Tourismuswelt

Sunday Press Swiss muss ihre Kosten um bis zu 20 Prozent senken

Die Kreditbürgschaft des Bundes zugunsten der Swiss gibt zu reden. Wie lauten die Bedingungen, wie kam der Deal zustande, was muss Lufthansa leisten, wie wird kontrolliert? – Orascom- und FTI-Chef Samih Sawiris kritisiert die Schweizer Pandemie-Massnahmen. – Während Kleinbetriebe pessimistisch in die Zukunft schauen, können Staatsbetriebe nun auch Kurzarbeit anmelden.

1500 Stellen bei Swiss in Gefahr

Die «SonntagsZeitung» publiziert ein lesenswertes Interview mit Serge Gaillard, dem Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und Chef der Taskforce zur Rettung der Schweizer Luftfahrt. Diesem zufolge ging es bei der Ausarbeitung der Bedingungen für die staatliche Unterstützung der Swiss vor allem um den Erhalt des Schweizer Hub-Konzepts und der Langstreckenflüge. Man sei mit den Regierungen Deutschlands und Österreichs in Kontakt gestanden.

Laut Gaillard gibt es keine Beschäftigungsgarantie im Vertrag, darüber hinaus sehe der Businessplan für die Kreditvergabe Kostensenkungen von etwas weniger als 20 Prozent vor. Bei total 9500 Stellen wären somit möglicherweise über 1500 Arbeitsplätze betroffen. Über natürliche Abgänge und Frühpensionierungen wird das nicht zu schaffen sein. Weiter hat das Swiss-Management von sich aus eine zeitlich befristete Kürzung des eigenen Gehalts beschlossen, laut Insidern um 20 Prozent. Die Swiss wollte sich nicht weiter dazu äussern und verweist auf ein Statement von letzter Woche, in welchem von «drastischen Sparmassnahmen» die Rede ist.

Darüber hinaus verbürgt der Bund die Bankkredite, erhält also Geld für die Bürgschaft: «Für den Teil, den der Bund absichert, werden den Banken lediglich die Kosten für die Kapitalbeschaffung plus eine Handling-Gebühr erstattet», so Gaillard. Die Marge liege bei rund 2,5 Prozent, bei einem Kreditvolumen von bis zu 1,275 Milliarden Franken, also rund 32 Millionen im Jahr. Und: Sämtliche Aktien der Swiss werden verpfändet und gehen im Fall einer Insolvenz in den Besitz der Banken beziehungsweise des Bundes über. Vermögenswerte wie die Flugzeugflotte, die Informatik und die Markenrechte blieben in der Schweiz. Möglich ist dies, weil die Swiss eine Gesellschaft mit eigenen Aktien ist.

Dass Easyjet nichts bekommt, habe unter anderem damit zu tun, dass sie einen Covid-Kredit von bis zu 20 Millionen beantragen könne, weil ihr Umsatz unter 500 Millionen liegt. Darüber hinaus habe die Lufthansa der Swiss ein Darlehen gegeben, erst danach wurde mit den Banken geschaut, wie Swiss zu einem Kredit von bis zu 1,5 Milliarden komme. Eine Kapitalerhöhung, wie sie andere Airlines gemacht haben und auch die «SonntagsZeitung» im Rahmen eines Editorials als bessere Lösung in den Raum stellt («die Regierungen in Bern und Berlin hätten von Anfang an klar machen müssen, dass die Airline selbst für ihr Schicksal verantwortlich ist», findet Wirtschaftsautor Beat Schmid), sei keine Lösung gewesen, da laut Gaillard die Banken nicht ohne den Staat ins Risiko gehen wollten, wegen der unsicheren Entwicklung.

In Bezug auf die sogenannten «flugnahen Betriebe» angesprochen, sieht Gaillard drei Betriebe als kritisch an: Swissport, Gate Gourmet und SR Technics. Diese sollen, ebenfalls unter strengen Bedingungen, auch mit Darlehen oder Bürgschaften unterstützt werden, sogar eine Beteiligung zusammen mit den Landesflughäfen werde in Erwägung gezogen. Man müsse aber abwarten, was die aktuellen Eigentümer und Gläubiger zur Sicherung der Unternehmungen planen.

Hinsichtlich der möglichen Kredit-Auflagen, etwa beim Klimaschutz, erklärt Gaillard, dass Swiss einerseits schon heute eine der modernsten und emissionsärmsten Flotten habe, andererseits werde die die Zusammenarbeit des Bundes mit dem Lufthansa-Konzern in einer noch zu gründenden gemeinsamen Stiftung konkretisiert, worin sich der Bundesrat mit seinen klimapolitischen Vorstellungen einbringen kann. In dieser Stiftung, welche über die Dauer der Kreditvergabe und der damit verbundenen Auflagen hinaus existieren soll, werden zwei VertreterInnen von Swiss-Lufthansa und zwei vom Bund sein, und das Präsidium wird vom Bundesrat ernannt. Der Stiftungsrat erstattet einmal im Jahr dem Uvek und dem Finanzdepartement Bericht.

Der Lufthansa-Konzern, zu dem die Swiss gehört, machte bisher nur vage Andeutungen zu den gruppenweiten Sparprogrammen. In einer vorab veröffentlichten Rede zur Generalversammlung der Lufthansa von nächster Woche sagt Konzernchef Carsten Spohr, dass die Gruppe die Flotte um 100 Flugzeuge reduzieren müsse, wodurch «wir rechnerisch 10’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu viel an Bord» haben. Während die Eckpunkte des Hilfspakets für die Swiss und die Schwester-Airline Edelweiss bereits ausgehandelt sind, scheinen die Gespräche zwischen Lufthansa und der deutschen Regierung zu stocken. Um den politischen Einfluss auszuschalten, drohte Spohr bereits damit, die Airline in eine Art freiwilligen Konkurs zu schicken.

Andere Fluglinien reagierten entschlossener auf die Krise, etwa British Airways, Air France-KLM oder Scandinavian Airlines, oder auch Singapore Airlines, die kein Geld beim Staat holt.

Lufthansa muss 500 Millionen für Swiss-Hilfe zahlen

Der Hilfskredit des Bundes für Swiss, eine Tochter der deutschen Lufthansa, ist öffentlich umstritten; am Samstag jedoch wurden im National- und Ständerat die staatlichen Garantien für die Swiss und flugnahe Betriebe mit klarem Mehr gutzuheissen.

Zu den bislang bekannten Bedingungen für die Hilfe gehörten, dass das Darlehen in der Schweiz bleibt und kein Geld ins Ausland abfliesst, dass die Swiss als eigenständiger Brand im Lufthansa-Konzern mitsamt Hauptsitz in der Schweiz bestehen bleibt, und dass die Landesflughäfen ihre Hub-­Rollen behalten (und nicht etwa Langstreckenflüge abgezogen werden). Inzwischen ist auch klar, dass Lufthansa selber noch Geld für ihre Tochter Swiss einschiessen muss, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Offenbar wird auf eine für 2019 eine geplante Dividende in Höhe von 300 Mio. Franken verzichtet und der Swiss noch Liquidität von 200 Mio. Franken zugeteilt. Kontrolliert werden die Auflagen von einer Stiftung, in welcher der Bund drei Vertreter stellt und Swiss und Lufthansa je einen.

On weitere Bedingungen hinzukommen, ist noch unklar. Linke und Grüne wollen den Deal mit klima- und sozialpolitischen Auflagen verknüpfen; die Reisebranche sähe gerne Pflichten hinsichtlich Insolvenzversicherungen der Airlines oder eine Verwendung von Zuwendungen für die dringliche Rückzahlung von Kundengeldern für abgesagte Flüge. Bislang gescheitert sind Anträge, die von der Swiss ein Bekenntnis zu einer Flugticketabgabe verlangten, den Verzicht auf Inlandflüge oder die Entwicklung von synthetischen Treibstoffen. Grüne Parteien haben angekündigt, sie würden den Deal ohne zusätzliche Auflagen im Parlament ablehnen. Die Bürgerlichen haben für den Deal Unterstützung signalisiert. Letztlich kommt der Deal aber ohnehin nur zustande, wenn sich auch Deutschland mit der Lufthansa auf ein Rettungspaket einigt.

«Es gehen Milliarden von Franken verloren für ein paar Hundert weniger Tote»

Noch ein aufschlussreiches Interview in der «SonntagsZeitung»: Samih Sawiris, Chef des international tätigen Baukonzerns Orascom Development Holding mit Sitz in Altdorf UR und damit Herr über das ägyptische Ferienresort El Gouna, das Feriendorf Andermatt Swiss Alps sowie indirekt über den Reiseveranstalter FTI, kritisiert die Massnahmen der Schweiz gegen die Pandemie scharf.

Er sagt unter anderem: «In der Schweiz gehen Milliarden von Franken verloren, damit es einige Hundert weniger Tote gibt. Ich sehe das nicht ein. Es ist aber politisch unkorrekt, solche Zweifel auszudrücken.» Auf den Einwand, man könne Menschenleben nicht mit Geld aufwiegen, antwortet Sawiris: «Das stimmt, aber Geld rettet Menschenleben. Das hohe Niveau des Schweizer Gesundheitssystems kostet Geld. Geld, das gerade vernichtet wird. Hätten wir nur gerade ein Zehntel dieser Summen zur Verfügung, könnten wir in Ländern wie Ägypten Hunderttausende Menschenleben retten.» Er findet, die Urner Regierung, welche für Menschen über 65 einen vollständigen Lockdown verfügte, habe es gut gemacht und hätte ein Vorbild für die Schweiz sein sollen, denn so hätte man mehr offen lassen können, unter Einhaltung von Schutzmassnahmen.

Auf die Folgen für sein Unternehmen angesprochen, erklärt Sawiris, Orascom habe aus früheren Krisen wie 9/11 oder die Terroranschläge in Luxor seine Lehren gezogen und sei langfristig ausgerichtet, sprich, im Geschäftsplan seien Ausnahmesituationen vorweggenommen und nach jeder Krise werden wieder neue Geldmittel zur Seite gelegt für die Bewältigung der nächsten Krise. Sein Unternehmen könne bis Ende 2021 mit geschlossenen Hotelbetrieben überleben, ohne Leute entlassen zu müssen - es wurde auch niemand freigestellt, in keiner Destination.

Trotzdem: Laut Sawiris könne man davon ausgehen, dass Orascom allein mit den Hotels in der Schweiz pro Monat Schliessung rund zwei Millionen Franken Umsatz verliere. Er bleibt aber zuversichtlich: Die beiden Hotels The Chedi Andermatt und Radisson Blu verzeichnen zunehmende Buchungszahlen, etwa für die verlängerten Wochenenden an Auffahrt und Pfingsten, derweil bei FTI jeden Tag Buchungen für den Winter in Ägypten, Oman und den Emiraten hereinkommen. «Das alles sind Zeichen dafür, dass die Leute eine Normalisierung suchen», so Sawiris.

Jedem vierten Kleinbetrieb geht bald das Geld aus

Die Coronavirus-Krise hat die Umsätze zahlreicher Unternehmen schlagartig reduziert; «nicht die unternehmerische Leistung entscheidet über ihr Schicksal, sondern die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus», schreibt die «NZZ am Sonntag» und zitiert eine Untersuchung des Konjunkturforschungsinstitut (KOF) der ETH Zürich bei rund 1000 (von insgesamt 600‘000) Schweizer Selbständigerwerbenden und Firmeninhabern, welche zum Schluss kommt: Jeder vierte Selbständige kann höchstens einen Lockdown von einem weiteren Monat durchstehen, denn der Umsatzverlust im April übersteigt die Hälfte des angesparten Privatvermögens. Sprich: Diejenigen mit einer geringen Finanzkraft (Vermögen unter 50‘000 Franken) kommen überproportional unter die Räder.

Entscheidend sei auch die Branche. Hinsichtlich Incoming-Tourismus gehe immerhin jeder zweite Hotelier davon aus, dass er eine Schliessung von mehr als sechs Monaten übersteht; generell sehen 50% aus «Hotellerie und Tourismus» ihre Existenz als gefährdet an – wie viel davon Antworten aus dem Outgoing-Sektor sind, bleibt leider unklar.

Kurzarbeit auch bei Staatsbetrieben möglich

Auch öffentliche Betriebe wie die SBB und andere Transportunternehmen dürfen in der Corona-Krise Kurzarbeit beantragen, hält der Bundesrat laut «NZZ am Sonntag» fest. Über diese Frage war lange gestritten worden; das Verkehrsdepartement von Simonetta Sommaruga sagte Ja, das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin indes Nein, da diese Kasse primär für private Firmen im Wettbewerb gedacht sei und nicht für staatliche Unternehmen. Inzwischen hat sich der Bundesrat auf die Seite von Sommaruga gestellt. In ihrer Antwort auf einen Vorstoss der nationalrätlichen Verkehrskommission schreibt die Regierung explizit, dass auch öffentliche Transportunternehmen Gesuche um Kurzarbeit stellen dürfen und dass auch sie im Rahmen des Gesetzes Anrecht auf solche Leistungen haben. Mit diesem Entscheid habe der Bundesrat der ÖV-Branche nochmals ein klares Signal geben wollen, denn auch ihre Unternehmen hätten jahrelang Beiträge in die Arbeitslosenkasse einbezahlt.

Vermischtes

Der Reiseteil in der Sonntags-Zeitung ist gerade mal noch eine Seite lang, und widmet sich nicht fernen Traumzielen, sondern wie zuletzt üblich der Schweiz. «Die kommenden Monate sind ideal für einen gediegenen Roadtrip durch die Schweiz», heisst es zu einem Artikel über eine Fahrt über den Malojapass.

(JCR)