Tourismuswelt

Sunday Press Wieso gehen die Reisebüros leer aus?

Nach der Seco-Abfuhr befürchtet der Schweizer Reise-Verband eine Konkurswelle. – Online-Reisebüros lassen Kunden auf ihren Anliegen sitzen. – Krisengeschüttelte Schweizer Hoteliers reagieren mit Kreativität.

SRV-Präsident befürchtet Konkurswelle

Vor einigen Tagen informierte der Schweizer Reise-Verband (SRV), dass die Verhandlungen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gescheitert sind. Der Bundesrat lehnt einen Rettungsplan für die 1300 Reisebüros ab, wie Travelnews berichtete. Es ging darum, eine Gutscheinlösung zu erreichen und eine Verlängerung des Rechtstillstands bis Ende September zu bewirken. Andere Akteure im Tourismus hingegen haben schon länger Hilfe in Aussicht gestellt bekommen – etwa die Swiss. «Dass der Bund die Swiss bei Bedarf unterstützt, ist im Interesse der ganzen Branche», sagt Verbandspräsident Max E. Katz. gegenüber der «Sonntagszeitung». «Doch ein Teil dieses Geldes muss zwingend für Barrückzahlungen an die Endkunden bestimmt werden.» Zudem fordert der SRV-Präsident ein neues Bewirtschaftungssystem der Airlines im Umgang mit den Kundengeldern. Dem stimmt auch Globetrotter-Chef André Lüthi zu und gibt zu bedenken, dass die Fluggesellschaften die Vorauszahlungen der Kunden nicht für den laufenden Betrieb einsetzen dürften – ein Sperrkonto wäre sinnvoller.

Für Schweiz Tourismus winkt gar ein Sicherheitspaket von 40 Millionen Schweizer Franken, um ausländische Touristen künftig wieder in unser Land zu locken – ein Entscheid, der nicht nur auf Begeisterung stösst. Der Schweizer Reiseverband warnt davor, dass ohne finanzielle Hilfe eine Konkurswelle der Reisebüros droht und rund 8000 Arbeitsplätze gefährdet sind, wie Max E. Katz, gegenüber der Zeitung sagt. Auch André Lüthi, der ebenfalls in der Arbeitsgruppe vertreten ist, äussert sich: «Irgendjemand muss letztlich das Geld für die schätzungsweise 200 bis 300 Millionen Franken an offenen Forderungen gegenüber den Reisebüros aufbringen.» Entweder soll dies mit einem vom Bund gespiesenen Fonds oder aber durch eine temporäre Abänderung des Pauschalreisegesetzes geschehen.

Dass Schweiz Tourismus ein 40-Millionen-Hilfepaket erhalten soll, stösst auch verschiedenen politischen Parteien sauer auf, zumal noch nicht klar sei, wenn es mit dem Tourismus wieder losgehe. Gegner sind die SVP, die Grünen und Grünlieberalen. Die Massnahme sei unüberlegt und es sei nicht damit zu rechnen dass sich die Situation in Asien, den USA sowie Europa schnell erhohle und Touristen in die Schweiz zurückkämen. Die SP, die FDP und die CVP sprechen sich für die Unterstützung von Schweiz Tourismus aus: «Es braucht stützende Massnahmen, damit die Schweizer Tourismusbranche nach Ende der Corona-Krise so rasch wie möglich wieder in die Gänge kommt», sagt SP-Sprecher Nicolas Haesler gegenüber der Zeitung. «Daher sind solche vorausschauenden Investitionen sicherlich eine sinnvolle Massnahme.» Nach der Krise würden alle Länder um die Gunst der ausländischen Gäste buhlen, weshalb es für die Schweiz wichtig sei, dafür gewappnet zu sein, finden auch andere Politiker. Schweiz-Tourismus-Sprecher Markus Berger gibt zu bedenken, dass es wichtig sei, die Sehnsucht nach dem Ferienziel Schweiz wach zu halten und bereits jetzt Buchungen auszulösen. Das Geld sei deshalb gut investiert.

Italien will die Strandferien retten

Unser Nachbarland Italien wurde besonders hart vom Coronavirus getroffen. Tausende Tote, der absolute Lockdown mit Ausgangssperre im ganzen Land und ein überlastetes Gesundheitssystem. Aber müssen die Einheimischen trotzdem auf ihre anstehenden Sommerferien verzichten? Auf keinen Fall, meint Lorenza Bonaccorsi, Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Tourismus: «Wir werden auch in diesem Sommer an den Strand gehen, in der Regierung arbeiten wir dafür, dass es möglich wird.» Es werden fleissig Ideen gesammelt, damit die Strandferien unter bestimmten Einschränkungen trotzdem möglich sind, wie die «Sonntagszeitung» schreibt. Eine davon ist beispielsweise das Aufstellen von quadratischen Plexiglasboxen mit einer Grösse von 4,5 mal 4,5 Meter und einer 1,5 Meter breiten Öffnung am Strand. Doch diese Idee kommt nicht in allen Landesteilen gut an. Andrea Gnassi, Bürgermeister von Rimini, hält die Umsetzung für unwahrscheinlich. Realistischer wäre es wohl, dass eine Mindestdistanz zwischen den Sonnenschirmen eingeführt wird.

Die Vereinigung der Strandbetreiber mit rund 30'000 Mitgliedern, welche über eine öffentliche Linzenz verfügen, überlegen derzeit, ob eine Reservationspflicht Sinn macht um grosse Anstürme zu vermeiden. In der Region Sabaudia nahe Rom wird über Schichtbetrieb nach Altersgruppen diskutiert, sodass beispielsweise am Morgen die ältere Generation den Strand geniessen kann, bevor am Mittag die Jungen eintrudeln. Darüber hinaus sollen die Gemeinschaftsduschen und der Strand regelmässig desinfiziert werden. Die Bars wiederum dürfen die Leute nur an ihren Plätzen bedienen, weil beim Anstehen zu grosse Nähe droht. Zudem soll eine Maskenpflicht gelten, sobald sich die Leute von ihrem Sonnenschirm entfernen.

Um grosse Reiseströme zu vermeiden wird auch darüber verhandelt, ob die Italiener nur in der Nähe ihrer Wohnregion ans Meer fahren dürfen. Unklar ist aber, wo die Einwohner ohne direkten Meeranstoss hindürfen. Die Regierung will Familien, die Ferien im eigenen Land machen, offenbar mit einem «Ferienbonus» von 300 Euro belohnen. Es stehen aber auch sogenannte «Holiday-Bonds» zur Debatte: Werden Anleihen von Italienern erworben, welche die Tourismusindustrie unterstützen, profitieren diese bis Ende 2022 von guten Buchungsbedingungen. Not macht bekanntlich erfinderisch, doch welche Ideen sich tatsächlich durchsetzen werden, steht bislang noch in den Sternen.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt

Rund drei Viertel der etwa 2000 Mitglieder von Hotellerie Suisse haben geschlossen, der Umsatzrückgang dürfte allein im April branchenweit bis zu 90 Prozent betragen. Um immerhin noch ein wenig Einnahmen zu generieren, werden die Hoteliers erfinderisch. Die «Sonntagszeitung» stellt die verschiedenen Ideen der Hotels vor. Das Weisse Kreuz in Brienz bittet, für mehrere Hundert Franken eine Patenschaft für ein Zimmer zu übernehmen. Im Gegenzug winkt in jedem der kommenden vier Jahre je eine Gratisübernachtung. Das Projekt trage bereits Früchte und Patenschaften konnten verkauft werden, wie Geschäftsführer Mathias Huggler bestätigt. Andere Hotels stellen ihre Zimmer fürs Homeoffice zu günstigen Preisen zur Verfügung, wie auch Travelnews bereits mehrmals berichtete.

Der Wettbewerb ist gross, deshalb erweiterte das Hotel Thessoni in Regensdorf bei Zürich sein Angebot und bietet nun Zimmer für Langzeitaufenthalter an, die zum Beispiel aufgrund der Krise nicht in die neue Wohnung ziehen konnten. Das günstigste koste rund 1200 Schweizer Franken im Monat, was einem Preisnachlass von rund 60 Prozent zu den üblichen Preisen entspricht. Weil die Hygienevorschriften des Bundesamtes für Gesundheit in den unterirdischen Armeeunterkünften nicht eingehalten werden können, zog das Militär Mitte März kurzerhand ins Hotel um und generierte so mehrere Tausende Übernachtungen, von denen verschiedene Hotels profitieren konnten.

Online-Reisebüros in der Kritik

Wer in Zeiten von Coronavirus eine Reise übers Internet gebucht hat und nun doch nicht Verreisen kann, erfährt wenig Hilfsbereitschaft und Unterstützung vom Online-Reisebüro. Wie das Geld von der Fluggesellschaft für den stornierten Flug zurückgefordert werden kann, bleibt ein Rätsel, weil man stundenlang in der Warteschleife der Hotline steckt. Diesem Unmut machen Betroffene auf verschiedenen Bewertungsportalen wie «Trustpilot», «Bravofly» oder «Lastminute.com» publik. Fehlende Geldrückzahlungen, keine Rückmeldungen oder keine Erreichbarkeit, so lauten gemäss «Sonntagszeitung» die Vorwürfe gegenüber den Portalen. Der Ombudsmann der Reisebranche Franco Muff sagt gegenüber der Zeitung, dass der schlecht funktionierende Kundendienst der Preis für die Schnäppchenpreise sind. Das bestätigt auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Doch wie kommen Betroffene trotz dennoch an ihr Geld? Laut Bazl-Sprecher Urs Holderegger können sich diese via E-Mail an die Behörde wenden und erhalten anschliessend Unterstützung. Vielleicht ziehen diese Schwierigkeiten aber auch etwas Gutes für die Reisebüros mit sich und die Leute entscheiden sich in Zukunft wieder vermehrt für eine Buchung bei einem Experten statt im Internet.

Gastro-Szene fordern einen klaren Plan

Obwohl der Bundesrat die Phasenweise Lockerung des Lockdowns bekannt gegeben hat, sind noch viele Fragen offen. Besitzer von Cafés und Restaurants haben keine Ahnung, wann sie ihre Lokale wieder öffnen dürfen, was auf Unverständnis in der Branche trifft. Tobias Burkhalter, Präsident der Gastro Bern, lässt seinem Unmut gegenüber dem «Sonntags Blick» freien Lauf. Das die Branche nicht einmal erwähnt wurde, zeuge für ihn von fehlender Wertschätzung und dies obwohl sie rund eine Viertelmillion Personen beschäftigt. Er fordert Klarheit darüber, wann die Betriebe wieder Gäste empfangen dürfen. Je nach dem wie lange die Beschränkungen noch gelten, mache es für einige der Betriebe keinen Sinn, die Ausgaben weiter zu tätigen, weil der Schuldenberg ohnehin nicht abgezahlt werden könne. Burkhalter fordert darüber hinaus Unterstützung mit den Versicherungen, die sich teilweise weigern, einzuspringen weil es sich bei der Coronavirus-Krise um eine Pandemie und nicht Empidemie handle.

Bergführer wollen am 27. April wieder arbeiten

Der Bergführerverband reichte beim Bundesrat ein Konzept ein, damit die Mitglieder am 27. April ihre Arbeit wieder aufnehmen dürfen, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. «Wir interpretieren den Entscheid so, dass auch Bergführer, Wanderleiter und Kletterlehrer unter Einhaltung eines Schutzkonzepts ihrem Beruf wieder nachgehen dürfen», begründet Geschäftsführer Pierre Mathey das Vorgehen gegenüber der Zeitung. Laut dem Konzept sollen die Führer vorerst vier Gäste auf die Touren mitnehmen und der Sicherheitsabstand von zwei Metern müsse gewährleistet werden. Zudem sollen bei Körperkontakt Masken und Handschuhe zum Einsatz kommen. Das Angebot beschränke sich zu Beginn auf Tagestouren für Personen aus der Region, um Reiseströme zu verhindern.

70'000 Hotel- und Gastrobetriebe in Gefahr

In Deutschland könnten durch die Coronavirus-Krise 70'000 Hotel- und Gastronomiebetriebe Pleite gehen, wie das Online-Portal «Cash.ch» auf Berufung des Branchenverbands Dehoga schreibt. Die insgesamt rund 223'000 Betriebe verloren bis Ende April umgerechnet rund 10,5 Milliarden Schweizer Franken. Ohne staatliche Unterstützung drohe einem Drittel der Betriebe die Insolvenz. Neben finanzieller Hilfe fordert der Deutsche Verband auch die verantwortungsvolle Öffnung der Restaurants und Cafesm die Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent sowie ein Rettungsfonds mit Direkthilfe für die Firmen.

Wohin können wir im Sommer reisen?

Das Coronavirus hält die Welt in Atem und hat tausenden Menschen die Reisepläne über den Haufen geworfen. Es stellt sich die Frage: Können wir in diesem Sommer überhaupt verreisen und wenn ja, wohin? Der «Tages-Anzeiger» hat in seiner Samstags-Ausgabe dieser Thematik einen Artikel gewidmet und bei verschiedenen Leistungsträgern nachgefragt. Dieter Zümpel, CEO DER Touristik Suisse hofft, dass Anfangs Juni erste Bemühungen unternommen werden, um Destinationen wieder zu öffnen. Dazu müssen Reisebeschränkungen an den Grenzen aufgehoben werden, die touristische Infrastruktur funktionieren und natürlich der Flugverkehr wieder aufgenommen werden. Er sieht grosse Chancen, dass beliebte Badeferieninseln wie Mallorca oder Kreta, bald wieder hochgefahren werden könnten. Diese sind bislang vom Coronavirus grösstenteils verschont geblieben, Einreisekontrollen sind einfach umzusetzen. Für Italien, das spanische Festland, Südfrankreich und die Türkei vermutet Zümpel ein Ausbleiben des Sommergeschäfts.

Vorerst hat der Bundesrat die Grenzen bis Mai dicht gemacht und eine Verlängerung dieser Massnahme ist anzunehmen. Dennoch könnten die Grenzen zu Deutschland und Österreich bis im Sommer wieder geöffnet sein, was Städtetrips möglich macht. Strandferien an der italienischen Adria hingegen werden schwierig sein, denn wo viele Menschen sind, droht auch ein hohes Infektionsrisiko. Der nationale Tourismus in der Schweiz wird wohl als erstes wieder zum Laufen kommen. Die Tourismusdirektoren in den verschiedenen Schweizer Feriendestinationen rechnen damit, dass bereits am 8. Juni wieder langsam hochgefahren wird und stecken in intensiver Vorbereitung. Für internationale Touristenankünfte sieht man in diesem Jahr jedoch schwarz. Insgesamt rechne man mit «einsamen Sommerferien», weil die Bevölkerung wohl grosse Menschenmassen erst einmal meiden wird. Fakt ist aber, dass sich Bergbahnen, Campingplätze und Wellnesshotels dennoch intensiv vorbereiten und fleissig Hygienekonzepte erarbeiten, um gerüstet zu sein, wenn sie wieder Gäste empfangen dürfen.

Ferien nach Corona

Inspirierende Reisereportagen sucht man in den heutigen Sonntagszeitungen vergeblich, ausser in der Beilage «Z» der «NZZ am Sonntag», wo eine Hymne auf das Hotel Raffles in Singapur auszumachen ist.

Dafür erfährt man im auf eine Seite geschrumpften Reiseteil der «Sonntagszeitung», wie sich sieben Prominente und Experten Ferien nach Corona vorstellen. «Die gemachten Erfahrungen waren zu gravierend, als dass sich nicht ändern wird», ist Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus überzeugt. «Ich glaube fest daran, dass sich im Tourismus ein Zeitalter der Besinnung einstellen wird.» Grünen-Präsidentin Regula Rytz spricht von einer Zäsur in der modernen Reisewelt. Und Tourismus-Professor Christian Laesser sagt: «Der bereits länger dauernde Trend zu mehr gemeinsamer Zeit mit Freunden und Verwandten wird sich aufgrund unserer digitalen Müdigkeit und zeitweiser Über-Virtualisierung nach Corona beschleunigen.»

(NWI)