Tourismuswelt

Grün reisen ist möglich: «Fairunterwegs» ist an der Schnittstelle zwischen Tourismus und Umweltschutz und will diese Rolle künftig noch besser ausspielen. Bild: AdobeStock

«Wir wollen uns verstärkt in die Tourismus-Diskussion einmischen»

Jean-Claude Raemy

Die Organisation «Fairunterwegs» modernisiert ihren Auftritt und will im kommenden Jahr verstärkt helfen aufzuzeigen, wie Tourismus mit Nachhaltigkeitszielen vereinbart werden kann. Wir haben dazu mit Geschäftsführer Jon Andrea Florin gesprochen.

Jon Andrea Florin

Zum Jahresbeginn 2020 übernahm Jon Andrea Florin beim Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (AKTE) die Geschäftsführung von der langjährigen Chefin Christine Plüss. Nun hat er gleich einen Namenswechsel durchgebracht: Nach 43 Jahren verschwindet der Name «Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung» und wird durch den zuvor schon im Vereinsnamen eingeführten Plattform-Namen «fairunterwegs» ersetzt.

Zum Namenswechsel erklärt Florin gegenüber Travelnews: «Der Begriff Arbeitskreis klingt nach einem in sich geschlossenen Projekt. Wir wollen uns aber öffnen, für weitere Mitglieder wie auch für Interessenten. Wir wollen uns verstärkt in die Tourismus-Diskussion einmischen und aufzeigen, was falsch läuft, wie man nachhaltig reisen bzw. Reisen anbieten kann, und wie Tourismus im Einklang mit ökologischen Zielen möglich ist.» Der Arbeitskreis hat jahrelang hartnäckig Fehlentwicklungen des Tourismus wie Kinderarbeit, Ressourcenverschleiss oder Sextourismus aufgezeigt. Dazu diente ihm ab 2006 die Internet-Plattform fairunterwegs.org; der Plattform-Name floss ab 2016 in die Organisation ein, die seitdem unter dem Namen «fair unterwegs – arbeitskreis tourismus & entwicklung» dazu beitrug, dass Nachhaltigkeit im Tourismus in die Tourismusausbildung und in den aktiven Wortschatz der Profis gehört. Doch der Name ist lang, und so geht es nun unter dem kurzen, einprägsamen und selbsterklärenden Namen «fairunterwegs» darum, verstärkt zum Handeln anzuregen.

Für die Namens- und Statutenänderung war übrigens eine ausserordentliche Mitgliederversammlung nötig. Eigentlich wollte man dies bereits im Rahmen der normalen Mitgliederversammlung durchbringen, doch wurde diese im Juni Corona-bedingt nur online abgehalten, weshalb auch das übliche Rahmenprogramm entfiel. Am 30. September konnte man sich nun «live». aber mit Maske, treffen und über die Namensänderung ordentlich abstimmen. Der Entscheid fiel einstimmig aus. Und im Anschluss an diesen Entscheid gab es einen Info-Talk zum Thema «Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung im Tourismus – geht das zusammen?» - eine Studie zur Auswirkung der Plattformwirtschaft im indischen Tourismus, mit Präsentation von Antje Monshausen (Tourism Watch von Brot für die Welt, Berlin).

Präsenz markieren im Interesse der Nachhaltigkeit

Man sieht es anhand der Themen: «Fairunterwegs» ist mit seiner Position an der Schnittstelle zwischen Tourismus und Nachhaltigkeit im Herzen einer ganz wichtigen Auseinandersetzung. Das ungebremste Tourismuswachstum der letzten 10 Jahre führte bekanntlich schon 2018 zum Begriff «Overtourism» und es wurde zunehmend wichtig, sowohl für Reise-Anbieter als auch -Konsumenten, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, wie man Tourismus und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang bringen kann.

Diese Diskussion soll auch weiterhin geführt werden. Florin weiss, dass 2020 wegen Corona das Thema Nachhaltigkeit in den Hintergrund geriet: «Reiseunternehmen müssen jetzt primär ihr Geschäft retten und setzen sich sicherlich weniger mit unseren Themen auseinander als auch schon. Aber es gibt einerseits weiterhin das Kundenbedürfnis nach nachhaltigen Reisen, und angesichts klarer Klimaziele auch weiterhin die Frage, wie Reiseangebote nachhaltiger gestaltet werden können. Diese Diskussion verschwindet nicht, sie ist aktuell nur etwas nebensächlicher, wird aber bald wieder im Vordergrund sein.» Mehr denn je, ist man gewagt zu sagen, denn die Zäsur im Tourismuswachstum hat sicherlich auch manchem die Augen geöffnet hinsichtlich Alternativen, in denen weniger oft und bewusster gereist wird. Also genau Punkte, bei welchen «Fairunterwegs» beratend zur Stelle sein will.

Laut Florin wird die Organisation ihren Web-Auftritt weiter modernisieren und auch in sozialen und klassischen Medien versuchen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und Fragen zu beantworten. Deren gibt es genug, zu Themen von Fairness im Tourismus über «Wie ist man fair unterwegs?» bis hin zur Frage über den Nutzen von nachhaltigem Reisen.

Florin erinnert daran, dass auch trotz Corona die Nachfrage nach Fairtrade- und Bio-Produkten im Lebensmittelbereich nicht zurückgegangen ist. Beim Tourismus geht er von derselben Entwicklung aus: Spezifisch und bewusst nachhaltig reisen wohl nach wie vor nur rund 3 Prozent der Urlauber, eine Sensibilität für Nachhaltigkeits-Themen gibt es aber bei über 30 Prozent der Reisenden. Das bleibt trotz Corona so oder könnte sich noch nach oben verbessern. Gerade deshalb sei es wichtig, nun Präsenz zu markieren. Dafür sei «Fairunterwegs» bereit.