bieten.

Sind die Sprachschulen vor Ort krisenresistent?

Je nach Land oder Unterstützung vor Ort ist dies weltweit sehr unterschiedlich. Aber es ist so, dass viele Sprachschulen seit nun fast einem Jahr keine neuen Studenten haben. Die Mieten der Schulgebäude machen den Sprachschulen vor Ort am meisten zu schaffen. In Grossstädten können Mieten je nach Grösse der Schule 50‘000 bis 80‘000 Franken pro Monat oder mehr betragen. Ohne Studenten und Reserven oder Unterstützung wird dies nicht funktionieren. Wir sind in engem Kontakt mit den lokalen Organisationen und kennen unsere Schuldirektoren persönlich. So können wir das Risiko sehr gut einschätzen und mussten unser Programm leider anpassen. Von unseren rund 400 Partnern weltweit sind ungefähr 20 Prozent akut gefährdet. Wichtig ist, dass die Einreisebestimmungen gelockert werden können, ohne die Sicherheit und Gesundheit der Studenten zu gefährden.

(TN)