Tourismuswelt

Zuletzt fand man in den Pässen gar nicht mehr viele Stempel, da die Einreiseprozeduren weltweit relativ locker waren. Das Coronavirus hat dies schlagartig wieder geändert. Bild: Agus Dietrich

Wie wird Corona die Einreiseprozeduren weltweit verändern?

Das Schweizer Visa-Start-Up Viselio hat in einem interessanten Whitepaper Prognosen über die zu erwartenden Änderungen bei der Einreise und dem dazugehörigen Papierkram formuliert. Gleich vorweg: Stimmen die Prognosen, wird das Reisen wieder deutlich komplizierter.

Dass die (Reise-)Welt durch die Coronavirus-Pandemie verändert wird, steht ausser Zweifel. Nur weiss niemand, wie künftig, nach Abebben aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Massnahmen, der Reise-Alltag aussehen wird. Niklas Zeller, Gründer und CEO des Schweizer Visumserteilungs-Startups Viselio, hat nun in einem «Whitepaper» versucht, die kommende Zeit zu skizzieren - gerade die Frage hinsichtlich der grundsätzlichen Reisefreiheit ist natürlich für einen Visadienstleister eminent wichtig. Die Kernpunkte bzw. wichtigsten Annahmen von Zeller's Whitepaper werden hiernach aufgeführt; die Gesamtversion (in Englisch) findet sich unter diesem Link.

  1. Die Grenzen werden nur langsam und stufenweise wieder geöffnet: Natürlich können und dürfen Grenzen nicht ewig geschlossen bleiben. Die Angst vor Neuinfektionen wird allerdings die Öffnung der Grenzen verlangsamen. Kleiner, schon zuvor miteinander eng verbundene Länder dürften die gegenseitigen Grenzen bzw. Grenzbestimmungen früher wieder lockern, derweil Ziele in Übersee laut Viselio eher länger zuwarten werden mit einer kompletten Öffnung.

  2. Einreisebehörden fokussieren neu auch auf Gesundheit: Die Basisfunktion von Immigrationsbehörden lag bislang im Kampf gegen Kriminalität, illegale Einwanderung und Terrorismus, neu aber auch auf gesundheitlichen Aspekten. Die dadurch entstehenden neuen Regeln und Prozeduren bei der Einreise variieren, sind teils noch unklar/undefiniert und können sich auch noch weiter ändern, was Verunsicherung bei Reisenden schafft.

  3. Ausufernder Papierkram: Offene Grenzen und visumsfreies Reisen sind vorerst auf Eis gelegt. Es ist zu erwarten, dass einreisende Personen speziellen gesundheitlichen Auflagen entsprechen müssen und beispielsweise negative Corona-Tests, Impfbescheinigungen oder dergleichen vorweisen müssen. Auch hier herrscht Konfusion, weil die Anforderungen je nach Land unterschiedlich sein werden und gewisse Atteste möglicherweise im einen, jedoch nicht im anderen Land akzeptiert werden. Es dürfte lange dauern, bis internationale Organisationen wie die WHO (Weltgesundheitsorganisation), ICAO (Internationale Zivilluftfahrtorganisation) oder auch die Schengen-Staaten klare, grenzüberschreitende Standards hinsichtlich Gesundheitsbestimmungen und der dafür benötigten Dokumente vorlegen.

  4. Flugreisen werden teurer und komplizierter: Fluggesellschaften werden die Gesundheit ihrer Crews stets sehr strikt beobachten müssen, was möglicherweise verstärkt auch Eingriffe in die Flugoperationen mit sich bringt. Denkbar sind Massnahmen wie doppelte Cockpit-Besatzungen oder weniger Interaktionen zwischen Flight Attendants und Passagieren während dem Service (was teilweise bereits praktiziert wird). Auch freie Mittelsitze als neuer, sicherer Standard sind denkbar. Flughäfen wiederum müssen ebenfalls neue Gesundheits-Standards implementieren, etwa Temperaturmessungen bei ankommenden Passagieren oder ärztliche Kontrollzonen, oder auch Trennungen von Passagieren aus Risiko- bzw. Nichtrisiko-Ländern. Dies verursacht Kosten, welche über höhere Flughafentaxen abgefedert werden. Das verknappte Angebot der Airlines dürfte die Flugpreise ebenfalls zum Steigen bringen.

  5. Ethnic- und Business-Travel werden zuerst wieder aufgenommen: Geschäftsreisen werden früher wieder «notwendig» sein, in Form von Besuchen bei Lieferanten und Produzenten etc. Das Volumen wird allerdings klar tiefer sein als zuvor, zumal MICE-Reisen zunächst kaum möglich sein werden. Darüber hinaus werden Videokonferenzen, an welche man sich inzwischen gewöhnt hat, zumindest teilweise herkömmliche Business-Interaktionen ablösen. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass Geschäftsreisen verstärkt standardisiert werden, sprich, dass es künftig viel mehr brauchen wird, bis eine Geschäftsreise überhaupt genehmigt ist. Für den Reisenden und die Firma ist es unerlässlich, dass eine Reise präzis geplant wird und die notwendige Dokumentation sauber vorliegt.

  6. Tourismus wird zunächst inländisch und erst in zweiter Instanz wieder international sein: Obwohl das Gastgewerbe in vielen Ländern leidet, wird dort der internationale Tourismus nicht die höchste Priorität haben. Um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, wird Massentourismus 2020 wohl kaum mehr wieder aufkommen. Der Fokus liegt damit vor allem auf einheimischem Tourismus, also auf Reisen innerhalb des eigenen Landes, primär mit erdgebundenen Fortbewegungsmitteln und weniger städtischer Prägung. Anschliessend könnten Reisen in Nachbarländer wieder aufkommen. Massntourismus per Flugreisen dürften erst 2021 wieder ein Thema sein - oder sobald ein allgemein anerkannter Impfstoff vorliegt.

  7. Kommt der «Immunitäts-Pass»? Laut Viselio prüfen zahlreiche Länder die Einführung eines «Immunitäts-Zertifikats» für Personen, welche positiv auf das Vorhandensein von COVID-19-Antikörpern getestet wurden. Auch hier herrscht allerdings noch Unsicherheit, da diverse Antikörper-Tests sich als nicht zuverlässig erwiesen haben und es weitere Studien benötigt, um allgemein anerkannte Testmethoden und -produkte zu haben.

  8. Visumsvermittlung wird wichtiger: Das Fazit scheint für Viselio erfreulich - die grosse Reisefreiheit der letzten Jahrzehnte führte dazu, dass meist gar kein Visum mehr nötig war oder einfach ein E-Visum online eingeholt werden konnte. Die neuen Gesundheitsbestimmungen werden dies völlig umkrempeln und es könnte 2-3 Jahre dauern, bis allgemeingültige inernationale Gesundheitsstandards für Reisen definiert und implementiert sind. Bis dahin werden viele Länder weiterhin ihre eigenen Regeln machen, weshalb die Hilfe von Profis bei der Visums- und Reisevermittlung nötiger denn je sein wird.

(JCR)