Tourismuswelt

Blick auf Bern mit dem Bundeshaus im Vordergrund - auch die Reisebranche verfolgt gespannt, was in Bern abgeht. Bild: Nicolas Jossi

Ein klares Zeichen zugunsten der betroffenen Branchen

Jean-Claude Raemy

Der Nationalrat hat am Mittwoch dem Covid-19-Gesetz klar zugestimmt. Er sieht zudem weitergehende Wirtschaftshilfen vor als der Bundesrat - darunter auch für die Reisebranche. Heute kommt es zur Abstimmung im Ständerat. Die Reisebranche blickt einmal mehr gebannt nach Bern.

Die Herbstsession des Parlaments ist seit Wochenbeginn in vollem Gang und bislang wurden auch schon viele Themen debattiert, welche direkte Relevanz für die angeschlagene Reisebranche haben. Weil die Vorgänge in Bern komplex sind, versuchen wir hier die wesentlichen Vorgänge der letzten Tage im Überblick darzustellen.

Zentral ist das sogenannte «Covid19-Gesetz». Dabei geht es vereinfacht gesagt darum, dass der Bundesrat verschiedene per Notrecht erlassene Corona-Notmassnahmen, die auf sechs Monate befristet sind, ins ordentliche Recht überführen kann. Dafür braucht es die Zustimmung des Parlaments. Er möchte zudem in gewissen Bereichen weiterhin eigenständig über Massnahmen zur Bewältigung der Krise entscheiden können. Während einige Kritiker darin eine «Machtergreifung» der Exekutive befürchten, sind sich die meisten Politiker einig, dass dies die beste Vorgehensweise ist, um schnell Hilfe sprechen zu können. Das Parlament hat darüber hinaus Gelegenheit, das Gesetz anzupassen.

Dies ist bislang auch weitgehend im Sinne der Reisebranche passiert - nicht zuletzt dank dem unermüdlichen Einsatz von SP-Fraktionschefin Mattea Meyer, welche sowohl in einem Mayday-Branchencall als auch in einem «Kassensturz»-Beitrag am Schweizer Fernsehen viel Sachverständnis an den Tag legte. Sie forderte weitere Unterstützungsmassnahmen, denn der Gesetzesentwurf des Bundesrats sei insbesondere in einem Punkt mangelhaft: Die wirtschaftliche Existenz von zehntausenden Selbstständigerwerbenden sei nicht gesichert, obwohl diese unverschuldet in die Krise geschlittert seien. Die SP forderte deshalb zusätzliche Finanzhilfen, für die Veranstaltungs- und die Reisebranche. Die Erwerbsersatzentschädigung solle weitergeführt und teilweise ausgebaut werden. Kurzarbeitsentschädigungen seien für Angestellte auf Abruf oder mit befristeten Verträgen auszuweiten. Die SP stellte unter anderem die Verlängerung des Bürgschaftsprogramms für KMU und eine höhere Kurzarbeitsentschädigung zur Diskussion; das Büro des Nationalrats hat die beiden Interpellationen nun in dringliche Anfragen umgewandelt. Diese muss der Bundesrat bis zum Ende der Session schriftlich beantworten.

Ebenfalls positiv aufgefallen ist der neue Chef des Schweizer Tourismusverbands, Nicolo Paganini. Der Nationalrat hat einen neuen Artikel im Covid19-Gesetz verankert, der Härtefallmassnahmen für Unternehmen vorsieht. Er nahm am Mittwoch (9. September) einen Einzelantrag von Paganini mit 192 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Der Bundesrat hatte in den vergangenen Monaten mehrmals erwähnt, dass er mit den Kantonen nach einer Lösung für Härtefälle suche. Nach Ansicht der grossen Kammer soll der Bundesrat Unternehmen dann helfen können, wenn diese vor der Corona-Krise wirtschaftlich gesund waren und nicht schon von anderen Branchenlösungen profitieren. Konkret heisst es im Antrag von Paganini: «Die konkrete Ausgestaltung der Unterstützung mit der Definition des Härtefalls anhand von signifikanten betriebswirtschaftlichen Kriterien soll durch den Bundesrat auf dem Verordnungsweg erfolgen. Die Hilfe soll nicht mit der Giesskanne, sondern soweit möglich einzelfallbezogen erfolgen. Denkbar ist die Gewährung weiterer Darlehen. Da es um Härtefälle geht, sollen aber auch
A-Fonds-Perdu-Beiträge möglich sein.»

Ein von der «Taskforce Reisebranche» (SRV/STAR/TPA) in Zusammenarbeit mit Nationalrat Benjamin Roduit eingebrachter Antrag (Artikel 8a bis), der explizit die Reisebranche erwähnte, wurde im Nationalrat zugunsten des Antrages von Nationalrat Paganini zurückgezogen, welchem wie erwähnt zugestimmt wurde und der beim Bundesrat eine Chance zu haben scheint, wie Bundeskanzler Walter Thurnherr ausführte.

Zwei Anträge auf Nichteintreten beziehungsweise Rückweisung an den Bundesrat scheiterten im Nationalrat deutlich. Kommissionssprecherin Ruth Humbel sagte, dass der Bundesrat keine neuen Kompetenzen erhalte. Es gehe darum, notwendige Corona-Massnahmen bis Ende 2021, einzelne bis Ende 2022, weiterzuführen. Das Notrecht laufe kommende Woche aus.

Der Ball liegt jetzt beim Ständerat

Heute Donnerstag wird sich noch der Ständerat mit dem Covid19-Gesetz auseinandersetzen müssen - gemäss Sessionsprogramm erst am späteren Nachmittag. Auch der Antrag Paganini soll dort behandelt werden. Die Vorlage soll schnellstmöglich unter Dach und direkt in Kraft gesetzt werden. Würde die Vorlage in der Herbstsession abgelehnt, liefen nächste Woche – nach sechs Monaten – verschiedene Corona-Massnahmen aus. So würde etwa ein Teil der finanziellen Soforthilfe für die Wirtschaft erlöschen.

Im Vorfeld dieses Entscheids hat der Ständerat in einer ausserordentlichen Session am Mittwoch (9. September) fünf Motionen behandelt. Ein vom Nationalrat angenommener Vorstoss, der Hilfe für direkt betroffene Selbstständige für die gesamte Dauer der Corona-Massnahmen verlangt (diese läuft Mitte September aus), scheiterte im Ständerat, da dieser der Ansicht ist, dass sich die Motion erübrigt, weil das Anliegen ins Covid-19-Gesetz eingeflossen ist. Eine Motion von Marina Carobbio Guscetti (SP/TI) - sie verlangte unter anderem, dass Lernende, Mitarbeitende in arbeitgeberähnlicher Stellung und im Betrieb mitarbeitende Ehegatten weiterhin Kurzarbeitsentschädigung erhalten, da dieser Anspruch Ende Mai ausgelaufen ist - wurde ebenfalls abgelehnt, weil eben Bund und Kantone nach einer Lösung für Härtefälle suchten.

Es sollte davon ausgegangen werden, dass das Covid19-Gesetz auch im Ständerat durchkommt (im Nationalrat wurde es mit 144 gegen 35 Stimmen bei 16 Enthaltungen klar gutgeheissen), allerdings nicht ohne heftige Debatten über die konkrete Ausgestaltung, wie dies beim Nationalrat der Fall war. Heute Abend weiss man mehr. Es wird dann aber nochmals bis zum Ende der Herbstsession dauern, bis die beiden Kammern in der Beschlussabstimmung die definitive Ausgestaltung der Entscheide kommunizieren.

Mit der Annahme des Covid19-Gesetzes würden jedenfalls solide Grundlagen für finanzielle Hilfe geschaffen. Für die konkrete Umsetzung der Hilfen für Härtefall-Branchen dürfte es aber noch einmal Zeit brauchen. Immerhin sieht es aktuell danach aus, als ob die Reisebranche doch noch konkrete, besondere Unterstützung erhält.

«Es gibt einen Hoffnungsschimmer», sagte Präsident Max E. Katz an der heutigen SRV-Medienkonferenz. «Nach dem Nationalrat muss nun der Ständerat die Motion gutheissen, dann liegt der Ball beim Bundesrat. Das Problem ist, die Reisebranche benötigt die Hilfe jetzt. Doch das dürfte dauern in Bern. Falls die Hilfe erst im November oder Dezember kommt, ist dies für viele Reisebüros bereits zu spät.»

Weitere relevante Geschäfte im Überblick

  • Bereits letzte Woche hatte die Finanzkommission des Nationalrates beantragt, das gesamte neue Covid-19-Nachtragskreditpaket zu bewilligen. Wie diese «Nachtragskreditbotschaft IIb» aussieht, hatte Travelnews hier detailliert. Das Parlament hat dieses Kreditpaket inzwischen bewilligt. Damit ist beispielsweise der Einschuss von 150 Millionen Franken in das Eigenkapital von Skyguide gesichert.
  • Die Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung in der Corona-Krise treibt die Kosten für die Arbeitslosenversicherung (ALV) in die Höhe. Das Parlament bewilligte dafür im Juni 14,2 Milliarden Franken. Am Montag (7. September) hat der Nationalrat die gesetzliche Grundlage für die Zusatzfinanzierung gutgeheissen.