Tourismuswelt

Sunday Press Keine Entlassungen bei Swiss und Edelweiss?

Airlines verkünden weltweit Massenentlassungen, doch bei den Schweizer Airlines passiert nichts derartiges. Wieso? – Kopflose Schweizer Marketingkampagnen – Globetrotter-Gründer Walo Kamm im Interview.

Swiss steht besser da als andere

Was mussten die Medien, Travelnews eingeschlossen, zuletzt nicht alles schreiben: Emirates will 30’000 Stellen streichen. British Airways hat den Abbau von 12’000 Jobs angekündigt, SAS deren 5000. Easyjet plant, 4500 Stellen abzubauen - bei der Schweizer Tochter dürften 100 Jobs betroffen sein. Das sind nur einige Beispiele; die Corona-Pandemie hinterlässt gerade in der Luftfahrt eine massive Spur der Verwüstung. Auch der Lufthansa-Konzern muss bluten: Lufthansa droht mit einem Arbeitsplatzabbau von 20’000 Vollzeitäquivalenten, die Tochtergesellschaften Brussels Airlines (1000 Stellen) und Austrian (1100 Stellen) planen Abbau, Germanwings mit 1400 Mitarbeitenden stellte den Betrieb gleich ganz ein. Von Swiss und Edelweiss hört man nichts Derartiges. Wieso eigentlich? Die «SonntagsZeitung» hat die Gründe dafür zusammengetragen.

  1. Die Swiss konnte nach dem Grounding der Swissair bei null beginnen – und ist diejenige Gesellschaft im Konzern, die deswegen am effizientesten aufgestellt ist, während andere Konzern-Airlines verkrustete Strukturen haben. Das gilt insbesondere beim Overhead; dafür verdienen Piloten und Flight Attendants mit alten Verträgen bei der Lufthansa teilweise mehr als die Kollegen bei Swiss. Diese Strukturen seien mit ein Grund, warum die Swiss der Muttergesellschaft seit Jahren fette Gewinne abliefert - 2019 mit 578 Millionen Franken fast die Hälfte des Konzerngewinns.
  2. Schweizer haben Geld und geben es gern für Reisen aus. Dazu kommt eine global ausgerichtete Volkswirtschaft mit viel Geschäftsreiseverkehr. Es wird erwartet, dass der Verkehr ab Zürich stärker anziehen wird als anderswo. Ein erstes Anzeichen dafür ist, dass jenes Fünftel der Flieger, das schon wieder abhebt, gut gefüllt ist - auf Europa-Strecken soll schon vorletzte Woche ein Sitzladefaktor von 80 Prozent erzielt worden sein.
  3. Die Politik will der Swiss Entlassungen nicht verbieten. Doch die Swiss ist sich bewusst, welche Reaktionen es bei einer Massenentlassung trotz 1,5 Milliarden Franken Staatshilfe geben würde. Um nicht Goodwill zu verspielen, dürfte sie nur zur Massenentlassung greifen, wenn es nicht mehr anders geht. Zusätzlich profitiert die Airline von den im internationalen Vergleich sehr grosszügigen Kurzarbeitsregeln in der Schweiz.
  4. Die Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen ist gut. Statt Verhandlungen über Entlassungen dürften zuerst Teilzeitmodelle für alle zur Diskussion stehen. Bei den Piloten soll ausserdem das Rentenalter gesenkt werden, um mehr Leute von der Lohnliste zu haben. Während es für das Kabinenpersonal keinen Sozialplan gibt, besteht einer für das Bodenpersonal.

Trotzdem stehen auch Swiss harte Zeiten ins Haus: Der Business-Plan für die Corona-Krise sieht Kostensenkungen von 20 Prozent vor - die Firma geht von einem Stellenabbau aus. Bloss soll dies sanfter erreicht werden als anderswo, nämlich über einen Einstellungsstopp, Fluktuation und Pensionierungen. Die Ankündigung von Wirtschaftsminister Guy Parmelin, eine Verlängerung der Kurzarbeit auf 18 Monate zu prüfen, nahm zusätzlich Druck weg.

«Wenn es um die Luftfahrt geht, setzt der Verstand aus»

Beat Schmid, Wirtschaftsautor bei der «SonntagsZeitung», argumentiert in einem Kommentar, dass es Unsinn sei, Milliarden für die Rettung der Swiss auszugeben und gleichzeitig eine CO-Steuer einzuführen. Die CO2-Steuer ist seit letzter Woche beschlossene Sache und wird das Fliegen künftig verteuern. Der Lenkungsmechanismus bewirkt, dass Wenigflieger gegenüber Vielfliegern bevorteilt werden. «Wer ans Klima denkt, kann eigentlich nicht dagegen sein», findet Schmid, und betitelt den Entscheid kurz darauf als «grotesk». Dies, weil die gleichen Politikerinnen und Politiker kurz zuvor Milliarden bereitgestellt haben, um die Luftfahrtbetriebe zu retten. Dazu Schmid: «Wieso stützt man die Fliegerei mit Milliarden und führt gleichzeitig eine Strafsteuer auf Kerosin ein? [...] Dabei bestehen in Europa grosse Überkapazitäten im Luftraum. Doch statt die Fluggesellschaften schrumpfen zu lassen - und so nebenbei die Pariser Klimaziele schneller zu erreichen -, pumpen die Politiker lieber Steuermilliarden in ein marodes System, das in einem freien Markt längst zusammengebrochen wäre.»

Sind Sie mit dieser Meinung einig, oder ist das Humbug? Diskussion eröffnet.

Kopflose Schweizer Marketingkampagnen?

Der Slogan der Schweizer Tourismusindustrie für diesen Sommer lautet «Ich brauch Schweiz». Doch wären Werbetexte ehrlich, müsste die Industrie ihn umformulieren: «Wir brauchen die Schweizer». Denn die Corona-vermurkste Saison müssen dieses Jahr vor allem die Einheimischen retten. Was allerdings schwierig wird: Um die gleiche Anzahl Ankünfte mit Schweizer Kunden zu erreichen, müsste sich die Zahl der getätigten Reisen von Schweizer Staatsangehörigen von 2,3 Mio. auf 4,6 Mio. verdoppeln.

Das ist kaum realistisch, und doch stellt sich die Marktbearbeitung prioritär auf den Schweizer Gast ein, erklärt Damian Constantin (Direktor Wallis Promotion und Präsident der Konferenz der regionalen Tourismusdirektoren) gegenüber der «NZZ am Sonntag». Im Kampf um die einheimischen Touristen werden Schweizer Feriengebiete, die gegen aussen bei der Vermarktung der Schweiz zusammengearbeitet haben, nun also zu Konkurrenten. Plötzlich richten Tourismusregionen, die bisher in Schanghai und Dubai Inserate geschaltet haben, ihren Fokus auf den heimischen Markt.

Die Marketingschlacht der Schweizer Ferienorte um einheimische Touristen ist bereits voll im Gang und treibt seltsame Blüten, und wird deshalb von Experten auch als «kopflos» bezeichnet, da völlig unkoordiniert. Weniger bekannte Regionen wollen sich auf die touristische Landkarte setzen, zum Teil mit denselben Ideen und Sujets. Der Zürcher Werber Parvez Sheik Fareed, Mitinhaber der Agentur PAM Advertising, urteilt: «Die Kampagnen sind alle sehr undifferenziert. Die üblichen schönen Landschaftsbilder und ein banaler Text.» Hängen bleibe wenig. Es sei wie ein Feuerwerk am helllichten Tag. Ob die Schweizer Bevölkerung mithilft, ihre Tourismusindustrie zu retten, hänge wesentlich von einem ganz anderen, viel profaneren Faktor ab: dem Wetter. Sonnige Wochenenden und ein goldener Herbst richten dieses Jahr über die Existenz von zahlreichen Hotels, Beizen und Geschäften.

«Wenn ein Flug nach Bangkok bloss 500 Franken kostet, ist das keine Wertschätzung für eine so grandiose Flugreise.»

In der «SonntagsZeitung» findet sich ein lesenswertes Interview mit Walter «Walo» Kamm, dem Gründer von Globetrotter, der selber ein echter Reisepionier war und heute noch aktiv ist: In mehreren Verwaltungsräten der Globetrotter Group, beim «Globetrotter Magazin» oder als Buchautor («Globetrotter-Spirit», das von der Sinnfindung durch Reisen handelt, und «Globetrotter - ein unternehmerisches Abenteuer», welches die Entwicklung vom alternativen Reisebüro zum komplexen Reiseunternehmen beleuchtet).

Im Interview redet Kamm etwa über die aktuelle Situation bei Globetrotter («Im April und Mai machten wir 96 Prozent weniger Umsatz als in gleichen Monaten 2019 - schwindelerregend!»), aber auch darüber, dass ihn seine 80 Lenze und die globale Corona-Pandemie nicht vom Reisen abhalten; er hat noch einige Reisen vor. Seine letzte grosse Reise führte durch Asien, auf 14 Flüssen und mit 28 Bootsfahrten, mit Übernachtungen in schönen Hotels wie in einfachen Gästehäusern, jeweils mit einem grossen Rucksack. Obwohl er heute vermögend ist, käme es Kamm nie in den Sinn, bloss im Luxushotel abzuhängen. Er habe Freude daran, die Leute zum Reisen zu inspirieren, rät aber dazu, weniger und dafür länger zu reisen, keine festgelegten Routen zu verfolgen. Er glaubt auch, dass es noch viele unentdeckte Paradiese gibt, obwohl manche klassische Trekkingtouren heute überlaufen sind. Er spricht darüber, wie er auf Reisen teils Drogen konsumierte, wie er familiär ungebunden blieb, weshalb er sanftes Reisen bevorzugt und die Flugpreise als viel zu billig einstuft («Wenn ein Flug nach Bangkok bloss 500 Franken kostet, ist das keine Wertschätzung für eine so grandiose Flugreise.»). Früher sei er mausarm gewesen, aber stets anständig und ein guter Gesprächspartner, und kam so um die Welt.

Interessant auch: Kamm hat, im Gegensatz zu früher, seine Kamera nicht mehr dabei. «Inzwischen ist das Reisen ohne Kamera viel entspannter», sagt er. Das klingt im Zeitalter der steten Selbstdarstellung und pausenlosen Aktivitäts-Dokumentation auf Sozialen Medien eigentlich schon wieder modern...

Im Fall einer zweiten Corona-Welle gäbe es nur regionale Lockdowns

Morgen Montag (15. Juni) hebt die Schweiz die Einreisebeschränkungen für alle EU- und EFTA-Länder sowie Grossbritannien auf. Damit wird unter anderem das Tourismusgeschäft angekurbelt, doch es steigt auch das Risiko eines erneuten Corona-Ausbruchs. Der Bundesrat arbeitet laut «NZZ am Sonntag» derzeit ein Konzept für eine zweite Welle aus. Einen landesweiten Lockdown soll es demnach nicht mehr geben. Stattdessen wird ein regionaler Ansatz verfolgt, bei dem die Kantone führend sind und selbständig Quarantäne-Massnahmen verfügen können. Sprich: Bei einem regionalen Ausbruch könnten Läden, Restaurants, Hotels oder sogar ganze Ortschaften vom Kanton abge­riegelt werden. Eine solche Massnahme würde in Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) getroffen. Lockdowns seien wenn möglich zu vermeiden.

Dass regionale Lockdowns vor allem in Tourismuskantonen vorgese­hen sind, erstaunt nicht: Verschiedene Ferienorte in den Alpen haben Anfang Jahr dazu beige­tragen, dass sich das Virus rasch verbreiten konnte.

Reiseversicherung nicht beim Reisebüro abschliessen?

Wirtschafts- und Finanzexperte Martin Spieler beantworten in der «SonntagsZeitung» Fragen rund ums Geld. Ein Leser erklärt, das Reisebüro wolle für eine USA-Reise eine Reiseversicherung kaufen, und fragt, ob man diese brauche. Spieler’s Antwort lautet ja, fügt dann aber bei: «Allerdings würde ich eine Police nicht beim Reiseveranstalter abschliessen, sondern bei einem Versicherer oder beim TCS. Da bekommen Sie für wenig Geld eine Jahrespolice, in der sowohl das Annullationsrisiko als auch die Gefahren auf der Reise abgesichert sind. So sind Sie auch für spätere Ferien und Wochenendausflüge versichert. Wenn Sie die Reise mit der Kreditkarte bezahlen, ist für Teilbereiche eine Reisetransportversicherung inbegriffen. Ich würde mich aber zusätzlich absichern. Vor allem ist es wichtig, dass Sie bei Ihrer Krankenkasse eine Zusatzdeckung für die USA und allfällige weitere Länder abschliessen, da sie sonst eine Deckungs lücke riskieren, was in den USA, wo die Spitalkosten immens sind, fatal sein kann. Reisegepäck ist meist versichert, wenn Sie eine Hausratspolice haben.»

Vielflieger vermasseln dem Bund die Ökobilanz

Die «SonntagsZeitung» nimmt die Ökobilanz der Berner Bundesverwaltung unter die Lupe. Und stellt fest: Im Bereich der Flugreisen hat die Umweltbelastung im Berichtsjahr 2018 im VBS um 21 Prozent zugenommen. Die Öko-Buchhalter des Bundes haben eine deutliche Zunahme der Flugkilometer bei den interkontinentalen Flügen sowohl in der Kategorie Economy als auch in der Business Class festgestellt.

Die SonntagsZeitung hat den nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Bericht gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz herausverlangt. Darin wird bilanziert, wie die einzelnen Verwaltungseinheiten die Vorgaben des Bundesrates umsetzen. Diese sehen vor, dass die Umweltbelastung pro Verwaltungs-Vollzeitstelle gegenüber 2006 bis Ende 2019 um 30 Prozent reduziert wird. Auf den ersten Blick fällt diese aktuellste Zwischenbilanz zum Umweltprogramm des Bundes zwar positiv aus: Durch Bemühungen bei Gebäudesanierungen, durch Strom- oder Papiersparen konnte die Umweltbelastung der Bundesverwaltung zwischen 2006 und 2018 um 32 Prozent gesenkt werden. Die Vielflieger der Verwaltung neutralisieren die positive Entwicklung allerdings. Insgesamt habe die Verwaltung mit ihren 19’700 Vollzeitstellen im Jahr 2018 rund 66 Millionen Flugkilometer zurückgelegt. Statt abzunehmen, stieg die Umweltbelastung durch Flugreisen in der Bundesverwaltung seit 2006 um 24 Prozent.

Absolute Spitzenwerte erzielten die Angestellten des Aussendepartements: Pro Vollzeitstelle legten sie im Jahr 2018, in dem Greta Thunberg ihren «Skolstrejk för klimatet» startete, stattliche 19’530 Flugkilometer zurück. Zu den Vielfliegern in der Verwaltung gehören auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (8288 Flugkilometer pro Vollzeitstelle) und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (8179). 4622 Kilometer legten die Angestellten des Bundesamts für Umwelt im Flugzeug zurück. Auf höchster Verwaltungsebene haben die Generalsekretäre inzwischen immerhin beschlossen, bei Reisen ins Ausland die Delegationen künftig zu verkleinern. Die Interessenvertretung soll - so die Absichtserklärung - zunehmend über die Botschaften erfolgen.

Vermischtes

Eine spannende Reportage aus Norditalien, welche die spürbaren Auswirkungen der Corona-Tragödie auf den Alltag und insbesondere auch auf touristische Einrichtungen betrachtet, bietet die «NZZ am Sonntag». Trotz der Öffnung für Touristen nennt die Zeitung diesen Beitrag eine «Reise in ein versehrtes Land».

«Ein erster Ausflug über die Grenze» - so betitelt die «SonntagsZeitung» eine Reportage über fünf Ausflüge in benachbarten Ländern. Dabei geht es nach Annecy bei Genf, in den Bregenzerwald, zum Affenberg Salem am Bodensee, in den Skyline Park bei Bad Wörishofen im Allgäu sowie ins Südtirol.

Ähnliches gibt es in der «Schweiz am Wochenende»: Mittels 9 Tipps werden «Ferien ohne Dichtestress» in Europa angepriesen. Die Tipps? Es geht nach Fischland-Darss-Zingst an der deutschen Ostsee, ins Piemont, nach Montpellier, zum Wildcampen an die Gjipe Beach in Albanien, ins Sommerhäuschen in der Finnischen Seenplatte, der Rhône entlang zwischen Genf und Lyon, ins schmucke, historische kroatische Städtchen Korcula sowie auf die autonomen Åland-Inseln zwischen Schweden und Finnland.

In der «NZZ am Sonntag» gibt es überdies eine 12-seitige Beilage «Tessin», welche mittels diverser Artikel zu natürlichen Sehenswürdigkeiten sowie Anreisemöglichkeiten Lust auf den Schweizer Kanton südlich der Alpen machen soll, der sich in der Werbung selber scherzhaft als «27. Kanton: Hawaii» bezeichnet.

Wandern auf Goethes Spuren: Die Via Spluga ist reich an Attraktionen. In der «SonntagsZeitung» gibt’s eine Reportage zur Bündner Region mit der Viamala-Schlucht, der Kirche von Zillis oder dem feinen Capuns.

Im «SonntagsBlick» gibt’s einen kleinen Bericht zum Alpaufzug auf die Engstligenalp. Der Aufstieg der 500 Kühe ab Adelboden auf die Alp auf 2000 Metern über Meer erfolgte wegen Corona ohne Zuschauer.  

(JCR)