Tourismuswelt

Schnelltests statt ausufernde Quarantäneregeln fordert die Reiseindustrie von den Behörden. Bild: Medakit ltd

Die Reiseindustrie erhöht den Druck auf die Behörden

Kampf den Quarantäneverordnungen: der SRV schreibt dem BAG, Bentour unterstützt eine Reisende vor Gericht und Airline-Verbände. Weiter fordern drei Reiseprofis, dass Kunden einen Teil der Stornogebühren übernehmen müssen.

Vorübergehend machten die Reisesperren, Grenzschliessungen und Quarantänelisten vielleicht Sinn, doch kann dies unvorstellbar so weitergezogen werden, bis die Pandemie überstanden ist. Es muss schnellstens eine andere Lösung gefunden werden, statt grundsätzliche Quarantänepflicht bei Rückkehrern aus Risikoländern durchzuziehen. Seit einigen Wochen steigen die Infektionszahlen in fast allen europäischen Ländern wieder und es ist paradox, dass Reisende in Quarantäne geschickt werden, wenn sie von Risikoländern heimkehren, wenn das eigene Land selbst als Risikoland gilt, weil die Infektionsrate so hoch ist.

So werden verständlicherweise die Stimmen der Reisebranche immer lauter, dass doch getestet werden soll, statt Rückkehrer in Quarantäne zu stecken. Der Schweizer Reise-Verband (SRV) machte mit einer Forderung an den Bundesrat weiter Druck. Auf einer A4-Seite wird klar die Ausgangslage, die Vision, die Voraussetzungen und die Forderung der Reisebranche an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und den Bundesrat geschildert. «Der Wegfall der Quarantänepflicht beim Nachweis eines aktuellen, negativen Covid-Tests soll bilateral erfolgen», lautet beispielsweise ein Teil einer Voraussetzung des SRVs. Somit will der Schweizer Reise-Verband «massiven Verlust von Arbeitsplätzen und nachweislichen volkswirtschaftlichen Schaden entgegenwirken.» Die Reise- und Buchungslust soll durch die Aufhebung der Quarantänepflicht bei einem negativen Testergebnis wieder angekurbelt werden. Auch die Airline-Industrie hat sich heute hierzu mit einem Schreiben an die EU gewandt.

Auch in Deutschland wird vorwärts gemacht

Auch Bentour Reisen – mit Sitz in Zürich und Standbeinen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden – setzt sich mit eigener Kraft dafür ein, dass Rückkehrer nach Deutschland sich nicht in Quarantäne begeben müssen, wenn sie einen negativen PCR-Test vorweisen können. In Deutschland ist es nämlich zurzeit so, dass in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Rückkehrer aus den türkischen Provinzen Aydin, Izmir und Muğla und Antalya trotz des bilateralen Abkommens zwischen der Bundesregierung und der Türkei, dass bei negativem Testergebnis Quarantänefreiheit gilt, weiter in Quarantäne gegangen werden muss.

Bentour-Reisen-CEO Deniz Ugur sieht darin eine unverhältnismässige Einschränkung der Reisenden und will diese Regelung nun geprüft wissen. Gemeinsam mit einem für Verwaltungsrecht spezialisierten Anwalt aus Schleswig-Holstein übernimmt Bentour Reisen die Vertretung des aktuellen Falls der Reisenden Sabine L. aus Schleswig-Holstein, die sich nach Rückkehr aus Antalya trotz negativem Test seit gestern in Quarantäne befindet. Alle anfallenden Kosten übernimmt Bentour Reisen selbst.

Insbesondere auch in Hinblick auf die ab Oktober/November bevorstehende bundesweite Neu-Regelung der Teststrategie/Quarantäneregelungen hat Bentour Reisen beschlossen, jetzt selbst aktiv zu werden. «Die geplante Neu-Regelung ist Gift für die gesamte Touristik», sagt Ugur, «Hygiene- und Sicherheitskonzepte, wie sie beispielsweise auch in der Türkei erfolgreich umgesetzt werden, ergänzt um eine umfangreiche Test-Strategie, sind aus unserer Sicht darüber hinaus zielführender als eine pauschal ausgesprochene Quarantäneanordnung».

Nicht nur Druck bezüglich Tests statt Quarantäne wird in Deutschland gemacht, auch wollen einige Reiseveranstalter, dass die Stornierungsbedingungen bei Pandemien angepasst werden. Die engagierten deutsche Reiseprofis, Jasmin Hornung von Traveljunkies, Stefanie Köpf von Perfect Round Golfreisen Weltweit und Daniela Köster von Genuss Touren haben hierzu eine Petition gestartet. Die Petition fordert, dass «die Kunden im Fall eines Stornos auf Grund von höherer Gewalt einen Anteil der Stornogebühren übernehmen».

Dieses Schreiben richtet sich an die EU-Kommission. Aktuell ist es so, dass laut der EU-Pauschalreiserichtlinie Reiseveranstalter den gesamten Reisepreis innerhalb von 14 Tagen erstatten müssen, wenn eine Reise aufgrund von unvermeidbaren aussergewöhnlichen Umständen nicht stattfinden kann. Durch die Reisebeschränkungen leidet die Tourismusindustrie enorm und das wird durch die EU-Pauschalreiserichtlinie 2015/2302 (2011/83/EU) verstärkt. Deshalb fordern die drei Reiseveranstalterinnen die Kommission in Brüssel auf, dass eine Klausel zur Höheren Gewalt inkludiert wird. Die Petition hat schon über 5'700 Unterstützende und es werden laufend mehr.

EU-Kommission will Reisebstimmungen aller Mitgliedsstaaten vereinheitlichen

Immerhin ist auf  EU-Kommissions-Ebene schon einiges passiert. Am 28. September 2020 haben sich die EU-Minister/-innen virtuell bei einem Call getroffen. Die EU-Kommission will gemeinsam mit allen 26 Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine einheitliche Corona-Reisebestimmung finden. Um dem Tourismus mehr Planungssicherheit zu geben, solle es für Risikogebiete, Reisewarnungen, Quarantäneregeln und Schnelltests eine gemeinsame Regelung geben, wie fvw.de schreibt. Nicht nur EU-Mitglieder sollen sich sodann an diese Regeln halten, auch Nicht-Mitgliedsstaaten – wie die Schweiz – sollen diese Vorschriften ebenfalls einhalten. Hierbei sollen die vier Farben: Grün, Orange, Rot und Grau helfen, Klarheit zu schaffen. Die Vorschläge lehnen sich an das bereits thematisierte Ampelsystem an.

Die Regionen der EU sollen in vier Farben unterteilt werden. Grün – problemlos bereisbar: Regionen welche die vergangenen 14 Tage weniger als 25 Menschen pro 100'000 Einwohner neu mit dem Covid-19 angesteckt wurden. Zudem muss der Anteil der PCR-Tests bei unter drei Prozent liegen. Orange – erhöhte Vorsicht: Neuinfektionen in den letzten 14 Tagen liegt bei unter 50 Personen pro 100'000 Einwohner, jedoch fallen die PCR-Tests in mehr als drei Prozent der Fälle positiv aus. Rot – gelten als Risikogebiet: Mehr als 50 Fälle pro 100'000 Einwohner in den vergangenen 14 Tage. Mehr als drei Prozent der Fälle fallen positiv aus. Zudem werden Regionen mit «Rot» gekennzeichnet, wenn sie mehr als 150 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner verzeichnen. Grau – nicht genügend Daten vorhanden: Aus diesen Gebieten liegen entweder keine Daten vor, womit sich die Risikolage nicht klar bestimmen lässt. Dasselbe gilt für Regionen, in denen kaum getestet wird (weniger als 250 Tests pro 100.000 Einwohner).

Somit gilt für Reiserückkehrer folgendes: Kommen Reisende aus einer Region die mit «Rot» oder «Grau» gekennzeichnet ist, gilt Quarantänepflicht. Jeweils donnerstags sollen alle 26 Mitgliedsstaaten ihre aktuellen Infektionszahlen der vergangenen 14 Tage an die EU-Kommission melden. Daraufhin werden die Regionen mit den entsprechenden Farben versehen.

(NIM)