Tourismuswelt

Corona ist nicht der Todessstoss für alle Reiseführer. Aber wohl für ziemlich alle, die wir bisher hatten. Bild: Internaut

«Nach Corona müssen alle Reiseführer neu geschrieben werden»

Andreas Güntert

Was Corona für die Welt der Reisebücher und Reiseführer heisst, schildert Reisebuch-Autor Tobias Büscher im Interview.

Was bedeutet die Pandemie für Reisebücher? Mit wem spricht man am besten, wenn man die Bedeutung dieser elenden Pandemie für das Genre des Reisebuches erahnen will? Nun, wohl am besten mit einem Reisebuchautor. Zu einem solchen Gespräch hatte ich kürzlich Gelegenheit. Tobias Büscher – zu seiner Vita und Werk siehe ganz unten – hat sich da nämlich so seine Gedanken gemacht. Der deutsche Reisebuchautor malt nicht gerade schwarz. Aber dunkelweiss ganz bestimmt.

Tobias Büscher, was bedeutet Corona für einen Reisebuch-Autoren?

Es bedeutet ganz verschiedene Dinge. Leider selten etwas Gutes. Erst kürzlich erhielt ich einen Input von meinem Verlag. Die Botschaft war: Wir Autorinnen und Autoren können nicht damit rechnen, dass all die Bücher, die wir in Vorbereitung und teils schon verfasst haben, tatsächlich erscheinen werden.

Was ist hier der konkrete Einfluss der Pandemie?

Ganz einfach: Corona lässt die Reisebücher rasend schnell veralten. Was aktuell noch in der Pipeline ist, stimmt in vielen Fällen so nicht mehr. Ein konkretes Beispiel aus meinem jüngsten Buch über Galicien und den Jakobsweg, das erst kürzlich erschienen ist: Viele der kleinen Läden und Restaurants an der Strecke haben wegen Corona Pleite gemacht – oder werden es noch machen. Auch deshalb, weil es in Galicien für solche Betriebe keine Staatshilfe gibt.

Tobias Büscher, hier auf galicischem Open-Air-Parkett mit seiner Tochter. Bild: TB

Das beeinflusst aber nur den Service-Teil der Bücher. Ändern sich auch andere Dinge?

Leider ganz bestimmt. Auch das ganze Open-Air-Leben, die Feste und Familienzusammenkünfte draussen, all das, was die Gegend so speziell macht, ist wegen der Pandemie zum Stillstand gekommen. Etwa die beliebten Wildpferd-Treibjagden, die nun wegen der Abstandsregeln nicht stattfinden können. Immerhin haben so die Wildpferde für einmal etwas Ruhe….

Reisebücher müssen ja nicht nur Service und Hinweise vermitteln, sie können auch einfach zum Lesen anregen und das Fernweh stillen oder neu entfachen.

Für den Magazinteil eines Reisebuches oder Reiseführers stimmt das ganz bestimmt. Etwa in der Art, wie auch ein Kochbuch funktioniert. Aber für die Zukunft reicht das nicht. Nach Corona müssen alle Reiseführer neu geschrieben werden.

«Die Reisebuch-Verlage müssen über Online-Konzepte in Verbindung mit den Büchern nachdenken.»

Wie meinen Sie das?

Erstens einmal, weil viele Details, Tipps und Schilderungen nicht mehr stimmen. Aber es gibt auch eine wirtschaftliche Seite. Den Reisebuch-Verlagen ging es lange gut. Was sie bisweilen etwas schläfrig gemacht hat. Mit der Gefahr, dass sie am eigenen Erfolg kaputtgehen.

Was muss geschehen?

Die Reisebuch-Verlage müssen dringend aufwachen und über Online-Konzepte in Verbindung mit den Büchern nachdenken.

Das gab es bisher schon: Man kauft ein Buch und erhält damit einen Online-Link mit weiterführenden und aktuellen Angaben.

Ein guter Ansatz – aber das reicht heute nicht mehr. Wenn die Verlage die Zukunft nicht verschlafen wollen, muss das Reisebuch oder der Reiseführer mit neuen Bezahlinhalten weiter gedacht werden. Etwa in Verbindung mit Video-Beiträgen, die sich Leserinnen und Leser im Homeoffice anschauen können. Oder in Kombination mit interaktiven Landkarten, welche die Leser gleich selber ansteuern können. Was dann natürlich auch ganz neue Anforderungen an die Autorinnen und Autoren stellt.

Sehen Sie schwarz für den gedruckten Reiseführer?

So heftig ist es nicht. Corona ist nicht der Todesstoss für Reiseführer. Wenn es gelingt, Wesen und Möglichkeit von Reiseführern neu zu denken und so umzusetzen, dass die Leute bezahlen dafür, dann gibt es eine Zukunft. Gänzlich skeptisch bin ich übrigens auch nicht für die Menschen in Nordspanien: Es gibt eine Seele der Menschen, die nicht kaputtzubringen ist. Zum Glück.


Tobias Büscher.

Zur Person: Tobias Büscher, 56, ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Hauptberuflich ist er Dozent für Wissenschaftsredaktion, Journalismus und Onlineredaktion am Kölner mibeg-Institut Medien. Seinen ersten Guide hat Büscher mit 27 für den Reise Know-How Verlag über Madrid verfasst. Seither sind weitere Reiseführer hinzugekommen; Büschers Spezialgebiete sind Madrid, Nordspanien und Köln, wo er lebt.