Tourismuswelt

Sieht aus wie ein Schwangerschaftstest und soll innert 15-30 Minuten klare Resultate liefern: Der SARS-Cov-2-Antigen-Test von Roche. Bild: Screenshot Roche-Dokumentation

Wie schnell kommen die ersehnten Schnelltests?

Covid-Schnelltests werden allgemein als bestes Mittel betrachtet, um endlich eine gewisse Planbarkeit und Normalität in den (Reise-)Alltag zurückbringen zu können. Allerdings dürfte es bis zu deren Einsatz auf breiter Basis noch ein Weilchen dauern.

Heute Nachmittag wird das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wohl wieder eine neue Version der Risikoländerliste veröffentlichen. Wohl wissend, dass mit den stets wechselnden Quarantäneverordnungen grosse Planungs-Unsicherheit geschaffen wird, was Privat- wie auch Geschäftsreisende trifft und die Luftfahrt-, Kreuzfahrt- und Reisevermittlungsbranchen massiv in Mitleidenschaft zieht. Kein Wunder, setzen sich diese Branchen seit Wochen nach Kräften für andere Lösungen ein, welche eine vernünftige Reiseplanung ermöglichen, ohne den Fokus auf die Volksgesundheit aus den Augen zu lassen. Die Swiss etwa will Schnelltests bald einführen, gemeinsam mit den Partnern der Lufthansa Group; Swiss-CCO Tamur Goudarzi Pour hielt im Travelnews-Interview unmissverständlich fest: «Ohne Testing statt Quarantäne werden wir kurzfristig die Kapazitäten nicht wieder deutlich erhöhen können.» Gleich tönt es bei Kreuzfahrtgesellschaften. MSC-CEO Pierfrancesco Vago erklärte diese Woche vor den Ministern der G20, dass es universelles Testing brauche, um die globale Mobilität wieder auf Vordermann zu bringen.

Etwas Abhilfe gab es bislang mit den universell anerkannten PCR-Tests. Dabei werden Abstriche aus Mund/Nase/Rachen abgenommen und in einem Gerät Gensequenzen des Virus nachgewiesen (oder eben nicht). Der reine Labornachweis dauert zwischen vier und fünf Stunden. Der gesamte Prozess dauert länger: Von der Probenentnahme bis zu den vorliegenden Ergebnissen vergehen insgesamt zwischen 24 und 48 Stunden. Und darin liegt ein Problem. Man muss nämlich jeweils eventuell in Mini-Quarantäne warten, bis die Ergebnisse vorliegen, oder wenn ein negativer Tests verlangt wird, der nicht älter als 48 oder 72 Stunden sein darf, muss zwischen Test und Reise sorgfältig geplant werden. Ein Problem etwa bei Abflügen am Montagmorgen, da viele Labors am Sonntag geschlossen sind... Und noch etwas: Die Laborkapazität ist aufgrund der steigenden Testbedürfnisse mancherorts schon am Limit angelangt.

Deshalb liegt der Fokus nun auf Schnelltests. Dort liegen Resultate schon nach 15-30 Minuten vor, wie Travelnews bereits berichtete. Die grosse Frage lautet hier jedoch: Wie und vor allem wie schnell sind solche Tests in der Breite einsatzfähig?

«Es dürfte noch einige Monate dauern»

Wie so oft kommt die Abhilfe wohl nicht so schnell wie von vielen erhofft. «Ich rechne damit, dass Schnelltests in der Breite erst ab dem 2. Quartal 2021 verfügbar sind, mit Glück vielleicht noch im Verlauf des 1. Quartals», erklärt Roland Zeller, Chaiman von Viselio. Das von seinem Sohn lancierte Unternehmen ist auf die Beschaffung von Reisedokumenten und damit zusammenhängend von Corona-Tests spezialisiert. Zeller zufolge habe Viselio in den vergangenen Wochen intensiv versucht, an Schnelltests für den Vertrieb heranzukommen - allerdings ohne Erfolg.

Aktuell gibt es lediglich zwei Firmen, welche zertifizierte Antigen-Schnelltsts anbieten: Die amerikanische Abbott und die Schweizer Roche - deren Produktion der Antigen-Schnelltests allerdings in Südkorea erfolgt. Das Problem: Abbott produziert ausschliesslich für den US-Markt und auch die Hälfte der Roche-Produktion geht zunächst in den US-Markt. Bei 40 Millionen Schnelltests, welche Roche Zeller zufolge bislang produziert hat, verbleiben also rund 20 Millionen für den europäischen Markt. Damit dürften für die Schweiz vorerst lediglich ein paar Hunderttausend Tests vorliegen. Diese werden zunächst an Spitäler und Altersheime ausgeliefert, die in der Priorität höher stehen als Ferienreisende. Kommt hinzu, dass die Tests bislang nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden dürfen, also als Selbsttests noch nicht zugelassen sind.

Roche hat zwar angekündigt, die Produktion im soeben begonnenen 4. Quartal 2020 verdoppeln zu wollen. Doch selbst dies wird kaum genügen: «Um allein an Schweizer Flughäfen in der Breite testen zu können, braucht es viel mehr Schnelltests, als aktuell verfügbar - und eben, nebst dem medizinischen Bereich beanspruchen auch die Incoming- oder Event-Branchen einen Teil der Schnelltests für ihre eigenen Bedürfnisse», gibt Zeller zu bedenken, «es dürfte also noch einige Monate dauern.» Rechnerisch merkt man die Limiten schnell: Geht man von aktuell 30 Flügen mit 100 Passagieren pro Tag am Flughafen Zürich aus, sind allein dort schon 3000 Tests täglich nötig, oder 90'000 im Monat - sollte das Flugvolumen wieder steigen, wird der Testbedarf noch viel höher. Zum Vergleich: Die mit den Tests am Flughafen Frankfurt beauftragte Firma Centogene hat im Zeitraum 15.07.-29.09.2020 insgesamt rund 155'000 Tests durchgeführt, und dies bei massiv reduziertem Flugaufkommen, und eben nur in Frankfurt. Damit ist klar, dass der Bedarf in ganz Deutschland enorm viel grösser wäre - und folglich die 20 oder auch 40 Millionen Tests von Roche nirgendwohin reichen.

Weitere Unternehmen wollen Tests lancieren

Doch noch ist nicht aller Tage Abend, denn Roche und Abbott sind zwar die einzig zertifizierten Firmen mit Covid-Antigen-Schnelltests, aber beileibe nicht die einzigen, die in der Produktion sind. «Es gibt im EU-Raum mehrere Firmen und Startups, welche an der Entwicklung ähnlicher Tests dran sind oder gar schon in Bewilligungsverfahren dafür sind», gibt Zeller zu bedenken. Möglich, dass etwa die Lufthansa Group mit solchen Firmen auf eine Zertifizierung hin arbeitet und nicht auf die Roche-Produktion wartet; aktuell gibt sich die Airline mit Details zu den Testing-Bemühungen noch recht bedeckt.

Dazu kommt noch der Umstand, dass Roche selber an diversen «Testmethoden» arbeitet. Und es muss ja noch das Problem gelöst werden, wie Schnelltests auch an Flughäfen schnell und sicher durchgeführt werden können, ohne dass man dafür Armeen von medizinischem Personal anstellen muss. Natürlich gibt es auch noch die Möglichkeit, dass das Testing eben nicht generell durchgeführt wird. Ohne Symptome machen Tests nur bedingt Sinn; innerhalb zumindest des Schengen-Raums müsste es auch genügend Koordination geben, dass jemand nicht bei jedem Event und jedem Grenzübertritt einen neuen Test machen muss. Und dann gibt es noch das Problem der Statistik: Der Anteil an falsch-positiven Ergebnissen steigt an, je tiefer das Infektionsrisiko liegt. Dieses Problem muss auch adressiert werden.

Wie auch immer die Tests letztlich durchgeführt werden: Sie sollten schnell, zuverlässig und «konsumentenfreundlich» sein und in grossen Mengen rasch produzierbar. Die Produktionskapazitäten sind entscheidend, wenn man davon ausgeht, dass alleine für den Schengen-Raum täglich Millionen solcher Tests verfügbar sein müssten. Die Einsetzbarkeit in der Breite wird, wie oben dargelegt, sicher noch eine Zeit lang dauern. Zeit, welche die Reisebranche kaum noch hat.

(JCR)