Tourismuswelt

Sunday Press «Jedes zweite Reisebüro steht vor dem Kollaps»

SRV-Präsident Max E. Katz sensibilisiert in der Sonntagspresse die Öffentlichkeit auf die Probleme der Outgoing-Reisebranche. – Weiterbildung ist in der Krise gefragt. – Deutschschweizer Reisende sind Nörgler. – Bund und Kantone treffen sich zum Corona-Gipfel.

Die Reisebranche braucht Hilfe!

Die kommende Woche ist für die Schweizer Outgoing-Reisebranche entscheidend. Nach aktuellem Planungsstand sollte der Bundesrat am 19. August über die Vorschläge für ein Hilfspaket befinden. Die «Taskforce Reisebranche», zusammengesetzt aus Vertretern der Branchenverbände SRV, STAR und TPA, hat viel Arbeit investiert, um gemeinsam mit dem SECO gangbare Vorschläge auszuarbeiten, und hat auch schon einen Plan B im Falle eines negativen Bescheids ausgedacht. Sicherheiten hinsichtlich Bundeshilfe gibt es jedoch keine.

Gutes Timing hat deshalb das grosse Interview von Max E. Katz, Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), in der «NZZ am Sonntag» - mitsamt Anriss auf der Titelseite. In diesem kann er die dramatische Lage der Reisebranche detailliert erläutern und warnt davor, dass ohne substanzielle Hilfe im Winter bis zu 50 Prozent der Schweizer Reisebüros schliessen müssten, was rund 4000 Vollzeitstellen kosten würde. «Praktisch alle Reisen, die wir seit Oktober 2019 verkauft haben, mussten wir zurückerstatten», so Katz, «Neubuchungen gab und gibt es kaum. Die ganze Branche hat praktisch ein Berufsverbot.» Wenn tatsächlich 4000 Stellen wegfallen, also Leute arbeitslos werden oder sogar in die Sozialhilfe abrutschen, dann werde das ein Vielfaches von dem kosten, was jetzt für ein Rettungspaket investiert werden müsste.

Katz versteht, dass das Herbstgeschäft, in welches die Reisebranche viel Hoffnung gesteckt hatte, infolge steigender Infektionszahlen in der Schweiz und dem Chaos mit den Quarantänebestimmungen in Gefahr ist und wenn, dann höchstens sehr kurzfristig gebucht wird. Katz macht sich deshalb stark dafür, dass Rückkehrer aus Risikoländern am Flughafen automatisch auf Corona getestet werden. Fällt der Test negativ aus, müssten die Leute auch nicht in Quarantäne. Deutschland, Frankreich und Österreich praktizieren das so. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr klein, dass man sich in den Ferien ansteckt, und noch kleiner, dass dies bei einem Test unentdeckt bleibt, argumentiert Katz. An den Flughäfen in Zürich und Genf gebe es jedoch nicht einmal eine Test-Infrastruktur.

Katz äussert sich auch zur Lage der Branche. Nebst dem bereits gut dokumentierten Abbau bei Grossveranstaltern geht es, von der Öffentlichkeit weniger bemerkt, vor allem auch um 1000 inhabergeführte KMU-Reisebüros, deren Inhaber seit 1. Juni keinen Erwerbsersatz mehr erhalten, die also kein Einkommen mehr haben - im Gegensatz etwa zur Veranstaltungsbranche, die auch betroffen ist, aber für welche es eben eine Ausnahmeregelung gibt. Er fordert deshalb À-fonds-perdu-Beiträge. Auch hier der Blick über die Landesgrenze: In Deutschland und Österreich bekommen Reisebüros bis zu 100% der Fixkosten erstattet: Miete, Informatik oder Versicherungen können so gedeckt werden. Die Löhne der Mitarbeitenden werden über Kurzarbeit bezahlt. Diesen Modellen soll auch die Schweiz folgen.

Auf die Entgegnung, dass man damit nur «Reisebüros durchseucht, die vorher schon knapp dran waren», entgegnet Katz: «Wir sind unverschuldet in diese Krise gekommen. Der Strukturwandel hat in der Reisebranche längst stattgefunden. Vor 20 Jahren gab es in der Schweiz noch fast 3000 Reisebüros, jetzt sind es wie gesagt 1300. Diese haben sich ihre Existenz hart erarbeitet.» Die Notkredite seien kaum eine Hilfe, weil wegen der dünnen Gewinne und der schlechten Aussichten auch in den kommenden 2-3 Jahren die Schulden kaum innert vorgegebener Frost zurückbezahlt werden können.

Zum Schluss warnt Katz auch noch, dass eine Massenpleite bei Reisebüros finanzielle Einbussen für Konsumenten zur Folge hätte. Eigentlich sind bei Reisebüros gebuchte Ferien über Garantiefonds gegen Insolvenzen versichert. Aber: «Bei einer grossen Anzahl von Konkursen auf einmal reicht die Deckung der Garantiefonds bei weitem nicht für alle aus.» Für bereits bezahlte Reisen gäbe es dann kein Geld zurück. Bei einer grossen Anzahl von Konkursen auf einmal reicht die Deckung der Garantiefonds bei weitem nicht für alle aus. Es wäre dann wohl wie bei der Thomas-Cook-Pleite im letzten Jahr: Man bekommt als Kunde anteilsmässig etwas ausbezahlt, aber nicht den vollen Betrag.

Bleibt zu hoffen, dass das Interview dazu beiträgt, dass der Bundesrat diese Woche im Sinne der Reisebranche entscheidet.

Corona-Krisengipfel von Bund und Kantonen

In der Schweiz wird der Begriff «Corona-Chaos» immer omnipräsenter, bezugnehmend einerseits auf Kommunikationspannen des Bundesamts für Gesundheit (BAG), aber auch auf Abstimmungsprobleme zwischen Bund und Kantonen hinsichtlich der Massnahmen. Deshalb ruft laut der «SonntagsZeitung» nun Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga nächste Woche zum Krisengipfel. Zusammentreffen werden die ranghöchsten Schweizer Corona-Politiker, auf Seiten des Bundesrats nebst Sommaruga auch Gesundheitsminister Alain Berset und Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Ziel des Treffens sei es, allgemein akzeptierte Bedingungen für die Bewilligung von Grossveranstaltungen zu finden, um weiteren Unmut und einen kantonalen Flickenteppich zu verhindern. Es geht aber auch darum, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen neu zu gestalten.

«Nach Corona gibt es Nachholbedarf»

Letzte Woche unterhielt sich Travelnews mit den Schulleitern der Höheren Fachschulen für Tourismus - mit dem Fazit, dass Bildung in Krisensituationen erst recht wichtig ist. Im «SonntagsBlick» gibt es nun einen ähnlichen Artikel. Hanna Rychener Kistler, Direktorin der IST Höhere Fachschule für Tourismus in Zürich, sowie drei Studierende dieser Schule können sich äussern. Die Anzahl der Studierenden bewege sich auf Vorjahresniveau. Beim Schulstart ist allerdings einiges anders: Spender für Desinfektionsmittel in den Gängen, BAG-Plakate an den Wänden, Sitzplatzordnung in den Schulzimmern. Und auf dem Schulgelände gilt teilweise Maskenpflicht.

«Das Bewusstsein, mit welchen Mitteln und Ressourcen man wohin reist, wird sich verändern», glaubt die IST-Direktorin, und nennt neue Trends: Mehr Ferien im eigenen Land und in der Natur, weniger Geschäftsreisen ins Ausland, keine Wochenendtrips mit dem Flugzeug. Punkto Nachhaltigkeit sei dies eine Chance. Und doch seien Fernweh und Fernreisen nicht einfach von gestern. Die IST-Direktorin prophezeit sogar einen riesigen Nachholbedarf – sobald das Reisen wieder sorgenlos möglich ist. Die Schüler derweil dokumentieren, wie ihnen Corona die persönliche Planung vermiest hat und weshalb sie doch vom Nutzen einer touristischen Ausbildung weiterhin überzeugt sind.

Holidaycheck-Studie: Deutschschweizer sind Nörgler

Die «SonntagsZeitung» hat das Reiseportal Holidaycheck beauftragt, die Bewertungen von touristischen Einrichtungen in der Schweiz durch Schweizer Reisende selber zu analysieren. Dabei kommt man zum Schluss: Der Röstigraben existiert eben doch.

Insgesamt erhielten die einheimischen Hotels dieses Jahr im Vergleich zu 2019 bessere Bewertungen. Obschon drei Viertel der 6371 bisher beim Portal eingegangenen Beurteilungen von Schweizern stammen. Die Schweizer verliehen den einheimischen Hotels diesen Sommer durchschnittlich die Note 5,4. Ausländische Gäste gaben im Vergleich nur eine 5,2. Einen grösseren Unterschied gibt es bei der Weiterempfehlungsrate: Bei den Schweizern beträgt sie nicht weniger als 97 Prozent. Bei den Ausländern liegt sie zwei Prozentpunkte tiefer.

So weit nicht aussergewöhnlich. Aber: Die Bewertung von Deutschschweizer Hotels blieb stabil. Das Zeugnis der Westschweizer Hotels hat sich jedoch im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Der Röstigraben bei den Bewertungen müsse aber nicht unbedingt bedeuten, dass die Hotels in der Romandie qualitativ schlechter geworden sind - genauso gut könnten die Gäste diesen Sommer anspruchsvoller, um nicht zu sagen nörgeliger gewesen sein. Immerhin waren es vor allem Deutschschweizer, die ins Welschland reisten und jetzt ihre Noten verteilten.

Auch eine Ebookers-Studie wird zugezogen - dazu mehr unter diesem Link.

Reisebusse sind wieder auf Tour

In der «SonntagsZeitung» widmet sich ein grosser Artikel der Rückkehr von Schweizer Reisecars auf die Strassen. Das Business mit den klassischen Rundreisen läuft zwar wieder, aber mit deutlich weniger Frequenz und Passagieren als in normalen Jahren. Diverse Chauffeure, welche zuvor Gäste entlang dem Jakobsweg in Spanien oder den Klippen im englischen Cornwall steuerten, sind nun beispielsweise im Bahnersatzdienst zwischen dem Emmental und Schüpfheim im Entlebuch unterwegs. Denn Eurobus kann die Corona-Auswirkungen etwas abfedern, weil ein wesentlicher Teil des Geschäfts aus Leistungen für den öffentlichen Verkehr besteht. Immerhin: Touristische Reisen in die Nachbarländer Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien bleiben im Programm für Spätsommer und Herbst.

Eurobus hat beim Restart das Schutzkonzept der Dachorganisation Car Tourisme Schweiz umgesetzt und ausgebaut: Zur Abschirmung des Chauffeurs bleibt die erste Sitzreihe leer, ein Reisebus wird nur zu 70 Prozent ausgelastet und jeden Abend komplett desinfiziert. Die Passagiere desinfizieren beim Ein- und Aussteigen die Hände und tragen während der Fahrt stets Masken.

Ähnlich sieht es bei Twerenbold Reisen aus. «Abgesehen von den beiden Weltkriegen erlebt unser Familienunternehmen das finanziell einschneidendste Jahr der 125-jährigen Firmengeschichte», sagt Verwaltungsratspräsident Karim Twerenbold, «aber wir haben gut gewirtschaftet und werden diese Krise überstehen.» Ihm zufolge akzeptieren die Gäste die Einschränkungen und Schutzmassnahmen. Twerenbold startete wieder mit einer Engadin-Rundreise im Juni. Es gab coronabedingt viele Annullationen und nur verhalten Neubuchungen, aber allmählich zieht es wieder etwas an. Twerenbold ist zuversichtlich, dass es eine Herbstsaison geben wird, wagt aber noch keine Prognosen für 2021.

VERMISCHTES

Im Magazin der «NZZ am Sonntag» gibt es eine Reportage über Wanderungen zwischen dem Turtmann- und dem Mattertal im Wallis.

In der «SonntagsZeitung» ist ein Bericht dem neuen Museum des Uhrenherstellers Audemars-Piguet in der Vallée de Joux, konzipiert vom dänischen Architekturbüro, gewidmet. Darüber hatte auch Travelnews schon berichtet. Ein Grossteil des «Reisen»-Teils der «SonntagsZeitung» ist weiterhin Wanderzielen in der Nähe gewidmet. So gibt es eine Reportage zum Wanderboom auf Deutschlands höchsten Gipfel, die Zugspitze und eine zur Wandertour «Eiger-Trail» im Berner Oberland, dazu ein Bericht über das bayrische Oberammergau, berühmt für die Passionsspiele, die aber auf 2022 verschoben sind (ein Besuch lohnt sich trotzdem!).

Der «SonntagsBlick» widmet zudem unter dem Titel «Bündnerland statt Botswana» einen interessanten Bericht der Safari-Guide Isabelle Tschugmall, die wegen der Corona-Pandemie in der Schweiz gestrandet ist – und nun eben Safaris durch die Schweiz leitet, beispielsweise eine Wandersafari im Bündnerland mit Übernachtung in einer Berghütte, im Rahmen derer die Spuren der Dachse verfolgt werden. Infos zur Person unter diesem Link.

Nicht im Detail inkludiert haben wir diverse Artikel, welche nicht direkt die Reisebranche bewegen, sich jedoch inhaltlich mit Fragen rund um die Handhabung der Corona-Pandemie bewegen und damit natürlich auch die Reisetätigkeit indirekt beeinflussen können – etwa in mehreren Sonntagstiteln geäusserte Kritiken des Contact-Tracing («Der grosse Anstieg der Fallzahlen steht erst bevor»), Mängel bei der Covid-Meldepflicht von Seiten der Ärzte oder ein Artikel zum Wunsch der Apotheken, doch selber Corona-Tests anbieten zu dürfen.

(JCR)