Tourismuswelt

Die Details der Corona-Finanzhilfe für «vergessene Branchen» und Selbstständigerwerbende sind heute (23. September) geregelt worden.Bild: Claudio Schwarz

Räte regeln Hilfe für Selbstständige und Härtefälle

Die Details der Corona-Finanzhilfe für «vergessene Branchen» und Selbstständigerwerbende sind geregelt. Der Nationalrat hat am Mittwoch (23. September) dem Vorschlag der Einigungskonferenz deutlich zugestimmt. Und: Es gibt noch Hoffnung auf Erwerbsersatzgeld für die verlorenen Monate Juni bis September.

Bei der Vorlage handelt es sich um ein dringliches Bundesgesetz, das am Samstag (26. September) in Kraft treten soll und in weiten Teilen Ende 2021 wieder ausläuft. Der Bundesrat will mit der Vorlage die Corona-Notverordnungen, die er seit dem Frühjahr erlassen hat, wo notwendig in ordentliches Recht überführen. Das Parlament folgte zusammengefasst dem Credo: Was bisher möglich war, soll auch weiterhin möglich sein. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass bisher erst ein Bruchteil der vom Parlament gesprochenen ausserordentlichen Corona-Kredite ausgeschöpft worden ist. Das gilt insbesondere für den Erwerbsersatz.

Heute Nachmittag haben die Räte bezüglich Erwerbsersatzentschädigung der Selbstständigerwerbenden sowie Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung entschieden, wer genau anspruchsberechtigt ist. Ab sofort ist es möglich, sich für die Erwerbsersatzordnung, auch Rückwirkend auf den 17. September 2020, zu bewerben. Aktion Mayday hat bei Nationalrätin der GLP/BE, Melanie Mettler, nachgefragt.

Es gibt noch Hoffnung

Entgegen ersten Stellungnahmen ist die Erwerbsersatzentschädigung für die «verlorenen Monate» Mai bis September übrigens auch noch nicht vom Tisch. Wie der Schweizer Reise-Verband (SRV) informiert, hat Ständerat Hannes Germann heute nochmals auf die Ungleichbehandlung der Reisebranche gegenüber der Veranstalterbranche hingewiesen – obwohl dies nicht traktandiert war. Gemäss Aussagen und einer Stellungnahme von Bundeskanzler Walter Thurnheer wird das Anliegen jetzt zurück an den Bundesrat gehen. Details zur kurzen Debatte gibt es unter diesem Link.

«Das war in der aktuellen Konstellation das Maximale, was wir für die Branche noch erreichen konnten», schreibt der SRV. Es besteht also weiterhin Hoffnung, dass die Erwerbsersatzentschädigung nicht erst ab dem 17. September, sondern auch rückwirkend für die 3½  Monate (1. Juni – 16. September 2020) beantragt werden kann.

Präzisierungen zu Hilfsleistungen

National- und Ständerat haben darüber hinaus beschlossen, zusätzliche von der Corona-Krise betroffene Unternehmen und Selbstständigerwerbende zu unterstützen. Wer durch die Corona-Krise nur eingeschränkt arbeiten kann, soll staatliche Hilfe erhalten. Es geht um Betroffene, die etwa wegen Veranstaltungsverboten blockiert sind, sowohl Selbstständigerwerbende als auch Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung. Die Einigungskonferenz konkretisierte nun, wer genau anspruchsberechtigt sein soll. Als «massgeblich eingeschränkt» gelten demnach Personen, die in ihrer Unternehmung eine Umsatzeinbusse von mindestens 55 Prozent im Vergleich zum Umsatz in den Jahren 2015 bis 2019 haben. Der Bundesrat regelt die Höhe und die Bemessung der Entschädigung in einer Verordnung. Er orientiert sich dabei am selbstdeklarierten Erwerbsausfall der Betroffenen. Die Regelung soll nahtlos die vergangene Woche ausgelaufene Notverordnung ablösen und bis Ende Juni 2021 gelten.

Bei den Härtefallmassnahmen für Unternehmen der Event-, Reise- und Tourismusbranche und für Schausteller hat die Einigungskonferenz den Vorschlag des Ständerats übernommen. Demnach liegt ein Härtefall vor, wenn der Jahresumsatz unter 60 Prozent des mehrjährigen Durchschnitts liegt. Die gesamte Vermögens- und Kapitalsituation ist zu berücksichtigen.

Anspruchsberechtigt ist, wer nicht bereits andere Finanzhilfen erhalten hat

Der Bund wird nur tätig, wenn mindestens ein Kanton einen Härtefallantrag stellt und dieser sich zur Hälfte an der Finanzierung beteiligt. Anspruchsberechtigt sollen Unternehmen sein, die vor der Krise profitabel oder überlebensfähig waren und nicht bereits andere Finanzhilfen des Bundes erhalten haben. Ausgenommen sind Kurzarbeits- und Erwerbsausfallentschädigungen sowie Covid-Bürgschaftskredite. Möglich sind auch À-fonds-perdu-Beiträge. Es sei noch viel zu klären, sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr im Verlauf der Ratsdebatte. Beispielsweise fehle es noch an einem Finanzierungsgefäss. Die Verwaltung stehe vor einer grossen Herausforderung.

Die Räte haben dem Bundesrat jedoch verschiedene Grenzen gesetzt. Das Gesetz verpflichtet die Regierung zur Konsultation der Kantone, des Parlaments und der Sozialpartner, bevor neue Massnahmen erlassen werden. Andere Teile des Gesetzes gewährleisten Verfahren und Versammlungen in der Pandemie-Zeit, beugen Massenkonkursen vor oder erleichtern die Verteilung von Asylsuchenden. Das Parlament fügte dem Gesetz zudem noch einen Passus für Grenzgängerinnen und Grenzgänger hinzu, wonach der Bundesrat die notwendigen Massnahmen ergreifen müsse, um die Reisefreiheit der Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie der Einwohnerinnen und Einwohner zu gewährleisten.

Der Nationalrat stimmte mit 186 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Einigungskonferenz. Der Ständerat muss dem Anträgen noch zustimmen. Das gilt aber als Formsache. Ebenso unbestritten dürfte die Abstimmung über die Dringlichkeitsklausel sein, der noch beide Räte zustimmen müssen. Nach diesem Prozedere wäre das Covid-19-Gesetz bereit für die Schlussabstimmung vom Freitag.

(JCR/NWI/NIM)