Tourismuswelt

Sicherheit ist relativ; präventive Massnahmen helfen, ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Die Reisebranche macht dabei keinen schlechten Job. Bild: AdobeStock

Kommentar In der Schweiz ist es nicht wirklich sicherer als anderswo

Jean-Claude Raemy

Die aktuell vielen Erlebnisberichte von Auslandreisen zeigen, dass das Thema Gesundheits-Sicherheit in den meisten Ferienorten ernst genommen wird. Parallel dazu könnten Schweizer in einigen Ländern bald auf eine Risikoliste fallen. Was sagt uns dies zur bundesrätlichen Empfehlung und weit verbreiteten These, wonach Ferien in der Schweiz «am sichersten» seien für die Gesundheit?

Was war das bisher nur für ein seltsames Reisejahr! Am 13. März empfahl der Bundesrat, auf nicht dringliche Auslandreisen zu verzichten. Am 15. Juni kam dann immerhin eine Lockerung, wonach wenigstens Reisen in die Länder des Schengen-Raums (inklusive Nordeuropa sowie Grossbritannien) wieder durchführbar waren. Dies bedeutete aber nicht, dass alle diese Länder gleichzeitig ihre Reiserestriktionen aufhoben. Parallel dazu gilt seit dem 6. Juli für Personen, die aus 29 Ländern in die Schweiz einreisen, für zehn Tage eine Quarantänepflicht.

Letzteres und die Volatilität der Einreisebestimmungen, gepaart mit den «Reisewarnungen» von Behördenseite, haben vielen Schweizern die Lust auf Ferien im Ausland fürs erste verdorben. «Auch in der Schweiz ist es schön», so der Tenor bei vielen. Man hört von ausgebuchten Campingplätzen, Tipps für Ferien im eigenen Land werden fleissig geteilt, man bereitet sich auf einen Sommer an Seen und in Badis statt am Meer vor.

Nun, das ist nicht per se schlecht und natürlich ist die Schweiz schön. Eine wesentliche Frage stellt sich dennoch: Ist es in der Schweiz tatsächlich auch sicherer als im Ausland, in Bezug auf die Gesundheit? Auch ohne den Teufel an die Wand zu malen, muss nämlich festgehalten werden, dass die Fallzahlen in der Schweiz zuletzt wieder angestiegen sind. Primär im Kanton Zürich, wegen einigen Superspreader-Events im Zusammenhang mit dem Nachtleben, aber auch in anderen Kantonen teils recht deutlich.

Wir wollen noch nicht von einer zweiten Welle sprechen. Aber Fakt ist, dass die Schweiz inzwischen wieder anders wahrgenommen wird in anderen Ländern. Beispiel: Finnland erlaubt im Prinzip ab dem 13. Juli wieder die Einreise aus EU- und Schengen-Ländern - aber führt eine Liste mit Ländern, in denen die Inzidenzrate, d.h. die Anzahl der Coronavirus-Infektionen, in den letzten 14 Tagen pro 100'000 nicht mehr als acht war - und nur Reisenden aus diesen Ländern wird freie Einreise gewährt. Die Liste dieser Länder ist noch nicht offiziell publiziert (das erfolgt noch diese Woche); die Zeitung «Helsingin Sanomat» hat aber bereits publiziert, welche Länder aktuell freie Einreise geniessen könnten - die Schweiz fiele demnach nicht in diese Kategorie. Auch die Seychellen, wohin nun wieder gereist werden darf, führen die Schweiz nicht mehr in der Liste der «grünen Länder», sondern bei den «orangen Ländern». Die Einreise ist weiterhin möglich, aber das bedeutet so viel wie «wir behalten Euch im Auge».

Achtung vor der Roten Karte anderer Staaten

Solange die Schweiz nur solche «Gelbe Karten» erhält, ist es nicht weiter schlimm. Aber es kann schnell zur «Roten Karte» kommen, wenn die Fallzahlen wieder deutlich steigen. Mit der Konsequenz, unter anderem, von wieder möglichen Reiseeinschränkungen für vermeintlich offene Reiseziele.

Schaut man sich in der Schweiz um, scheint aber für viele Mitbürger Corona bereits in Ding der Vergangenheit zu sein. Man trifft sich öffentlich zum Plausch, herzt wildfremde Menschen, feiert Partys, und war bis zu einer verordneten Maskenpflicht im ÖV, also bis noch letzten Sonntagabend, auch in komplett überfüllten Trams und Zügen in der Regel maskenfrei unterwegs. Man mag sich über Masken und Distanzierungen enervieren: Nur wenn diese befolgt und die Fallzahlen tief gehalten werden, können wir unsere gewohnten Tätigkeiten - natürlich mit diversen neuen Hygiene-Regelungen - befolgen. Dazu gehören auch die Auslandreisen.

Ach ja, und wer meint, in der Schweiz sei die Ansteckungsgefahr geringer: Ausländische Hotels und Transporteure sind genauso aktiv wie solche in der Schweiz, wenn es um das Erarbeiten und Umsetzen von speziellen Hygienemassnahmen geht. Wir erhalten so viele Zuschriften von Hotelketten und dergleichen auf der Redaktion, dass wir gar nicht mehr erst versuchen, jede einzelne Hygienemassnahme pro Hotel, Club, Flughafen oder sonstwas per Artikel zu erwähnen. Aber, und das bescheinigen auch die ersten Besuche von Reisebranchenprofis im Ausland, die Hygieneregelungen werden in den touristischen Destinationen am Mittelmeer konsequent umgesetzt und auch eingefordert. Zumindest teilweise sogar noch viel stringenter, als dies in der Schweiz der Fall ist. Und klar geht man lieber im eigenen Land ins Spital, sollte ein Notfall eintreten. Ausländische Gesundheitseinrichtungen als pauschal schlechter einzustufen, ist aber eine Anmassung.

Was spricht also gegen die Auslandreise? Im Prinzip nichts, sofern man temporäre Hygienemassnahmen hinnimmt und diese auch befolgt. Im Weg steht höchstens das eigene Unvermögen, die Sache auch nach dem vermeintlichen Ende aller Probleme weiterhin Ernst zu nehmen und sich die wieder errungene Reisefreiheit selber wieder zu vermasseln.