Tourismuswelt

Aktuell tun sich Kluften auf - aber wer richtig reagiert, erwischt den Zug in eine gute Zukunft trotzdem. Bild: aitoff

Einwurf So sollten Unternehmen mit der Herausforderung Coronavirus umgehen

Man sollte sich nicht länger nur mit Medienschelte und Horrorszenarien befassen, sondern konkrete Massnahmen treffen. Wir hätten da ein paar Tipps.

Seit mittlerweile gut zwei Wochen hält das Coronavirus die Schweiz im Würgegriff. Was zuvor eine Gesundheitskrise im fernen China war, ist inzwischen bei uns angekommen und sorgt hier wie auch fast weltweit für verhaltene Reisebuchungslaune, Event-Absagen en masse, negative Börsentrends und viel mehr.

Es ist müssig, sich lange über den Virus aufzuhalten, also darüber, ob er jetzt mehr oder weniger schlimm als eine Grippe ist und ob eine Epidemie zu erwarten ist oder nicht. Ich bin kein Virusexperte und wir alle sollten uns primär mal einfach an die Hygieneweisungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) halten. Darüber hinaus aber kann bzw. muss man sich als Unternehmen mit dieser Situation auseinandersetzen, idealerweise natürlich ohne Panik, sondern mit kühlem Kopf. Hierzu einige Gedanken:

Wo steht das Unternehmen?

Aktuell muss man davon ausgehen, dass sich die Situation in nächster Zeit tendenziell eher noch verschlechtern wird, bevor sie sich verbessert. Bevor man zu konkreten Massnahmen schreitet, sollte man sich überlegen, wie das Unternehmen betroffen ist - und dabei vom Kunden ausgehen. Wer sind meine Kunden? Wie kommt der Kunde zu mir? Was sagen uns die Kunden? Wie ist die effektive Differenz im Geschäftsgang zur selben Vorjahresperiode? Wie sieht es in den anderen Sparten der Reisebranche aus und wie kann dies mein Geschäft beeinflussen? Es geht darum, sich ein schonungslos realistisches Bild davon zu machen, wo man steht und wie man auf einen «Worst Case» reagieren könnte.

Dazu gehört auch ein internes Assessment. Finanzen haben Priorität. Sprich: Wie wird die Liquidität über einen längeren Zeitraum gewährleistet? So: Cash einfordern und auf die Bank bringen. Nicht-essentielle Projekte zurückfahren. Das Kerngeschäft möglichst schützen und einen Finanzplan erstellen, welcher das Geschäft mit reduziertem Cash-Flow am laufen hält. Die Fixkosten sollten möglichst tief sein bzw. der Anteil an variablen Kosten möglichst hoch.

Ehrlichkeit und Positivismus

Man muss ehrlich zu sich selber, zu den Angestellten und nicht zuletzt zu den Kunden sein. Es ist gut, wenn die Reisebranche stets positiv eingestellt ist und man muss selbstverständlich versuchen, eine positive Message auszusenden. Aktuell ergänzen fast alle Reisebranchenprofis auf Facebook ihr Profilbild mit dem Satz «Ich reise trotzdem!». Eine schöne Aktion. Man muss allerdings auch nicht berufsblind sein. Überspitzt gesagt: Wer jetzt zu einer Reise nach Wuhan rät, untergräbt seine Glaubwürdigkeit. Es braucht also Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, die höchsten Güter der persönlichen Beratung.

Geschäftsbetrieb

Die Rede ist nicht nur von Notfallplänen, falls das Virus im Büro auftaucht, sondern auch von operativen Einschnitten, um Arbeitsplätze bzw. die Firma zu erhalten. Kurzarbeit ist ein Thema; der Schweizer Reise-Verband (SRV) hat hierzu heute informiert. Unbezahlter Urlaub ist eine andere Variante. Zur Kostenkürzung können auch geografische Konsolidierungen (braucht es alle Standorte?) oder Investmentstopps bei der Technologie dienen, wobei beides sehr vorsichtig gehandhabt werden sollte. Je nach Geschäftsfeld kann auch das Produktangebot heruntergefahren werden, wie es nun die Airlines vormachen.

Darüber hinaus ist es jetzt nicht an der Zeit, sich zu sehr den Kopf über die Konkurrenz zu zerbrechen. Man sitzt im selben Boot und sollte vielleicht mal mit den Mitbewerbern zusammensitzen und darüber nachdenken, wie sich die Situation überbrücken lässt und wie man allenfalls auch gemeinsam arbeiten kann, um Geschäft zu gewinnen oder Kosten zu sparen. Wer nicht auf riesigen Cash-Reserven sitzt, wird sich gerne mal an den Tisch setzen für so ein Gespräch. Die Branche als Ganzes, Sub-Branchen der Reiseindustrie-Wertschöpfungskette oder auch Destinationen sollten jetzt eine möglichst einheitliche Sprache sprechen.

Preise

Womit wir beim Thema des Pricing angelangt wären. Die Lösung auf die Schnelle ist, durch Tiefpreise wieder Reise-Incentives zu schaffen. Das ist in der aktuellen Situation wohl aber der falsche Approach. Wer reisen will, kann den Normalpreis bezahlen; ob man durch Tiefstpreise vom Virus verängstigte Kunden zurückgewinnt, ist mehr als fraglich. Darüber hinaus ist eine Preisreduktion auch ein Signal, dass die eigene Arbeitsleistung quasi unter Wert verkauft wird. Und dies in einer Branche, welche sich ohnehin schon seit Jahren mit viel zu niedrigen Preisen herumschlagen muss. Eine Rabattschlacht wäre jetzt das komplett falsche Signal. Auch wenn grosse Medien bereits damit locken, dass das Reisen jetzt besonders günstig wird, was man gelinde gesagt als «Schändung» bezeichnen könnte. Das Problem ist, dass falls die Branche nicht als Einheit auftreten kann, solche Rabattschlachten stattfinden werden. Jetzt ist aber nicht die Zeit, Volumen mit Tiefstpreisen anzulocken, sondern den Profit mit dem bestehenden Volumen zu maximieren.

Kommunikation und Marketing

Wie bereits erwähnt, ist Kommunikation intern wie extern extrem wichtig. Die Firma sollte sich einheitlich äussern können, idealerweise eben auch die Branche, doch Letzteres ist wohl Wunschdenken. Wichtig ist, die Mitarbeitenden über die wesentlichen (sprich: geschäftsrelevanten) Entwicklungen à jour zu halten - und diese natürlich auch gesund zu halten. Ebenso sollte man für allfällige Fragen im Gespräch vorbereitet sein, aber das Coronavirus nicht zum Zentrum jeglicher Kommunikation machen, im Sinne einer sanften Deeskalation der Hysterie.

Und natürlich müssen Sie sich überlegen, wie Sie ihr Geschäft weiterhin vermarkten. Ein kompletter Werbestopp ist eine übliche Kostensenkungsmassnahme. Man sollte aber das eigene Marketing nicht einfach stoppen. Man sollte sich überlegen, wie man sich vielleicht in reduziertem Mass am Markt präsentiert. Welche Inhalte man jetzt pushen oder auch vermeiden will. Welche persönlichen Geschäftsreisen und Meetings sind verzichtbar, welche nicht? Wie kann ich aus der aktuellen Situation durch schlaue Kommunikation und gezielten Einsatz der persönlichen und finanziellen Ressourcen das Optimum herausholen? Auf welche Partner und Kunden ist Verlass und wie kann ich deren Aufmerksamkeit und Vertrauen langfristig binden? Ist es jetzt an der Zeit, neue Geschäftsfelder ins Auge zu fassen?

Fazit

Es mangelt nicht an Herausforderungen und die Branche muss sich auf eine «magere Periode» einstellen. Solche kathartischen Phasen haben auch ihr Gutes, um es mal naturwissenschaftlich zu sehen: Kranke und Schwache gehen ein, was die Gesamtheit stärkt, welche sich überdies ebenfalls für die neue Situation hat fit machen müssen. Denken Sie dran, dass Darwin nicht - wie so oft angenommen - sagte, dass der Stärkere überlebt, sondern dass jener überlebt, der sich flexibler an neue Umstände und Herausforderungen anpassen kann. Good luck to us all!

(JCR)