Tourismuswelt

Sunday Press Streit um Rückerstattung der Reisekosten ist entbrannt

Das von Airlines zurückgehaltene Geld treibt Reisebüros in die Existenznot. – Der Mai wird für die allermeisten Fluggesellschaften schon kritisch. – Swiss und ÖV hoffen auf Finanzhilfe. – Entwarnung für den 20. April ist illusorisch.

Reisebüros in die Enge getrieben

20 eingeschriebene Briefe und 40 Mails liegen bei Simon Schnellmann auf dem Pult, dem Miteigentümer von Travel Worldwide. Das Zürcher Reisebüro sieht sich Forderungen von 10 Millionen Franken ausgesetzt, von Reisenden, die ihr Geld wegen der aktuell nicht durchgeführten Reisen zurück wollen. Doch die Rückzahlungen der Airlines und teilweise der Hotels sind aufgrund der Notlage praktisch versiegt – und so können die Reisebüros das Geld nicht an die Kunden weitergeben. «Wir sind das letzte Glied in der Dienstleistungskette, gemäss Pauschalreisegesetz stehen wir in der Pflicht zur Rückzahlung», erklärt Schnellmann der «Sonntagszeitung». Er befürchtet eine Konkurswelle in der Reisebranche.

SRV-Geschäftsführer Walter Kunz hofft darauf, dass der Bund den bis 19. April gültigen Betreibungsstillstand für die Reisebranche verlängert, «dies würde uns die nötige Pause verschaffen, um Lösungen zu suchen, die für die Reisebüros und die Kunden möglichst wenig Schaden verursachen».

Die Reisebranche erzielt mit 8000 Beschäftigten 7,5 Milliarden Franken Umsatz. Allein drei Milliarden Franken fallen auf die Buchungssysteme der Swiss, von der eine grosse Abhängigkeit besteht. Der Unmut über die Airlines ist gross. Die Swiss zahlt aktuell kein Geld für Annullationen aus, sondern vertröstet ihre Kunden mit Gutscheinen oder Umbuchungsmöglichkeiten. Die Swiss betont, dass man den Büros die Rückerstattungen nicht vorenthalten wolle. «Erstattungen bleiben für unsere Kunden selbstverständlich auch weiterhin möglich, wir halten uns hier an das geltende Recht», so ein Sprecher. Aufgrund des aussergewöhnlich hohen Anfragevolumens sei dies aber nicht in den üblichen Fristen möglich. «Wir gehen davon aus, dass die Rückerstattung von Einzelleistungen bis zu sechs Monate dauern kann», heisst es dazu bei Hotelplan.

Gemäss der «Sonntagszeitung» ist eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) daran abzuklären, ob eine Anpassung des Pauschalreisegesetzes möglich ist. Sie prüft, ob im Fall der Corona-Krise wirklich das Reisebüro oder der Veranstalter als letztes Glied in der Dienstleistungskette haftbar ist gegenüber dem Konsumenten.

35 Milliarden Dollar bei Airlines

Das grosse Cash-Dilemma in der Reiseindustrie rollt die «NZZ am Sonntag» von der anderen Seite auf, aus Sicht der Airlines. 88 Prozent der europäischen Flüge fallen derzeit aus, hält die Zeitung fest. 35 Milliarden Dollar weltweit und 10 Milliarden bei europäischen Airlines entfallen auf nicht eingelöste Flugtickets. Doch über diese Summen würden die Airlines nicht verfügen. Zwar hätten die Airlines ihre Kosten dank Kurzarbeit und Flottenstillegung um die Hälfte reduzieren können, doch die verbliebenen Ausgaben zehren die Liquiditätspolster auf. «Der Mai wird für die allermeisten Fluggesellschaften schon kritisch», sagt eine Sprecherin des europäischen Airlineverbandes Airlines for Europe (A4E).

«Im Grundsatz versuchen wir, die Kunden so oft wie möglich mit Gutscheinen zufriedenzustellen und keine sofortigen Rückzahlungen zuzulassen», wird Ulrik Svensson, Finanzchef der Lufthansagruppe, zitiert – kurz bevor er seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekanntgeben musste. Das Ringen der Airlines mit der EU-Verkehrskommission ist derzeit intensiv. Die europäischen Airlines wünschen sich die Möglichkeit, Gutscheine mit Gültigkeit bis Ende 2021 anbieten zu können. Erst wenn der Kunde bis dahin keine Verwertung dafür gefunden hat, soll Bargeld fliessen.

Die niederländische Regierung hat dem schon zugestimmt. Am Freitag hat die deutsche Bundesregierung das Ansinnen, das auch für alle Reiseanbieter und -büros gelten soll, offiziell unterstützt. Konsumentenvertreter und Anwälte für Passagierrechte wehren sich vehement gegen die Aufweichung.

Die Swiss hofft auf Finanzhilfe

In den nächsten Tagen dürfte es zum Showdown mit dem Bund kommen. Offensichtlich stehen die Swiss, der Flughafen Zürich, Swissport aber auch Easyjet in engem Kontakt mit den Behörden betreffend Finanzhilfe. Die Presskonferenz des Bundesrats von kommendem Mittwoch darf mit Spannung erwartet werden.

In der «Schweizer Illustrierten» haben sich Swiss-Chef Thomas Klühr und Edelweiss-Chef Bernd Bauer bereits für eine Unterstützung stark gemacht. Im Interview legen sie die Bedeutung der Swiss und die Verwurzelung mit der Schweiz dar. Und beide präzisieren dabei, dass es nicht um Beiträge à fonds perdu handle. Thomas Klühr sagt: «Wie bei allen Airlines wird es auch bei uns längerfristig nicht ohne staatliche Hilfe in Form von Bundesgarantien oder Überbrückungskrediten gehen. Also Liquiditätsspritzen, die dann später zurückbezahlt werden.» Swiss und Edelweiss seien gesunde Unternehmen, die vor der Krise gut aufgestellt waren.

Weiter sagt Klühr: «Es gibt eine Verantwortung des Eigentümers (Lufhansa), keine Frage. Aber man darf nicht vergessen: Die Swiss ist ein Schweizer Unternehmen. Wir haben hier unseren Sitz, wir zahlen hier unsere Steuern. 90 Prozent unserer Mitarbeitenden leben in der Schweiz. Und wir richten unser Streckennetz gezielt an den Bedürfnissen der Schweiz aus.» Dieses Bewusstsein vermisse er manchmal.

Zudem schreibt die «Schweiz am Wochenende»: die Swiss prüfe Kurzarbeit für ein Jahr. Mit einer raschen Besserung der Krisensituation rechne die Swiss nicht, dies zeige ein interner Bericht. Darin schreibt die Swiss, dass die Kurzarbeit für die nächsten drei Monate bewilligt worden sei. «Das gibt uns etwas Luft zum Atmen.» Man sei dankbar, dass man diese Massnahme in kürzester Zeit mit den Personalverbänden und den Behörden habe umsetzen können. «Das lindert unsere Liquiditätssituation bereits. Aber so wie es jetzt aussieht, werden wir sie schlicht und einfach erweitern müssen.» Die heutigen Gesetze würden es erlauben, Kurzarbeit während bis zu 12 Monaten anzuwenden. «Und das ist ein Thema in unseren aktuellen Gesprächen mit den Personalverbänden».

Im SI-Interview sagt Klühr zum Zeithorizont: «Es wird vermutlich bis Juli oder August dauern, bis wir wieder loslegen können. Bis Ende Jahr rechne ich bei Edelweiss und Swiss mit einem Flugbetrieb von maximal 75 Prozent.»

Einen brisanten Punkt bringt zudem die «Sonntagszeitung» ein. Offensichtlich gibt es seit Dezember 2019 Gespräche darüber, dass die Lufthansa der Schweiz die Aufsicht über die Swiss entziehen könnte. Das Bazl könnte die Zulassungs- und Aufsichtstätigkeit über die grösste Fluggesellschaft hierzulande verlieren. Aus Schweizer Sicht sei ein Aufsichtswechsel vom Bazl hin zur Easa ein «absolutes No-go», sagt dazu SVP-Nationalrat Thomas Matter. «Wenn die Swiss eine Schweizer Firma ist, ist das Bazl ihr Aufsichtsorgan – Punkt.» Sein FDP-Kollege Marcel Dobler sieht zwar den möglichen Vorteil einer Konsolidierung bei der Lufthansa; gleichzeitig Staatshilfe zu verlangen und die Aufsicht zu verlagern, sei aber inakzeptabel.

In einem weiteren Artikel zum Thema Milliarden-Hilfe für die Luftfahrt will die «Sonntagszeitung» wissen, dass sich die Diskussionen um einen Beitrag in der Höhe von drei bis fünf Milliarden Franken drehen. Dazu nennt sie weitere Zahlen: die Gründung der Swiss hätte zwei Milliarden Franken gekostet und am letzten Freitag hätte man die Swiss-Mutter Lufthansa an der Börse für 3,8 Milliarden Franken kaufen können. Nachdem die Swiss in den letzten Jahren für die Lufthansa Milliardengewinne eingeflogen habe, sei es ausgeschlossen, dass das Geld als Subvention an die Swiss gehe. Der Staat soll – wenn er schon zahle – künftig an den Gewinnen der Swiss mitverdienen, kommentiert die Zeitung, übersieht dabei aber die Aussage von Thomas Klühr, dass es sich bei einer Liquiditätspritze um Beiträge dreht, die wieder zurückbezahlt werden.

Entwarnung für den 20. April ist illusorisch

Und dann sind die heutigen Sonntagszeitung naturgemäss übervoll mit Corona-Themen und Analysen. Lohnenswert zu lesen ist das Interview mit Bundesrat und «Corona-Minister» Alain Berset, der – wie im Interview zu erfahren ist – zuletzt im Februar zuhause war, mit seiner Gattin und den drei Kindern kommuniziert er nur noch online.

Zum Thema Ostern und dem Wunsch rauszufahren und sich zu treffen, sagt Berset: «Dieses Jahr bitte möglichst im und um den Wohnraum bleiben, sich im eigenen Umfeld bewegen und keine Kontakte mit der älteren Generation. Auch so können Sie schöne Tage verbringen.» Einen Osterausflug in die Ferienwohnung soll man unterlassen. «Die Ansteckungen steigen immer noch konstant, aber die Massnahmen scheinen zu greifen. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Wer sich zu früh entspannt, verlängert die Krise. In diesem Jahr ist das nicht angesagt. Reisen beschleunigt die Epidemie.»

Rückblickend auf allfällige Fehler angesprochen, sagt Berset: «Ich stehe dazu, dass wir schrittweise vorgegangen sind. So konnten wir die Bevölkerung besser auf die Situation vorbereiten. Hätten wir Ende Februar auf einmal die Läden, Restaurants und Schulen geschlossen sowie alle Veranstaltungen verboten, hätte es geheissen, der Bundesrat spinnt.» Er räumt aber ein: «Die Flüge nach China hätten wir früher stoppen müssen, da sind wir jetzt schlauer.»

Und ob es realistisch sei, die Massnahmen nach dem 19. April zu lockern? «Es braucht noch Zeit, wie der Blick in andere Länder zeigt. In China entspannte sich die Lage trotz sehr harten Eingriffen erst nach mehr als zwei Monaten. Dann hat man die Massnahmen etwas gelockert, und die Fallzahlen stiegen wieder an. Im Moment scheint es illusorisch, dass wir auf den 20. April hin viel ändern können. Bis wir in der Gesellschaft eine gewisse Immunität erreicht oder einen Impfstoff haben, wird uns das Virus begleiten. (...) Es wird keinen Exit oder Ausstieg geben, sondern einen Übergang mit gewissen Lockerungen.»

Zum möglichen Ende der Epidemie ist weiter im «Sonntagsblick» zu erfahren, das dieses noch andauern dürfte. Der Infektiologe Andreas Cerny sagt: «Unser Feind ist ein schnelles, unsichbares Virus. Wir müssen nach wie vor alles auf ein Minimum reduzieren.» Cerny prognostiziert einen Peak frühestens in einer Woche. «Ende Mai könnte das Schlimmste überstanden sein».

Öffentlicher Verkehr will Unterstützung

Die Anzahl Passagiere in Bussen und Zügen sind in diesen Tagen oft an einer Hand abzuzählen. Die Betriebe des öffentlichen Verkehrs verkaufen kaum noch Billette. Bei der SBB fahren Hunderte Lokführer noch von Bahnhof zu Bahnhof für die wenigen Passagiere, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, berichtet die «SonntagsZeitung». Jetzt schlägt der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) Alarm: «Wir verlangen vom Bund Hilfe zur teilweisen Deckung der Ertragsausfälle», sagt Verbandsdirektor Ueli Stückelberger. Bahn- und Busunternehmen «müssen den Betrieb trotz der fehlenden Kundschaft grösstenteils aufrechterhalten».

Weiter sagt Stückelberger: «Wir haben praktisch gleich hohen Aufwand wie im Normalbetrieb, aber kaum Erträge, weil fast niemand mehr Tickets kauft». In normalen Zeiten fliessen aus Billett- und Aboverkäufen laut dem VöV-Direktor pro Monat knapp 500 Mio. Franken in die Kassen der Transportunternehmen. Seit dem Lockdown fallen aber «60 bis 80 Prozent dieser Einnahmen» weg. Und das wird wohl so bleiben, bis die Behörden wieder empfehlen Bahn und Bus zu benutzen. Deshalb brauche es «vom Bund mehrere Hundert Millionen Franken, um einen langfristigen Schaden im öV zu verhindern».

Irrfahrt endet in Florida

Nach langer Irrfahrt hat ein weiteres Kreuzfahrtschiff mit Coronavirus-Patienten an Bord einen Hafen im US-Bundesstaat Florida erreicht. Die «Coral Princess» legte am Samstag nach einem gescheiterten Andockversuch in Fort Lauderdale im Hafen von Miami an, schreibt «cash.ch». Zuvor war sie bereits von mehreren südamerikanischen Häfen abgewiesen worden. Nach Angaben der Reederei Princess Cruises befinden sich auf dem Schiff zwei Tote und mindestens zwölf mit dem Coronavirus infizierte Menschen. Insgesamt seien 1020 Gäste und 878 Besatzungsmitglieder auf dem Kreuzfahrtschiff. Das Von-Bord-Gehen könne mehrere Tage dauern.

Die «Coral Princess» war am 5. März in Santiago de Chile ausgelaufen und sollte eigentlich am 19. März ihre Kreuzfahrt in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires beenden. Dort wurde das Schiff aber abgewiesen, da Argentinien wegen der Coronavirus-Pandemie seine Grenzen geschlossen hatte. Auch in Uruguay und Brasilien durfte das Schiff nicht anlegen.

Schweizer Hoteliers im Ausland

Die Reiseseiten der «Sonntagszeitungen» sucht man an diesem Wochenende vergeblich. Im «NZZ am Sonntag Magazin» ist zu erfahren, wie es sich in der völligen Abgeschiedenheit Irlands leben lässt.

Interessant ist zudem eine Umfrage der «Sonntagszeitung» bei Schweizer Hoteliers im Ausland. Daniel Meury vom Andara Phuket sagt etwa: «Die Restriktionen im täglichen Leben werden ständig verschärft.» Seit einer Woche bleiben die Strände Phukets leer. Die 440 Mitarbeitenden wurden in Kurzarbeit geschickt. Meury rechnet ab Juli wieder mit Gästen.

(GWA)