Tourismuswelt

Die Ferienmesse Grenzenlos kämpft aktuell um Aussteller und bietet dafür auch eine Corona-Absicherungsklausel. Bild: Olma Messen

«Wahrscheinlich wird eine tagesgenaue Vollregistration der Besucher notwendig sein»

Jean-Claude Raemy

Die St. Galler Ferienmesse «Grenzenlos» soll vom 22. bis 24. Januar 2021 in den Olma Messehallen stattfinden. Wie kann eine Tourismusmesse unter den neuen Umständen steigen und wie gross ist aktuell das Interesse von Ausstellern? Wir haben bei der Messeleiterin Stephanie Müggler nachgefragt.

Mit den vom Bundesrat per 22. Juni 2020 beschlossenen Lockerungsmassnahmen fielen Messen nicht mehr unter den Begriff herkömmlicher Grossveranstaltungen (wie etwa Fussballspielen). Sie unterliegen damit nicht den Vorgaben zur Maximalzahl anwesender bzw. teilnehmender Personen. Allerdings muss weiterhin für den Betrieb ein Schutzkonzept vorgelegt werden. Will heissen: Der Bundesrat hat einen grossen Teil der Verantwortung an die Messebetreiber zurückgegeben. Damit herrscht einigermassen Planungssicherheit für die Messebetreiber. Aber reicht das, um gerade touristische Messen noch «retten» zu können?

Wir haben uns nach der aktuellen Lage bei Messebetreibern umgehört. Den Auftakt macht Stephanie Müggler, Messeleiterin der Ferienmesse «Grenzenlos» in St. Gallen. Machen Sie auch bitte bei unserer Umfrage am Ende des Textes mit.


Stephanie Müggler

Frau Müggler, Messen dürfen durchgeführt werden und sind von Bundesseite nicht verboten. Gehen Sie davon aus, dass dies auch so bleibt?

Ja. Wir orientieren uns an den aktuell gültigen Vorgaben der Behörden. Mit einem massgeschneidertem Covid-19 Schutzkonzept kann eine Messe auch in dieser Grösse durchgeführt werden.

Das ist erfreulich. Doch wie sieht der aktuelle Planungsstand für die kommende «Grenzenlos» aus?

Es ist August, das heisst die Messe steigt in fünf Monaten... Zum Anmeldungsstand: Anfänglich liefen die Anmeldungen gar nicht so schlecht gegenüber dem Vorjahr. Einige Aussteller konnten wir dank unserer Corona-Absicherung oder aufgrund Zuversicht und Wirksamkeit der Messe zur Anmeldung überzeugen. Aktuell spüren wir aber eine enorme Verunsicherung und Perspektivlosigkeit in der Branche. Dies widerspiegelt sich jetzt auch in unseren Anmeldungen. Wir liegen heute deutlich unter dem Zielwert der bereits konservativ geplanten Teilnahmen. Es fehlen uns Aussteller aus allen Bereichen, was die globale Betroffenheit der Wirtschaft von der Corona-Krise widerspiegelt. Insbesondere halten sich die mittleren und grossen Reiseveranstalter zurück.

Die Tourismusbranche durchlebt eben eine nie dagewesene Krise. Muss man also von einer deutlich kleineren «Grenzenlos» ausgehen?

Die Messe ist ein Abbild des Schweizer Tourismusmarktes und wird unter der Krise, welche die Reisebranche durchlebt, stark leiden, und zwar in Bezug auf unsere Anzahl Aussteller sowie auch Besucher. Die Messe ist aber für viele Aussteller ein äusserst wichtiges Marketinginstrument und wir setzen alles dran, sie erfolgreich und mit positiver Atmosphäre zu organisieren. Gleichzeitig benötigt die Messe aber auch eine gewisse Angebotstiefe und eine entsprechende Diversität, welche wir in unseren Hallen thematisch darstellen wollen - was zurzeit eine Herausforderung darstellt.

Hat eine klassische Tourismusmesse überhaupt weiterhin ihre Berechtigung?

Die Reise-Nachfrage der Ostschweizer wird zurückkommen. Viele wollen nicht nochmals ein Jahr Ferien «nur» im Inland verbringen. Gerade die neuen Covid-19 Herausforderungen stellen für die Aussteller eine Chance dar, ihre Beratungskompetenz zu beweisen, sich neu zu präsentieren und zu verkaufen, indem man «mögliche» und «sichere» Reisen anbieten, vielleicht sogar wieder längerfristig planen kann. Wir hoffen natürlich, dass sich die Lage bis im Januar etwas klärt, damit dann auch wieder grössere und längere Reisen planbar sind.

«Viele wollen nicht nochmals ein Jahr Ferien nur im Inland verbringen.»

Wird es auch Neuheiten geben an der Messe?

Wir haben einige Neuheiten im Bereich der Präsentation von Sonderthemen eingeplant. Aktuell müssen aber auch wir uns auf unser Hauptgeschäft fokussieren und uns am Machbaren orientieren.

Was muss man in Bezug auf die Ausarbeitung von neuen Sicherheits-/Hygienemassnahmen wissen? Muss man mit einer vorgegebenen Besucherstrom-Leitung wie etwa im IKEA rechnen?

Nein, es wird kein Einbahnsystem geben. Ebenso möchten wir von einer Maskenpflicht absehen. Unsere «Grenzenlos» soll ein positives Erlebnis vermitteln. Der Kundenkontakt baut auf Sympathien und persönlicher Überzeugungskraft auf, wofür die Masken ein Hemmnis sind.

Im Vordergrund steht für uns aber, neben den dann gültigen Vorschriften der Behörden, die Sicherheit und die Gesundheit von Besuchern, Ausstellern, Partnern und Mitarbeitenden. Dafür wird für Aussteller und Besucher eine entsprechende Mitarbeit und Selbstverantwortung in der Umsetzung der notwendigen Sicherheits- und Hygienemassnahmen notwendig sein. Dabei denken wir an Massnahmen, die wir schon aus dem Alltag kennen, wie Desinfektion, Sicherheitsabstand oder Einsatz von Plexiglasscheiben im Kundenkontakt, aber auch Selbstschutz von gefährdeten Personen durch freiwilliges Maskentragen. Wir werden unseren Teil beitragen durch Sicherstellen einer grosszügigen Planung der Verkehrsflächen, Warteräume, Restaurants etc. und durch den Verzicht auf risikobehaftete Elemente. Wahrscheinlich wird eine tagesgenaue Vollregistration der Besucher notwendig sein.

Kann man allenfalls fehlende Standfläche mit mehr - eventuell gar bezahltem? - Aus-/Weiterbildungs-Content für Endkunden wettmachen?

Wir werden Aussteller unterstützen, welche neuartige Formate mit attraktivem Inhalt vorstellen möchten. Je nach Bedarf mit Infrastruktur- oder Kommunikationsleistungen. Wir wollen aber nicht durch eigenen Content die Angebote der Aussteller konkurrenzieren, die für uns immer im Mittelpunkt stehen.

Gibt es für allfällige Interessenten spezielle Rabatte oder Goodies, um die Standnachfrage etwas anzukurbeln?

Unsere Corona-Absicherungsklausel bietet unseren Ausstellern bzw. Interessenten eine hohe Absicherung. Denn sofern die Messe aufgrund behördlicher Vorgaben oder aus irgendwelchen anderen Gründen abgesagt werden muss, gilt der Ausstellervertrag als ersatzlos aufgehoben. Es werden von unserer Seite her keinerlei Bearbeitungsgebühren erhoben und geleistete Zahlungen von Ausstellern vollumfänglich zurückerstattet.

«Unsere Corona-Absicherungsklausel bietet unseren Ausstellern bzw. Interessenten eine hohe Absicherung.»

Wäre es allenfalls eine - bereits angedachte - Möglichkeit, «Hybrid zu gehen», also künftig viel mehr virtuellen Content einzubinden?

Eher weniger. Wir hätten auch nicht die Mittel dazu, um in der hochentwickelten digitalen Tourismuswelt aufzufallen. Die Touristiker erfinden sich gerade neu. Dazu gehört auch der Online-Bereich. Wir beobachten einige Aussteller, die beispielsweise Online-Seminare anbieten. Wir sehen unsere Aufgabe nach wir vor darin, eine einmalige Plattform in der Region anbieten zu können, bei der Reiseinteressierte an einem Ort eine breite Auswahl an Ausstellern auffinden und in den persönlichen Kontakt treten können. Wir sind auch überzeugt, dass mit zunehmender Digitalisierung die Gewinnung von Neukunden-Kontakten an der Messe an Wert gewinnt.

Wie zuversichtlich sind Sie für die Zukunft der (Tourismus-)Messen allgemein?

Ich bin überzeugt, dass Messen gerade in der Tourismusbranche eine wirksame Marketingmassnahme darstellen. Während Online-Präsenzen mittels Webseiten, Live-Seminaren usw. an Beliebtheit gewinnen, sind persönliche Kontakte für den Verkauf anspruchsvoller Dossiers ausschlaggebend. Zudem sind diese Messen bei den Besuchern unverändert beliebt. Dies bietet den Reiseanbietern einzigartige Chancen, die viele auch gut wahrnehmen. Wichtig dabei ist es, die Messe auch richtig zu nutzen, das heisst ansprechende Messestände mit einem zielgruppengerechten Angebot sowie kompetentem, verkaufsstarkem Messepersonal zu besetzen, welches rasch eine Beziehung zum Kunden aufbauen kann und seine Bedürfnisse versteht.

Zum Abschluss noch geradeaus gefragt: Lässt sich eine grosse Tourismusmesse wie die «Grenzenlos» in der aktuellen Situation und mit den geforderten Sicherheitsmassnahmen überhaupt wirtschaftlich betreiben?

Das hängt davon ab, ob es uns gelingt, Aussteller und Besucher davon zu überzeugen, dass die Beteiligung an einer fachspezifischen Messe, die ja keinen Volksfest-Charakter hat, sicher und nutzbringend ist. An diesem Punkt sind wir noch nicht, dafür fehlen uns noch Anmeldungen, und die Reise-Einschränkungen sind zu gross. Wir erhoffen uns in den nächsten 4-5 Monaten Besserung, so dass sich die Branche in einem gewissen Umfang erholt hat und eine Perspektive für Reisen besteht, auch nach Übersee.