Tourismuswelt

«Die Frage nach neuen und alternativen Formaten stellt sich schon länger»

Als erste der grossen Schweizer Schweizer Tourismusmessen steigt die Ferienmesse Bern im kommenden Jahr vom 7. bis 10. Januar. Nebst dem frühen Termin macht natürlich auch die Pandemie-bedingte Tourismuskrise den Messebetreibern zu schaffen: Wie kann die Tourismusmesse unter diesen Umständen steigen und wie gross ist aktuell das Interesse von Ausstellern? Antworten auf die Situation in Bern liefert Messeleiter Mario Kovacevic.

Mit den vom Bundesrat per 22. Juni 2020 beschlossenen Lockerungsmassnahmen fallen Messen nicht mehr unter den Begriff herkömmlicher Grossveranstaltungen (wie etwa Fussballspiele). Sie unterliegen damit nicht den Vorgaben zur Maximalzahl anwesender bzw. teilnehmender Personen. Allerdings muss weiterhin für den Betrieb ein Schutzkonzept vorgelegt werden. Der Bundesrat hat also einen grossen Teil der Verantwortung an die Messebetreiber zurückgegeben, dafür herrscht bei diesen einigermassen Planungssicherheit für die Messebetreiber. Reicht das, um gerade touristische Messen noch «retten» zu können?

Wir haben uns nach der aktuellen Lage bei Messebetreibern umgehört. Im dritten und letzten Teil unserer Mini-Serie gibt Mario Kovacevic, Messeleiter der Ferienmesse Bern, Antworten.


Herr Kovacevic, die Tourismusbranche durchlebt eine nie dagewesene Krise. Muss man von einer deutlich kleineren Ferienmesse Bern ausgehen?

Allen voran setzen wir alles daran, unsere beiden Ferienmessen - Ferienmesse Bern wie auch Fespo in Zürich - im nächsten Januar zu realisieren und diese unseren Ausstellenden gerade jetzt als wichtigen Marktplatz zu ermöglichen. In Anbetracht der aktuellen Geschehnisse in der gesamten Reisebranche sowie mit Sicht auf die zu erfüllenden Sicherheitsauflagen – denn die Sicherheit und Gesundheit haben für uns oberste Priorität –  wird es womöglich eine Ferienmesse in einer komprimierten Version geben.

Wie sieht denn der aktuelle Planungsstand für die kommende Ferienmesse Bern aus?

Aufgrund der ausserordentlichen und komplexen Situation in der gesamten Tourismusbranche erfolgte unser Kick-Off für 2021 zusammen mit der Fespo bewusst zeitlich etwas verzögert. Obwohl die aktuelle Ausgangslage für den gesamten Reisemarkt alles andere als einfach ist, sind bis dato eher positive Tendenzen festzustellen: Nebst konkreten Anmeldungen und praktisch keinen Absagen verzeichnen wir auch wichtige Commitments zugunsten der Durchführung der Ferienmesse.

Messen werden als wichtige Plattform und Chance empfunden, um im direkten Kundenkontakt die Geschäfte wieder «anzukurbeln». Es ist jedoch so, dass sich definitive Entscheide bzw. allfällige Anmeldungen vor allem seitens der Reiseveranstalter in den Herbst verschieben und wir zum jetzigen Zeitpunkt selbstverständlich nicht denselben Anmeldungsstand haben wie in den Vorjahren.

Aber Sie gehen davon aus, dass die Messe stattfindet?

Zum heutigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass unsere beiden Ferienmessen 2021 stattfinden werden und dementsprechend bereiten wir uns auch vor. Wie sich die COVID-19-Pandemie und die möglicherweise daraus resultierenden Auswirkungen auf die Messeplanung in den bevorstehenden Wochen und Monaten entwickeln wird, können wir nicht vorhersehen und beeinflussen, was natürlich eine Herausforderung ist.

Gibt es für allfällige Interessenten spezielle Rabatte oder Goodies, um die Standnachfrage etwas anzukurbeln?

Gerne haben wir den Frühbucherrabatt bis Ende August verlängert. Sollte die Messe infolge von pandemiebedingten Einschränkungen nicht realisierbar sein, halten wir unsere Ausstellenden schadlos. Es fallen also keine Annullationskosten an und bereits geleistete Zahlungen werden wir vollumfänglich zurückerstatten.

«Es fallen keine Annullationskosten an und bereits geleistete Zahlungen werden wir gegebenenfalls vollumfänglich zurückerstatten.»

Hat eine klassische Tourismusmesse überhaupt weiterhin eine Berechtigung?

Der direkte Kontakt mit bestehenden und potenziell neuen Kunden sowie die unmittelbare Nähe am Markt, welche daraus resultiert, waren bisher tragende Argumente für eine Messeteilnahme. Aktuell bestärkt das Thema «Reisen in Zeiten von Corona» beispielsweise die genannten Argumente noch mehr. Endkunden begeben sich wieder viel lieber und öfter in die Obhut von Spezialisten und fachlichen Beratungen, als sich im Alleingang zu informieren und so ein grösseres «Risiko» zu tragen.

Reisen, unter welchen Bedingungen auch immer, wird auch in Zukunft ein grosses und wichtiges Bedürfnis sein. Messen werden daher auch zukünftig eine wichtige Informations- und Wissensquelle für die Besuchenden und folglich wichtiger Absatzkanal für die Ausstellenden bleiben.

Es muss aber auch Neues kommen. Was muss man in Bezug auf die Ausarbeitung von neuen Sicherheits-/Hygienemassnahmen wissen?

Das gilt für alle Messen unter dem Dach der Bernexpo Groupe: Die Veranstaltenden sind verpflichtet, ein auf die Messe zugeschnittenes Schutz- und Hygienekonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Ein entsprechendes Konzept haben wir in enger Zusammenarbeit mit Experten und den Behörden erstellt und beim Kanton zur Bewilligung eingereicht. Wir werden sicherstellen, dass die Schutz- und Hygienemassnahmen vor Ort sowohl seitens Ausstellenden wie auch Besuchenden problemlos eingehalten werden können.

Zum Beispiel werden wir unsere Besuchenden und Ausstellenden mittels Bodenkleber, Plakaten und Lautsprecherdurchsagen auf die geltenden Sicherheitsvorkehrungen an der Messe aufmerksam machen. Des Weiteren stehen Desinfektionsmittel-Spender vor Ort zur Verfügung und wir haben selbstverständlich die Reinigungsintervalle für viel benutzte Oberflächen und Gebrauchsgegenstände erhöht.

Ist es allenfalls angedacht, künftig mehr virtuellen Content einzubinden?

Die Frage nach neuen und alternativen Formaten, ausserhalb von Live-Events, stellt sich die Bernexpo Groupe schon länger. Die Krise beschleunigte die bereits laufenden Entwicklungen. Das viel diskutierte Eröffnen von neuen Geschäftsfeldern, besonders im digitalen Bereich, steht aktuell natürlich mehr denn je im Zentrum und hat absolute Priorität. «HeroFest» zum Beispiel wird dieses Jahr live und digital durchgeführt. Da die Besuchenden und Ausstellenden hier vertrauter mit der digitalen Welt sind, ist die hybride Umsetzung vergleichsweise einfacher als bei vielen anderen Messen.

Wie sieht es mit mehr - und eventuell bezahltem - Aus-/Weiterbildungs-Content aus? Könnte man damit allenfalls fehlende Standfläche wettmachen?

Auch für uns ist die Situation neu, aber wir sind immer offen für neue Services und prüfen diese fortlaufend, um unser Portfolio den Vorstellungen unserer Kunden entsprechend zu gestalten. Sofern die Branche ein Bedürfnis nach mehr Aus-/Weiterbildungscontent hat, haben wir das notwendige Know-how wie auch das Netzwerk, um ein solches Gefäss bieten zu können.

«Wir sind immer offen für neue Services und prüfen solche fortlaufend.»

Wie zuversichtlich sind Sie für die Zukunft der Tourismus-Messen allgemein?

Die Tourismusmessen haben sowohl für Besuchende wie auch für Ausstellende ihre Berechtigung und diese wird nicht plötzlich innert kürzester Zeit verschwinden. Insofern werden die beiden renommierten Tourismusmessen in Bern und Zürich in klassischer oder hybrider Mischform als Distributionskanäle auf der einen Seite und als geballte Informations- und Inspirationsquellen sowie Buchungsplattformen auf der anderen Seite auch in Zukunft noch existieren.

Das mag sein. Lässt sich eine Messe wie die Ferienmesse Bern in der aktuellen Situation und mit den geforderten Sicherheitsmassnahmen aber überhaupt wirtschaftlich betreiben?

Wir sprechen von drei Szenarien. Ein erstes wäre ein behördliches Messeverbot – dies gilt zurzeit nicht. Somit kann die Messe wie also unter Berücksichtigung der Sicherheits- und Hygienemassnahmen durchgeführt werden. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit: Ja, wie wirtschaftlich ist die Messe, wenn wir zum Beispiel nur 10 Prozent der Ausstellenden haben? In einem solchen Fall werden wir die Messe nicht durchführen können und frühzeitig kommunizieren. Und dann gibt es noch den Faktor der Einstellung der Besuchenden: Sind die Besuchenden zum Beispiel bereit, eine Maske an der Messe zu tragen? Oder sind die Besuchenden überhaupt mental soweit, eine Messe zu besuchen?

Solche Fragen beschäftigen uns zurzeit im Rahmen von Besucherumfragen, denn nur so können wir die Situation besser einschätzen.


Serie & Umfrage

Im ersten Teil dieser Mini-Serie ging es um die St. Galler Ferienmesse «Grenzenlos», im zweiten um die Fespo in Zürich. Im ersten Artikel zur Grenzenlos war auch eine Umfrage integriert. Sollten Sie als potenzieller Aussteller/Besucher einer der Ferienmessen noch nicht an der Umfrage teilgenommen haben, dann können Sie dies noch bis Freitag (28. August) noch tun. Besten Dank im Voraus!

(JCR)