Tourismuswelt

Sunday Press So kippte der Bundesrat die Hilfe für die Reisebranche

Wirtschaftsminister Guy Parmelin strebte eine Ausweitung des Erwerbsersatzes auf Selbständige in der Reisebranche an. Er wurde abrupt gestoppt. – Chair-Kabinenpersonal muss Kürzungen hinnehmen und neu auch Flugzeuge putzen. – Der Lufthansa-Swiss-Stellenabbau könnte noch heftiger ausfallen.

Es ist nur noch eine Frage von Wochen, bis viele Reisebüros in der Schweiz ihren Konkurs anmelden müssen. Doch der Bundesrat schreckt davor zurück, der Reisebranche zu helfen. Zwar wurde der Rechtsstillstand bis Ende Jahr verlängert, doch von einer viel wichtigeren Hilfe wie der Ausweitung des Erwerbsersatzes für Selbständige in der Reisebranche, will die Mehrheit des Bundesrates nichts wissen.

Den Vorstoss von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der Reisebranche zu helfen, haben die anderen Ratsmitglieder gestoppt. Parmelins Wirtschaftsdepartement hatte gemäss dem «Sonntagsblick» schon vor der Bundesratssitzung vom Mittwoch eine Medienmitteilung vorbereitet, in der den Selbstständigen Unterstützung versprochen wurde. Das Schreiben sei indes vorschnell verfasst worden. Die Kritik im Bundesrat sei darauf massiv ausgefallen. Eine Mehrheit der Landesregierung wollte nichts wissen von einem solchen Vorstoss, schliesslich habe man nie ein Reiseverbot verfügt.

Einige Departementsvorsteher schreckte gemäss der Zeitung zudem die Vorstellung ab, dass der Bundesrat mit einer Sonderlösung für Reisebüros die Begehrlichkeiten anderer Branchen wecken könnte. Und die Erwerbsersatzordnung könne nicht für eine spezifische Branche allein verändert werden: Um der Reisebranche zu helfen, müsse eine separate Lösung gefunden werden. Das Wirtschaftsdepartement wiederum hielt seinen gescheiterten Plan für die schnellstmögliche Lösung. Auch übernächste Woche mit Beginn der Herbstsession (7. bis 25. September) sei kaum mit einer Einigung in der Regierung zu rechnen.

«Für die Branche ist es bereits fünf nach zwölf», sagt SRV-Geschäftsführer Walter Kunz. «Wir hätten uns vom Bundesrat mehr erhofft.» Und Kunz lobt den ausgearbeiteten, aber nun abgeschmetterten Ansatz, dieser wäre zügig umsetzbar gewesen. «Man muss wissen», erklärt Kunz im «Sonntagsblick», «dass 88 Prozent der Schweizer KMU-Reisebüros inhabergeführt sind.» Während sie für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen könnten, erhielten die Eigentümer seit Juni keinen Franken mehr. «Die Umsätze sind im Keller», betont er. Gleichzeitig falle durch die Umbuchungen viel Arbeit an. Die Reisebüros könnten daher nicht einfach schliessen. Kunz warnt: «Ohne zügige Unterstützung geht in absehbarer Zeit die Hälfte der Arbeitsplätze in der Reisebranche verloren.»

Reisebüro-Inhaber: «Habe noch 30 Franken Tageseinnahmen»

Die «Sonntagszeitung» hat sich die Probleme der Reisebüros gleich vor Ort angeschaut und Para Travel in Freiburg besucht. Inhaber Wolfgang Boschung klagt, dass er seit dem 1. Juni genau zwölf Reisen verkauft habe: die teuerste davon eine Zugreise samt Hotel für drei Personen nach Berlin. «30 Franken Tageseinnahmen, die neue Normalität», sagt Boschung, so etwas überlebe man nur mit Galgenhumor.

Seit Juni zahlt sich Boschung keinen Lohn mehr aus, lebt vom privat Ersparten. Als Selbstständiger in arbeitgeberähnlicher Stellung hat er kein Anrecht auf Corona-Erwerbsersatzentschädigung. Seine zwei Mitarbeiterinnen sind auf Kurzarbeit, eine davon quittiert im September ihren Job.

Tatenlos ist Boschung indes nicht: bei Para Travel ist er nach wie vor mit den 250 annullierten oder verschobenen Reisen aus dem Lockdown beschäftigt und bereits getätigte Zahlungen an Leistungsträger zurückzufordern. Dies sei eine Sisyphusarbeit: die Lodge in Südafrika, das Motorhome in Australien, der Tourguide auf Bali – mit allen muss verhandelt werden, teils zahlen sie in Gutscheinen.

Zu Neubuchungen sagt er: «Die Einreisebestimmungen ändern fast täglich, die Risikoliste ist ein Killer fürs Geschäft. Airlines annullieren willkürlich Flüge in den Systemen, Kunden bekommen Angst und wollen umbuchen – Arbeit zum Nulltarif.»

«Ich habe noch Cash bis Ende Jahr. Danach werde ich den Corona-Kredit brauchen müssen, um weiterzumachen.» Boschung will unbedingt durchhalten. Denn er ist überzeugt: Nach der Krise wird die Post abgehen im Reisegeschäft.

Swiss: Rückkehr zur Normalität erst 2024

Swiss-Verwaltungsrat André Blattmann spricht in einem «Sonntagsblick»-Interview über die aktuelle Situation bei der Airline: «Wir haben den Bankenkredit, für den die Eidgenossenschaft bürgt, und den Kredit der Lufthansa. Das ist eine riesige Unterstützung. So können wir den Flugbetrieb langsam hochfahren und die Schweiz wieder an die Welt anbinden, wobei das interkontinental noch sehr schwierig ist. Natürlich wollen wir den Kredit rasch wieder zurückzahlen.»

Auf die Frage, wie lange es dauere, bis wieder gleich viele Flugzeuge fliegen wie zuvor, sagt der ehemalige Armee-Chef: «Wir haben gegenüber unseren ersten Einschätzungen nochmals Zeit dazugegeben: Wir gehen jetzt davon aus, dass wir 2024 wieder da sind, wo wir mal waren. Bis Ende dieses Jahres sind wir voraus­ sichtlich bei der Hälfte unseres ursprünglich geplanten Angebots.»

Weiter räumt er ein, dass derzeit viele Geschäftskunden ausbleiben. Doch Blattmann glaubt an deren Rückkehr trotz weit verbreiteter Videokonferenzen: «Viele sehnen sich danach, ihre Gesprächspartner wieder physisch zu treffen.» Und zur leidigen Thematik der Rückerstattung angesprochen, sagt er: «Bis Ende August sollten alle Rückerstattungsanträge, die wir bis im Juni erhalten haben, abgearbeitet sein.»

Weitere 20'000 Stellen bei der Lufthansa Group in Gefahr

Nachdem die Swiss-Mutter Lufthansa im Juni bekannt gab, 22'000 Stellen abzubauen, stünden weitere Kostensenkungsmassnahmen im Raum, schreibt die «NZZ am Sonntag». Die Corona-Krise treffe die Luftfahrtbranche härter als bisher angenommen. Die Airlines des Lufthansa-Konzerns müssten deshalb schnellstens weitere Kostensenkungen vornehmen.

Zwei voneinander unabhängige Quellen bestätigen gemäss «NZZaS», dass die Lufthansa schon für September neue Sparmassnahmen ausgearbeitet habe, die bis zu 20'000 weitere Stellen kosten könnten.

Offen sei, wie stark die Schweizer Lufthansa-Töchter Swiss und Edelweiss von den Sparplänen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dank Staatskrediten seien sie im Moment gut finanziert. Nach der Aufhebung des Lockdown hat sich die Nachfrage nach Flugreisen aber nicht wie erwartet entwickelt. Die Nachfrage nach Flügen ist gegenüber 2019 um 95 Prozent eingebrochen. Unter diesen Voraussetzungen würden sowohl die Swiss wie auch ihre Muttergesellschaft Lufthansa den Sommer 2021 kaum überleben, sagt ein namentlich nicht genannter «Konzern-Insider». «Sommer 2021 ist das Ende der Startbahn für die Lufthansa-Airlines erreicht», sagt dieser. Wenn man bis dahin das Langstreckengeschäft nicht wieder einigermassen etabliert habe, sei das «praktisch nicht überlebbar».

Weiter ist im Artikel zu erfahren: bei der Swiss steht aktuell 60 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit und bis Ende Jahr werde sich daran nichts ändern.

Tieflöhne bei Chair

Das Kabinenpersonal der schweizerisch-polnischen Airline Chair muss gemäss «Schweiz am Wochenende» Lohnkürzungen hinnehmen und neu auch Flugzeuge putzen. Rund 100 Angestellte seien mit einer drastischen Lohnreduktion konfrontiert. Bis Mitte September müssten die neuen Verträge unterzeichnet werden – falls dies nicht getan werde, drohe eine Änderungskündigung. Die Rede ist von einem Netto-Lohn für Flight Attendants, der unter 2000 Franken liege. Neu abgezogen würde auch eine monatliche Gebühr fürs Flughafen-Parking von 120 Franken. Zudem müssten die Flight Attendants neue Aufgaben übernehmen und bei der Reinigung der Flugzeugkabine mithelfen.

Diesen Vorwürfen entgegnet Chair-CEO Shpend Ibrahimi, dass eine Flugbegleiterin der tiefsten Lohnstufe im 100-Prozent-Pensum brutto 3100 Franken verdiene, was branchenüblich sei. Im Pandemiemodus sinke der Lohn um 8 Prozent. Und dass Chair intern schlecht kommunziert habe, stimme nicht, es hätten monatliche Gespräche mit den Angestellten stattgefunden. Trotz der Lohnturbulenzen: Chair wird in Kürze den Sommerflugplan 2021 bekanntgeben.

Versteckte Preiserhöhungen in den Skigebieten befürchtet

Die Bahnen der Schweizer Skigebiete spielen für den Winter Szenarien durch, wie sie den Betrieb trotz Corona-Auflagen aufrecht erhalten können. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, müssen die Betreiber damit rechnen, dass die Schutzmassnahmen verstärkt werden. Ein Szenario seien Einschränkungen bei der Zahl der Gäste. Es blieben knifflige Fragen: Zum Beispiel, wer zuerst mitfahren dürfe oder was mit Stammgästen, die über eine Saisonkarte verfügten, geschehe. In den Leitungsgremien der Bahnen würden derzeit solche Fragen intensiv diskutiert.

Die «Sonntagszeitung» geht nun von einer versteckten Preiserhöhung aus angesichts von Dynamic Pricing und erklärt den Sachverhalt so: Für jede Preisstufe gibt es eine bestimmte Anzahl Tickets. Ist das entsprechende Kontingent aufgebraucht, werden die Billette zum nächsthöheren Preis verkauft. So schrauben sich die Preise der Bergbahnen immer weiter nach oben, bis das Maximum erreicht ist. Die Bahnen haben nun die Möglichkeit, die Kontingente für die tiefen Preiskategorien zu verkleinern, sodass der Maximalpreis schneller erreicht wird.

Es sei wohl nicht ganz falsch, anzunehmen, dass die Bergbahnen in der kommenden Saison genau dies tun werden. So können sie die Spitzen in der Hochsaison brechen, die Skifahrer besser über die gesamte Saison verteilen und damit vielleicht sogar verhindern, dass Auflagen wie Kapazitätsgrenzen gemacht werden. Gleichzeitig können sie so auch ihre Einnahmen optimieren, weil sie höhere Durchschnittspreise erzielen können.

Ju-Air flog viel zu tief

Die «Sonntagszeitung» hat Einblick in den noch nicht veröffentlichten Untersuchungsbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zum Ju-52-Absturz mit 20 Toten vor zwei Jahren am Piz Segnas. Der Bericht zeige, dass sich die Piloten nicht an die vorgeschriebene Mindesthöhe gehalten haben. Von «hoch riskanten Flugmanövern» und «unnötigen Risiken» ist die Rede.

Die beiden Kapitäne der Ju-Air flogen viel zu tief in den Talkessel südwestlich des Piz Segnas und hatten deshalb keine Chance mehr, eine Umkehrkurve zu fliegen. Schon vor der Tragödie fielen die Piloten immer wieder durch Verstösse gegen die Mindestflughöhe auf. Allein in den beiden Monaten vor dem Unglück seien sie 28-mal zusammen geflogen und hätten dabei mehrmals den vorgeschriebenen Abstand zum Boden nicht eingehalten, heisst es im Bericht, der Ende Oktober publiziert werden soll.

TUI-Suisse-Chef rät zur Buchung

Philipp von Czapiewski hat am Donnerstag über die aktuellen Herausforderungen bei TUI Suisse gesprochen, wir haben darüber berichtet. Nun kommt der TUI-Suisse-Chef auch in der «Sonntagszeitung» zu Wort und sagt: «Die Situation erfordert sehr viel Flexibilität sowohl bei unseren Mitarbeitenden wie bei den Kunden. Zurzeit buchen diese enorm kurzfristig, weil sie verständlicherweise unsicher sind. Doch wir ermuntern sie zur Buchung. Als Reiseveranstalter bieten wir ein hohes Mass an Sicherheit und Flexibilität. Bei einem kurzfristigen Erscheinen des Reiseziels auf der BAG-Liste können unsere Kunden aktuell kostenlos auf ein anderes Ziel umbuchen, auch noch einen Tag vor der Abreise.»

Zur Winterplanung sagt von Czapiewski: «Das ist derzeit schwierig einzuschätzen. Aktuell rechnen wir mit weiterhin grosser Flexibilität für unsere Kunden und wollen möglichst schnell und transparent kommunizieren. Wie sich die Situation um das Virus in den nächsten Monaten entwickelt, weiss niemand. Wir sind zuversichtlich und haben auch bereits Angebote für den Sommer 2021 im Verkauf.» Und ob der ökonimische Atem noch ausreiche bei TUI Suisse? «Der ist ausreichend. Wir waren vor Ausbruch der Krise sehr gut aufgestellt und hatten deshalb eine gute Ausgangslage. Zu Beginn der Krise haben wir direkt Kosten reduziert und mit Kurzarbeit begonnen. Bis zu einer Erholung wird es aber noch lange dauern, weshalb wir die Dimension unseres Unternehmens anpassen mussten. Im Juli haben wir deshalb entschieden, 70 Stellen abzubauen. Ein weiterer Abbau ist aktuell kein Thema.»

Kulturelles Solothurn und Schlafen in der Felswand

Die «Schweiz am Wochenende» schickt derzeit Regionalredaktoren in für diese wenige bekannte Regionen. Heute schwärmt die Ostschweiz-Redaktorin von ihrem Besuch in Solothurn und zeigt sich überrascht, dass in Solothurn auf so wenig Fläche so viel Kultur stattfindet.

Wie sich Zelten in der Felswand anfühlt, beschreibt heute die «Sonntagszeitung» nach einem Besuch in Pontresina. Die Bild des frei hängenden Zeltes dürfte für manch einen Pauschaltouristen eher verstörend sein. Der Autor, der das Schlafen über dem Abgrund ausprobiert hat, nimmts cool: Dank der abgelegenen Lage könne kein Nachbar die Nachtruhe stören. Sobald man in seinem Felsbiwak liege, sei die Nacht mehr erholsame Übernachtung denn nervenaufreibendes Abenteuer.

(GWA)