Tourismuswelt

TPA-Präsidentin Sonja Laborde: «Wir werden uns bald mit einer dedizierten Website an Endkunden richten». Bild: zVg

«Reisegutscheine sind wahre Zeitbomben»

Jean-Claude Raemy

Sonja Laborde, Präsidentin der Reisebürogruppierung TPA (welche auch eine Kundengeldabsicherungslösung bietet), schildert im Interview mit Travelnews, wie die Branche nun zusammenstehen muss, um dringliche Anliegen endlich durchzubringen und die schwierige Zeit zu überstehen.

Frau Laborde, wie schlägt sich die Coronavirus-Krise Ihrer Ansicht nach auf die Schweizer Reisebranche nieder?

Die finanzielle Herausforderung für Reisebüros ist in dieser nie dagewesenen Situation riesig. Die Reserven der Reisebüros sind aktuell gebunden: Einerseits für Rückerstattungen an Kunden, die ihre gebuchte Reise nicht antreten können, sowie für Umbuchungen, welche oftmals Kosten mit sich bringen, etwa für den Kauf von Flugtickets oder Übernachtungen. Natürlich haben viele Reisebüros von Kurzarbeitsentschädigungen beim Personal sowie von kurzfristigen Bankkrediten «profitieren» können. Es ist jedoch klar, dass diese sicherlich guten Massnahmen nur kurzfristig hilfreich sind und das Liquiditätsproblem einfach zeitlich zurückstellt. Auch wenn die Kundengelder erst später zurückgezahlt werden müssen, kann dies zu einer Zeit fällig werden, in welcher viele Agenten weiterhin kaum Einnahmen verzeichnen. Das ist eine echte Gefahr. Es ist noch zu wenig im öffentlichen Bewusstsein, dass die Margen gemessen am Arbeitsaufwand bei den Reisebüros extrem tief sind.

Es wurde ja über Gutscheine anstelle von Cash-Rückzahlungen verhandelt. Einen Zwang hierzu konnte die Reisebranche nicht erwirken. Wie stehen Sie selber zu den Gutscheinen?

Das Reisebüro ist ein Vermittler zwischen dem Verbraucher und einem oder mehreren Leistungsträgern. Eine unsägliche Situation: Es ist damit den Rückforderungungen der Kunden einerseits ausgesetzt, muss dabei aber damit klarkommen, dass gewisse Leistungsträger mit Verweis auf eigene Liquiditätsprobleme die Cash-Rückzahlungen verweigern oder zumindest verzögern. Das ist der Fall bei den Airlines, welche - gedeckt von ihrem Dachverband IATA - behaupten, nicht mehr zum rückvergüten imstande zu sein, da das Geld bereits anderweitig verwendet wurde. Wir haben auch von anderen Leistungsträgern mit Filialen in der Schweiz gehört, welche Rückzahlungen verweigern; diese stellen sich damit ebenso wie die Airlines gegen geltendes Recht.

Auf jeden Fall sind Reisegutscheine wahre Zeitbomben. Man weiss nicht, wer künftig noch auf dem Markt sein wird - weder bei den Reiseanbietern noch bei den Airlines noch bei unseren Mitgliedern. Im Gegensatz zu unseren Mitgliedern und zu allen Reisebüros und Reiseveranstaltern, die allesamt Mitglieder in einem der verschiedenen Garantiefonds der Reisebranche sind, verfügen Airlines über keinerlei Kundengeldabsicherung. Dies allein ist schon fragwürdig; gepaart mit der aktuellen Praxis in Bezug auf die Rückvergütungen, welche von der IATA zynisch verteidigt wird, kristallisiert sich deutlich heraus, dass es auch bei Airlines einer Kundengeldabsicherungslösung bedarf.

«Es ist zwingend notwendig, dass sich die Öffentlichkeit bewusst ist, dass ein Reisebüro nur jene Leistungen rückerstatten sollte, für welche es selber die Beträge von den Leistungsträgern zurückerhalten hat.»

Welche Massnahmen hat TPA zugunsten ihrer eigenen Mitglieder getroffen, um diesen durch die Krise zu helfen?

TPA unterstützt ihre Mitglieder in dieser unvorhersehbaren Situation mehr denn je! Unser oberstes Ziel ist aktuell, unseren Mitglieds-Agenten zu ermöglichen, schnell, einheitlich und adäquat auf die Herausforderungen zu reagieren. Im Laufe der letzten Woche haben wir zahlreiche Anrufe erhalten, dabei ging es jeweils um Anfragen oder Nachfragen zum Lösung von Problemen im aktuellen Verhältnis zwischen Reisebüro und Kunde einerseits sowie Leistungsträger andererseits. Jeder Anruf erhielt von uns grosse Aufmerksamkeit und wir lieferten die gewünschten Antworten; wir waren darauf etwa mit Fallbeispielen vorbereitet. Ebenso haben wir Videokonferenzen organisiert, bei denen wir uns mit den Mitgliedern und diese untereinander austauschen konnten, um weitere Antworten oder Empfehlungen zu erhalten.

Im Folgenden haben wir aufgelistet, wie wir konkret unseren Mitgliedern ausgeholfen haben:

  • Jede relevante Information aus der Presse oder von den Behörden wurde via unserem Newsletter direkt an unsere Mitglieder weitergeleitet.
  • TPA besitzt einige Hilfsmittel, die den Agenten zur Verfügung gestellt werden - beispielsweise eine nützliche Liquiditätstabelle. Ebenso hat eine von uns beauftragte, auf die Reisebranche spezialisierte Rechtsanwältin unseren Mitglieds-Agenturen Musterbriefe formuliert, die im Rahmen der Rückvergütungs-Auseinandersetzungen an Endkunden gerichtet waren.
  • TPA ist auch bei vielen Leistungsträgern interveniert, darunter etwa die IATA, um zu monieren, dass in der Schweiz geltende Gesetze teils nicht respektiert wurden und diese sich nicht an die «Spielregeln» halten.
  • TPA ist einer der aktiven Reisebranchenvertreter im Rahmen der Diskussionen, welche wöchentlich mit dem SECO, dem Polizei- und Justizdepartement und dem Konsumentenschutz stattfinden. Wir sind ein Teil davon, wenn es darum geht, der Stimme der Reisebüros und Reiseveranstalter in Bern Gewicht zu verleihen. Ich selber habe auf die Doppelbelastung der Reisebüros bei der Rückvergütungs-Problematik vielfach in den Medien - Presse, Radio, TV - sowie auf Social Media hingewiesen. Es ist zwingend notwendig, dass sich die Öffentlichkeit bewusst ist, dass ein Reisebüro nur jene Leistungen rückerstatten sollte, für welche es selber die Beträge von den Leistungsträgern zurückerhalten hat.    

TPA hat eine eigene Kundengeldabsicherungslösung, die «Swiss Protection Passenger», welche später in «Reisegarantie TPA» umgetauft wurde. Darin sind auch Einzelleistungen gedeckt. Sind die Reserven des Fonds ausreichend für die Konkurse, mit denen aktuell zu rechnen ist?

In der Tat, wir bieten eine der Schweizer Gesetzgebung konforme Lösung an, welche auch Einzelleistungen abdeckt. Sollte es zu zahlreichen Konkursen kommen, sind wir in derselben Situation wie die anderen Garantiefonds-Lösungen auch: Wir haben natürlich Reserven, um ein paar Konkurse abzufedern; kommt es aber zu einer grossen Konkurswelle, bei welcher es unter anderem auch grössere Unternehmen trifft, wären wir und alle anderen Garantiefonds selber in Gefahr.

Aus diesem Grund setzen wir uns seit Jahren dafür ein, dass endlich das Pauschalreisegesetz grundlegend überarbeitet wird. Dieses entspricht überhaupt nicht mehr den heutigen Geschäftsmodellen. Wir müssen uns gemeinsam mit dem SRV und den anderen Garantiefonds dafür einsetzen und dem Gesetzgeber einen Vorschlag unterbreiten, um die Probleme zu beheben und die Verantwortlichkeiten juristisch sauber zu definieren.

«Wir müssen uns gemeinsam mit dem SRV und den anderen Garantiefonds einsetzen und dem Gesetzgeber einen Vorschlag unterbreiten, um die Probleme zu beheben.»

Welche Vorteile kann TPA ihren Mitgliedern in Zukunft bieten?

Das sind dieselben wie bisher und teilweise vorhin schon erwähnt. Wir wollen Hilfsmittel bieten, dank welchen unsere Mitglieder entspannter arbeiten können, etwa das Verwaltuingstool ViaTPA oder Buchführungsdokumente. Wir unterzeichnen auch künftig Sammelverträge mit Partnern - TOs, Kreuzfahrtunternehmen, Mietwagenfirmen, Hotels etc. - dank welchen unsere Agenturen, selbst die kleinsten, gute Kommissionen auf ihren Verkäufen erhalten.

Wir wollen stets Nähe zu unseren Mitglieder wahren. Natürlich müssen wir deren Bilanzen regelmässig und rigoros analysieren; wir können aber auch Hilfe bieten, wenn es darum geht, schwierige Zeiten wie jetzt durchzustehen. Wir werden weiter regelmässig regionale «Runde Tische» organisieren, um die Kontakte zu pflegen, uns die Sorgen und Nöte der Mitglieder anzuhören und Lösungen zu erarbeiten.

Sie haben vorhin erwähnt, dass es wichtig sei, der Branche in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Gibt es dazu nebst Medienauftritten oder Sitzungen in Bern noch weitere Möglichkeiten?

Wir werden sehr bald eine Website lancieren, welche sich direkt an Konsumenten richtet. Dort wollen wir klarstellen, welchen Mehrwert eine Reise-Reservierung im Reisebüro gegenüber dem eigenständigen Kauf im Internet darstellt. Dies ist schon in normalen Zeiten offenkundig, dank der Professionalität und Kundennähe der Reisebüro-Agenten, welche die Bedürfnisse ihrer Kunden genau kennen. In Krisenzeiten wie der aktuellen wird es erst recht deutlich: Wer bei einem Reisebüro gebucht hat, welches Teilnehmer ist in einem der verschiedenen Schweizer Garantiefonds, erhielt eine optimale Unterstützung und sparte viel Zeit, etwa bei notwendigen Aktionen im Zusammenhang mit verschobenen oder annullierten Flügen.

Es wäre fatal, wenn man jetzt die Reisebüros fallen lässt; im Gegenteil, man muss sie unterstützen. Zur Erinnerung: Reisebüros in der Schweiz generieren Umsätze in Höhe von rund 7,5 Milliarden Franken und bieten über 8000 Arbeitsplätze. Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der in der Schweizer Tourismuslandschaft nicht vernachlässigt werden darf.