Tourismuswelt

Wann wird was wofür bezahlt? Gewisse Reiseveranstalter denken um - und Gleiches wird von der Airline-Branche gefordert. Bild: AdobeStock

Kommentar Die Zahlungsmodalitäten sollten jetzt unter die Lupe genommen werden

Jean-Claude Raemy

Darf man mit Vorauszahlungen den regulären Geschäftsbetrieb finanzieren? Neue Modelle bei Zahlungsprozeduren und Geldflüssen sind gefordert.

Aktuell kämpfen weltweit Tausende Unternehmen ums Überleben, insbesondere in der Reisebranche. Oberste Priorität hat der Erhalt der Liquidität. Das ist völlig nachvollziehbar. Nur gibt es dazu unterschiedliche Methoden. Und innerhalb der Wertschöpfungskette des Tourismus tobt nun ein Kampf über Zahlungsmodalitäten.

Ein zentrales Thema ist die Geschäftspraxis, wonach mit Buchungs-Vorauszahlungen der laufende Betrieb finanziert wird. Dies wird sowohl bei Airlines wie auch bei Reiseveranstaltern praktiziert. Das Problem ist jedoch zurzeit, dass keine neuen Buchungen hereinkommen, derweil viele Kunden ihr Geld zurückfordern. Von Seiten der Reiseveranstalter und Airlines wurde gehofft, dass man ein Gutscheinsystem einrichten könne. Dies ist, solange freiwillig, ein durchaus gangbarer Weg; den Gutschein-Zwang, wonach man das Geld nicht hätte Cash zurückzahlen müssen (und dem Endkunden eine Art erzwungenes Darlehen ans Unternehmen aufgebürdet hätte), hat die EU allerdings abgeschmettert. Denn: Ein Leistungsträger ist ein Treuhänder, der das Kundengeld verwahren muss, bis die Leistung erbracht wird. Und kann diese nicht erbracht werden, steht dem Kunden das Geld wieder zu.

Kann das BSP-Modell neu definiert werden?

Im Flugverkehr ist die Zahlungsmodalität schon lange problematisch, da der BSP (Billings & Settlement Plan) relativ einseitig zugunsten der Airlines ausgelegt ist, zumal es sich um ein System des Luftfahrt-Dachverbands IATA handelt. Der Vorteil des BSP liegt auf der Hand: Es gibt nur eine Zahlung statt Millionen separater Transaktionen mit den Verkaufsstellen. Doch die Funktionalitäten des BSP sorgen immer wieder für Reibungen. So konnten auch quasi auf Knopfdruck die Rückvergütungen an Reisebüros und Endkunden ausgesetzt werden.  

Inzwischen grassiert ein unübersichtlicher Dschungel aus unterschiedlichen Umbuchungs- und Stornobedingungen, auch hier wieder sowohl bei Airlines wie auch bei Reiseveranstaltern. Das macht die Arbeit der Vertriebsstellen schwierig und sorgt auch nicht gerade für ein klares Verständnis und damit Vertrauen bei den Endkunden.

Die Forderungen des Vertriebs sind klar. In Bezug auf die Airlines heissen diese: Flüge werden erst bezahlt, wenn die Flugleistung auch stattgefunden hat. Dazu schlägt beispielsweise Marcel Gsell (Reisebüro Sunshine, Waldstatt) folgende Prozedur vor: «Die Fluggesellschaft oder das Reisebüro macht das Inkasso bei den Kunden. Die Fristen werden dabei neu definiert. Das der Airline oder dem Reiseanbieter anvertraute Kundengeld wird beim BSP einbezahlt und bis zur Durchführung des Fluges, also der Leistungserbringung, parkiert. Der BSP zahlt 50% des Reisebetrages am Abend des Hinflugs an die Airline aus und die restlichen 50% am Abend des Rückfluges. Konnte eine Leistung nicht erbracht werden, zahlt der BSP das Geld des Kunden innert 4 Wochen wieder an den Leistungsbezüger, Auftraggeber oder Kunden zurück. Administrationskosten für eine Flugbuchung hätte der Kunde in jedem Fall zu bezahlen.»

Ob diese Forderung so umgesetzt werden kann, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber es scheint, dass in der Krise neue Wege gefunden werden müssen. Und am einfachsten lässt sich dies umsetzen, wenn man sich ohnehin komplett neu aufstellen muss. Deshalb hat auch die Diskussion um eine Kundengeldabsicherung von Seiten der Airlines jüngst auch wieder Auftrieb erhalten. Möglicherweise lässt sich so der Flugbetrieb wie zuletzt bekannt nicht aufrecht erhalten; man könnte aber das System Luftfahrt auf neue Beine stellen.

Zahlungsverzögerungen werden nicht mehr toleriert

Auch die Reiseveranstalter sind mit dem Problem der Liquidität konfrontiert; die relative Nähe zum (stationären) Vertrieb hat zwar dazu geführt, dass in vielen Fällen bereits zurückgezahlt wurde. Jedoch werden auch von den TOs Grenzen ausgelotet - anschaulich etwa am Beispiel von TUI, welche Hoteliers in Thailand (und offenbar weltweit) hinsichtlich Rückzahlungen vertröstet. Die unilaterale Verschiebung von Zahlungsverpflichtungen ist - selbst in absoluten Krisenzeiten wie aktuell - fragwürdig. Und es wird je länger je mehr auch nicht mehr akzeptiert.

Laut der «Bangkok Post» haben die Hoteliers in Thailand nun die TUI angeschrieben und mitgeteilt, dass sie den Zahlungsaufschub nicht länger hinnehmen; TUI hatte verlangt, dass die Hoteliers einer revidierten Zahlungsmodalität zustimmen. Die Hoteliers schlagen vor, dass mindestens die Hälfte der geschuldeten Gelder bereits in diesem Monat überwiesen werden muss. Ein Kompromissvorschlag, wie er eigentlich in Krisenzeiten vonnöten ist. Er zeigt, dass eben in der ganzen Kette alle leiden und es nicht hilft, wenn die grössten Player die Gelder einfach zurückhalten, weil damit die Kette - und vor allem das Verhältnis der B2B-Partner innerhalb dieser Kette - damit nachhaltig geschädigt wird.

Andere Marktteilnehmer suchen jetzt eher wieder die Nähe zum Vertrieb - so haben etwa FTI sowie auch Bentour die sofortige Ausschüttung der Kommissionen angekündigt. Dass es ausgerechnet Veranstalter ohne Eigenvertrieb sind, ist wohl klar. Sie können im unabhängigen stationären Reisevertrieb nun punkten. Ob allerdings die Zahlungsmodalitäten nun allgemein revidiert werden, steht auch hier auf einem anderen Blatt. Zum einen können nicht alle Leistungsträger auf die Schnelle mit neuen Zahlungsmodalitäten auskommen, zum anderen könnte statt deren Änderung auch eher eine Änderung des Geschäftsmodell beschleunigt werden. Sogar TUI hinterfragt die zuletzt erfolgreiche Strategie der vertikalen Integration angesichts der Geldnot.

Es bleibt zu hoffen, dass die politischen Behörden das nötige Augenmass haben, um die Hilfsgelder nicht einfach nur den Grossunternehmen mittels Mega-Krediten nachzuwerfen, sondern dass sie auch darauf achten, dass die vielen KMU - von welchen sehr viele solide gewirtschaftet haben - nicht auf der Strecke bleiben. Und dafür braucht es möglicherweise eben auch politisch verordnete neue Zahlungsmodalitäten bzw. die Forderung nach dem Einhalten von Verträgen.