Tourismuswelt

Hier werden für Entscheidungen des Bundesrats hinsichtlich der Reisebranche wesentliche Entscheidungsgrundlagen zusammengetragen: Der Sitz des SECO am Holzikofenweg 36 in Bern. Bild: SECO

«Das SECO kann dem Bundesrat nicht vorgreifen»

Jean-Claude Raemy

Viele Reisebüros sind in ihrer Existenz bedroht - und bemängeln, dass zu wenig oder zu langsam geholfen wird. Wir haben beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) nachgefragt, wie denn konkret der gebeutelten Outgoing-Tourismuswirtschaft geholfen wird.

Die Corona-Krise legt in der gebeutelten Tourismusbranche die Nerven blank. Hilfe ist nötig. Wer kann Hilfe bieten? Der Staat. Und wie kann dieser entscheiden, welche Branche wie unterstützt wird? Hier kommt das Staatssekretariat für Wirtschaft, kurz «SECO» (für «Secrétariat d'état à l'économie»), ins Spiel. Das SECO ist das Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik, einschliesslich der Arbeitsmarktpolitik, und trägt dazu bei, dass ordnungs- und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Das SECO ist also in der Krise im Auge des Sturms und wird von allen möglichen Seiten angegangen, natürlich auch von der Reisebranche. Nun gab es von diversen Vertretern der Reisebranche, insbesondere von persönlich stark betroffenen Reisebüro-Inhabern, immer wieder Vorwürfe an die Adresse des SECO bzw. dessen Gesprächspartnern, im Falle der Outgoing-Reisebranche also der Taskforce bestehend aus Vertretern des Schweizer Reise-Verbands (SRV), der Swiss Travel Association of Retailers (STAR) sowie der Travel Professionals Association (TPA). Bemängelt wurde die fehlende Transparenz dieser Gespräche, der mangelnde «Einbezug der Basis» sowie auch die Dauer, welche die Hilfestellung in dieser Notlage in Anspruch nimmt. Darüber hinaus fühlen sich gewisse Exponenten der Outgoing-Reisebranche in Bern benachteiligt gegenüber der Incoming-Reisebranche, und hat sich daran gestört, dass das SECO in Person von Eric Jakob (Leiter der Direktion für Standortförderung im SECO) öffentlich zu «Ferien in der Schweiz» aufrief - wobei er diesbezüglich inzwischen zurückgekrebst ist.

Berechtigte Vorwürfe? Travelnews hat beim SECO nachgefragt.

Über die Sonderlösung wird im August entschieden

Fabian Maienfisch

SECO-Sprecher Fabian Maienfisch weist eingangs darauf hin, dass schon allein die Behandlung der Probleme komplex ist, sprich, nicht beim SECO allein liegt: «Es gibt verschiedenste gesetzliche Grundlagen, welche die Reisebürobranche betreffen, dementsprechend sind auch unterschiedliche Bundesstellen relevant. Zu erwähnen ist im Zusammenhang mit der Reisebürobranche im Besonderen das Pauschalreisegesetz, für welches das Bundesamt für Justiz zuständig ist. Das SECO wiederum hat vom Bundesrat am 1. Juli den Auftrag erhalten, mittels einer externen Expertise bis im August zu prüfen, ob es im Zusammenhang mit der Coronakrise für die Reisebürobranche in Ergänzung zu bereits ergriffenen Massnahmen eine Sonderlösung braucht.»

Dieser Umstand ist eigentlich bekannt - ebenso, dass dem SECO von der Taskforce Informationen und Unterlagen übermittelt wurden, schriftlich wie auch mündlich, welche die Entscheidungsgrundlagen untermauern sollen. Doch wie sieht die Kooperation des SECO mit der Reisebranche überhaupt aus, generell gesprochen? «Das SECO hat in den letzten Monaten zwei Telefonkonferenzen mit je gegen 20 Vertretern von Bundesstellen, der Reisebürobranche sowie Konsumentenorganisationen organisiert und durchgeführt», erklärt Maienfisch, «dabei ging es dem SECO darum, die spezifische Situation der Reisebürobranche sowie die Sichtweise der verschiedenen Akteure möglichst gut zu kennen. Der Austausch erfolgt situativ nach Bedarf und in nicht formalisierter Form.» Klar wird daraus, dass gewisse Akteure als Vertreter der Branche am Tisch bzw. am Telefon sein müssen, und es kaum Möglichkeiten gibt, sich über andere, «freie» Kanäle einzubringen. Die Frage im Raum ist bloss, ob die Vertreter, also die Taskforce, die Anliegen «aller» auch wirklich einbringen. Daran entzündeten sich auch Diskussionen, wobei diese oft damit endeten, dass die Taskforce-Vertreter nicht detailliert über den Inhalt der Gespräche rapportieren durften.

Wieso wird nicht transparenter über die Inhalte der Gespräche zwischen SECO, BJP, Taskforce Reisebranche etc. informiert? Dazu Maienfisch: «Grundsätzlich gilt, dass das SECO unter Einbezug weiterer Verwaltungseinheiten betreffend der Reisebürobranche daran ist, Entscheidungsgrundlagen für den Bundesrat zu erarbeiten und die Kommunikation dem Bundesrat obliegt. Das SECO kann dem Bundesrat nicht vorgreifen. Wir bemühen uns aber, in diesem Rahmen die involvierten Akteure über den Stand der Arbeiten auf dem laufenden zu halten. Dies geschah beispielsweise im Rahmen der zwei erwähnten Telefonkonferenzen.» Der SRV, quasi als Sprecher der Taskforce, informierte bislang soweit möglich über diesen Stand der Arbeiten, darf aber eben nicht zu viele Details bekannt geben, weil damit Erwartungen geschürt würden, welche eventuell ja nicht befriedigt werden. Denn die Entscheidungsgewalt liegt ja letztlich nicht beim SECO, sondern beim Parlament und dem Bundesrat. Die demokratischen Prozesse sind bekanntermassen langsam, müssen aber trotz der Notlage vieler Unternehmen eingehalten werden. Oder wie es Maienfisch umschreibt: «Das SECO arbeitet im Rahmen geltender Regeln und Vorgaben und muss sich daran halten.»

Die Politik allein kann es nicht richten

Unter dem Strich wurde für die Reisebranche aus Sicht des SECO schon einiges erreicht. Zur Erinnerung: Neben den allgemeinen wirtschaftspolitischen Massnahmen (etwa die Covid-19-Kredite) ist für die Reisebürobranche sicherlich die Verlängerung des Rechtstillstandes bis Ende September 2020 hervorzuheben. Zudem hat das Parlament beschlossen, die Unterstützung der Luftfahrtunternehmen Swiss und Edelweiss an die Bedingung zu knüpfen, dass sie den Reisebüros bis am 30. September 2020 das bereits bezahlte Geld für aufgrund des Coronavirus nicht durchgeführte Flüge zurückerstatten müssen. Ob mehr kommt, ist wie oben erwähnt in Ausarbeitung.

Und was ist mit dem Vorwurf, dass die Tourismuspolitik des Bundes primär auf den Incoming-Sektor ausgerichtet ist? Maienfisch erklärt hierzu: «Für den Bundesrat sind sowohl die Incoming- als auch die Outgoing-Branche wichtig. Die Tourismuspolitik des Bundes basiert jedoch auf der vom Bundesrat im November 2017 verabschiedeten Tourismusstrategie. Während der Coronakrise setzen wir die tourismuspolitischen Schwerpunkte dort, wo der grösste Handlungsbedarf identifiziert wird bzw. wozu wir von Parlament, Bundesrat und dem WBF beauftragt werden.» Die Tourismusstrategie ist natürlich schwerpunktmässig aufs Incoming ausgerichtet, welches innerhalb der Schweiz die deutlich grössere Wertschöpfung hat als das Outgoing. Die vier tourismuspolitischen Förderinstrumente im Rahmen dieser Tourismuspolitik sind einerseits Schweiz Tourismus, die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit, Innotour und die Neue Regionalpolitik (NRP). Mit diesen wird  – basierend auf der vom Bundesrat im November 2017 verabschiedeten Tourismusstrategie – das Unternehmertum im Tourismus gefördert. Und dies auch im Outgoing-Bereich.

Unter dem Strich bleibt die Feststellung, dass das SECO und weitere Bundesstellen tun, was möglich ist, um die Konsequenzen der Pandemie für Unternehmen schweizweit, und dabei natürlich auch Outgoing-Tourismusunternehmen, zu lindern. Schnellschüsse, so notwendig diese erscheinen mögen, sind aber nicht möglich, wenn man bestehende Gesetze und Regelungen berücksichtigt, und wären möglicherweise auch nicht langfristig sinnvoll. «Gut Ding will Weile haben» klingt in Notsituationen vielleicht nicht gut, aber entspricht dem grundsätzlich erfolgreichen «Schweizer Weg». Nun bleibt also wohl nur abzuwarten, wie der Bundesrat im August, nach Erhalt der Vorschläge des SECO hinsichtlich einer Sonderlösung für die Reisebranche, entscheidet. Nicht zu vergessen ist derweil auch, dass die Politik allein das Überleben von Firmen nicht regeln mag - letztlich ist es der Markt bzw. der Konsument, welcher entscheidet.