Tourismuswelt

Sunday Press Jedes fünfte Unternehmen stellt auf Kurzarbeit um

300'000 Personen weltweit sind mit dem Coronavirus infiziert. Rund 11’000 Unternehmen haben in der Schweiz bereits Kurzarbeit beantragt. In den Sonntagsmedien dreht sich alles um die mögliche Entwicklung der Lage und das am Freitag vom Bund geschnürte Hilfspaket für die Wirtschaft. Bei den Tourismusplayern zeigen sich immerhin die Campinganbieter zuversichtlich.

Bis am Samstag sind in der Schweiz 6113 Personen positiv auf das Virus getestet worden. 56 Menschen starben an den Folgen der Infektion. Weltweit sind aktuell 300'000 Menschen infiziert. Die Schweiz steht still, die Wirtschaft leidet. «Hilfe kommt», verkündete Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag. Vor allem die vielen KMUs der Reisebranche dürften nach der Verkündung des 40-Milliarden-Hilfspakets - wenigstens kurzfristig - aufgeatmet haben. Denn die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen kleine und mittlere Unternehmen besonders schwer. Jedes fünfte Unternehmen stellte bereits auf Kurzarbeit um. Rund 11’000 Unternehmen mit 175’000 Angestellten sind es aktuell, die Kurzarbeitsentschädigungen beantragt haben – ein noch nie dagewesenes Ausmass. Und die Zahl steigt täglich. Die Arbeitslosenversicherung übernimmt dabei 80 Prozent des Lohnausfalls. Damit soll der Crash für Teile der Schweizer Wirtschaft fürs Erste abgewendet werden.

Die dringende Frage lautet nun aber: Wie lange dauert das noch? «Die Entwicklung in China stimmt mich positiv, dass nach sechs Wochen das Schlimmste vorüber sein könnte», sagt Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes. Aus seiner Sicht wird das Hilfspaket des Bundes reichen, um die nächsten Monate zu überbrücken. Aber nicht alle glauben, dass die Krise schnell vorüber sein wird. Wirtschafts- und Sozialpolitiker wie SP-Chef Christian Levrat ist klar, dass der Bund sich das Hilfsprogramm für mehrere Monaten leisten kann und muss: «Ein Mehrfaches der gesprochenen 40 Milliarden ist möglich und wohl notwendig», sagt er. Die Staatsverschuldung sei so tief, dass sich der Bund im Notfall noch wesentlich mehr verschulden könne, ohne dass dies danach zur wirtschaftlichen Hypothek werde.

Jan-Egbert Sturm von der ETH-Konjunkturforschungsstelle gibt dem Sozialdemokraten recht: «Der öffentliche Sektor der Schweiz ist heute mit fast 40 Prozent des BIP verschuldet. Man kann also 130 Milliarden Franken einschiessen und bleibt trotzdem noch innerhalb der Maastrichter Grenze.» Laut Berechnungen des Bundes reichen die 40 Milliarden für drei Monate. Krisenhilfe für fast ein Jahr wäre damit mit den 130 Milliarden möglich und die Schweiz hätte immer noch eine akzeptable und im europäischen Vergleich komfortable Staatsverschuldung. Dass der Bund mehr einschiessen kann und muss, hat Finanzminister Ueli Maurer schon klargemacht: «Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht», sagte er am Freitag.

Kosten für Kurzarbeit werden auf 21 Milliarden Franken geschätzt

Die Denkfabrik Avenir Suisse schätzt die Kosten für Kurzarbeit auf eine Grössenordnung von etwa 21 Milliarden Franken, unter der Annahme, dass die betroffenen Branchen und Unternehmen drei Monate lang auf Kurzarbeit angewiesen sein werden. Der Plan des Bundesrats sieht praktisch eine Lohngarantie durch den Bund vor. Gemäss volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung machen die Löhne rund 410 Milliarden Franken aus. Bricht die Wirtschaftsleistung um 20 Prozent ein, wie das in China im Januar und Februar der Fall war, müsste der Bund grob geschätzt mit rund 5 Milliarden Franken Belastung der Bundeskasse pro Monat rechnen.

Der Bundesrat baut auch das Instrument der verbürgten Kredite aus und übernimmt für Kredite bis 500’000 Franken das volle Risiko. Die Kredite werden aber von den Banken vergeben. Das hat den Vorteil, dass das Know-how und die bestehenden Kundenbeziehungen genutzt werden. 20 Milliarden Franken stellt der Bund für solche Kredite bereit. Die Höhe des Zinses könnte 1 Prozent betragen, ist aber noch nicht entschieden. Bundesrat Guy Parmelin versichert in der «Sonntagszeitung», dass er bereit sei, noch mehr Gelder zu sprechen, wenn das wirklich nötig ist.

Die Spitze könnte Mitte Mai erreicht sein

Laut Schätzungen könnte die Welle bei uns etwa Mitte Mai ihre Spitze erreichen. Langfristige Abhilfe dürfte nur ein Impfstoff schaffen. Obwohl weltweit viele Teams mit Hochdruck daran arbeiten, rechnen Experten nicht damit, dass vor dem nächsten Jahr ein solcher Impfstoff für viele Menschen vorliegen wird. Bei den Medikamenten könnte es, falls ein bereits existierendes Arzneimittel gute Wirkung zeigt, deutlich schneller gehen. Doch auch hier gibt es Rückschläge. Die HIV-Medikamente scheinen nicht so gut zu wirken wie erhofft, die Studie zum Malaria-Medikament Chloroquin hält der deutsche Coronaviren-Experte Christian Drosten nicht für sehr aussage kräftig.

Neben der Entwicklung von Impfstoffen sind andere Firmen dabei, mit Antikörpern eine Therapie zu entwickeln. Die Antikörper sollen aus dem Blut von Menschen gewonnen werden, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben. Der Vorteil dabei ist, dass die Antikörper die Infektion sofort bekämpfen könnten. Die Kranken müssen nicht selber erst Antikörper bilden. Diese sogenannte Passivimpfung hält jedoch nur wenige Wochen bis Monate an.

Droht im Herbst eine zweite Infektionswelle?

Alles zielt darauf ab, die Ausbreitung zu stoppen. Das kann gelingen, doch die Strategie hat eine Kehrseite: Dämmt man das Virus ein, kann sich keine natürliche Immunität bilden. Somit droht eine erneute Pandemie, sobald man die Restriktionen aufhebt, schreibt die «NZZ am Sonntag». Vorerst gelten die Schliessungen bis zum 19. April, also von heute an noch 4 Wochen. Vieles deutet darauf hin, dass die Massnahmen verlängert und höchstens vereinzelte Lockerungen möglich werden. Alles hängt davon ab, wie sich die Epidemie nun entwickelt. In China dauerte die Ausgangssperre rund acht Wochen, bis die Infektionen erstmals sanken.

300'000 Coronainfizierte weltweit

Am Samstag hat das neue Coronavirus nochmals weitere Länder erfasst. Die Zahl der Covid-19-Erkrankungen liegt inzwischen nach Angaben des Statistikdienstes Worldometer bei über 300'000 in mehr als 180 Ländern. Rund 13'000 Tote sind zu beklagen. Laut Epidemiologen werden sich 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung infizieren. Zusammen mit den Kindern werden es am Ende 60 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung sein, wie Christian Drosten im «Sonntagsblick» sagt.

Mindestens 793 Tote in 24 Stunden meldete das am schlimmsten heimgesuchte Italien, so viele wie noch nie. Über 4800 Personen sind bisher dem Virus zum Opfer gefallen, gegen 54'000 sind erkrankt. Am zweitstärksten betroffen bleibt Spanien. Dort stieg die Zahl der Erkrankungen gewaltig an, um mehr als 3'800 auf über 25'000. Inzwischen zählt man fast 1400 Tote, 285 mehr als am Vortag. Mit gut 22'000 Infektionen liegt Deutschland an fünfter Stelle der betroffenen Staaten. Nachdem die britische Regierung lange gezögert hatte, rigoros gegen das Coronavirus vorzugehen, ist das Vereinigte Königreich nun höchst beunruhigt. Bisher wurden über 5000 Infektionen gezählt und 233 Tote. Mit gut 24'000 Erkrankungen haben die USA mittlerweile zu Spanien aufgeschlossen. Das waren über 4700 mehr als am Vortag.

TCS in Sachen Camping trotz Krise zuversichtlich

Wenig überraschend beschloss der TCS Anfang Woche, den Start der Sommersaison auf den 20. April zu verschieben. Bis zum Lockdown in der Schweiz stieg die Nachfrage nach Campingplätzen und Campingfahrzeugen. Für die Zeit nach der Corona-Krise sind die Anbieter sehr zuversichtlich. «Ist die Krise erst mal ausgestanden», sagt TCS-Manager Oliver Grützner, «könnten unsere Campingplätze einen Ansturm erleben.» Seine Prognosen stützen sich auf den hervorragenden Buchungseingang. Die Reservationen verebbten erst, als sich die coronabedingte Lage in der Schweiz zuspitzte. Und weil gemäss Erfahrungen aus den letzten Jahren 30 Prozent der Campingfreunde sehr kurzfristig einen Stellplatz für Motorhome, Wohnwagen oder Zelt suchen, bleibt die Hoffnung, dass sich Campingplätze schneller von der fundamentalen Krise erholen als andere Player im Tourismus.

Auch Citypeak Campers positiv gestimmt

Bei Citypeak Campers lief das Gsechäft so gut wie nie - zumindest bis zum Lockdown letzten Montag. Citypeak-Campers-Teilhaber Thomas Jenzer hatte einst das Motorhome-Geschäft beim Amerika-Spezialisten Skytours (heute Travelhouse) ausgebaut: Die Leidenschaft für mobile Ferienunterkünfte liess den Schulleiter der IST, der Höheren Fachschule für Tourismus, nie mehr los. Derzeit vermietet Citypeak Campers an den Standorten Gebertingen SG, Perlen LU und Füllinsdorf BL 30 werksneue Camper, vornehmlich des Typs VW T6.1 California. Als dunkle Wolken am Reisehimmel aufzogen, erkundigten sich immer mehr Leute nach Campingferien, die sonst Flugreisen in andere Kontinente buchen würden.  Angesichts geschlossener Campingplätze und versperrten Zugangs zu den Nachbarländern wird kurzfristig aus dem Ostergeschäft sicher nichts - aber fürs Business im Sommer und Herbst erhofft sich Jenzer einen Schub.

Schweizerhof in Luzern so leer wie seit Tschernobyl nicht mehr

Der Tourismus kommt zum Erliegen. Das Luzerner Luxushotel Schweizerhof hat seinen Betrieb eingestellt, der «Luzernerhof» nebenan ist offen. Das Wirtepaar Chris und Sofia Dittli sagen: «Wir haben seit Wochen null Gäste, und die Amerikaner annullieren die Buchungen für die nächsten Wochen.» Seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 hätten sie das nicht mehr erlebt. Damals seien die Amerikaner verängstigt gewesen, weil für sie Luzern direkt neben Tschernobyl gelegen habe. Dittlis haben für 1,3 Millionen Franken Zimmer im Hotel renovieren lassen. Sie haben kürzlich die Preise heraufgesetzt. «Es sah alles danach aus, wie wenn es das Jahr der Jahre geben würde.» Es ist da – aber anders, als es die Wirtin gemeint hat.

Noch keine Corona-Panik im Panhandle

Zehn Tage lang waren Redaktoren der «Sonntagszeitung» für eine Reisereportage im Nordwesten Floridas unterwegs. Die Fahrt im Florida-blauen Mietwagen führte von der Hauptstadt Tallahassee an den Golf von Mexiko, entlang der Küste nach Panama City Beach, Destin, Pensacola, zum westlichsten Zipfel Floridas. Während zehn Tagen haben die Reisenden keine einzige Person mit Schutzmaske angetroffen. Dabei spitzt sich die Lage auch in den USA zu - mitten in der Hauptsaison: Allein im Monat März erwartete Florida 800’000 Touristen. Eine Leuchtreklame am Highway war die erste und einzige öffentliche Viruswarnung: «Wash Your Hands» stand Rot auf Gelb geschrieben. Die Polizei habe laut dem örtlichen Sheriff andere Probleme als dieses Virus. Gerade jetzt, während des Springbreak, würden ihnen besoffene Teenager am meisten Arbeit machen. Händewaschen, Handschellen desinfizieren, das sei doch selbstverständlich. Er glaubt, das Coronavirus werde sich von selbst erledigen: Im Sommer könne man ein Ei auf dem Autodach braten. Dass die Wärme das Virus töten wird, denken viele entlang der Küste.

(LVE)