Tourismuswelt

Ob es dieses Jahr auch nochmals «Willkommen zur ITB» heisst oder es für die Tourismusindustrie zu einem «verlorenen Jahr» wird, dürfte heute Nachmittag klar werden. Bild: Messe Berlin GmbH

Das Coronavirus treibt die Reisebranche um

Wird heute die ITB abgesagt? Die Reisebranche fürchtet wie die Weltwirtschaft auch ein «annus horribilis» und ruft zu Besonnenheit auf. Doch die Massnahmen rund um die Coronavirus-Krise nehmen aktuell weiterhin zu.

SRV-Empfehlung bei Annullationen

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) empfiehlt in Absprache mit den grössten Schweizer Reiseunternehmen inmitten der Coronavirus-Krise folgende Vorgehensweise bei Annullationen:

Ausgangslage A:

Der Kunde will aus Angst annullieren, obschon keine behördliche Warnung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Destination ausgegeben wurde und es aktuell keine deutlichen Einschränkungen an der Destination gibt.

--> Es gelten die allgemeinen Annullationsbedingungen gemäss AVRB.

Ausgangslage B:

Die Situation an der Destination macht die Durchführung der geplanten Reise absehbar (Abreise spätestens in 30 Tagen) und konkret nicht möglich, weil bspw. die Benützung der Infrastruktur vor Ort (ÖV, Restaurants) deutlich eingeschränkt ist oder es existiert eine Reisewarnung durch das EDA für die Destination.

--> Neubuchungen:
Der Kunde kann auf eigenes Risiko reisen. (Enthaftungserklärung)

--> Bestehende Buchungen:
1. Ersatzreise anbieten (Mehrkosten trägt der Kunde)
oder
2. Der Kunde annulliert unter Rückerstattung der bereits bezahlten Leistungen abzüglich allfälliger Annullierungskosten beim Leistungsträger.

Ausgangslage C:

Der Kunde befindet sich bereits an der Destination und ist von Einschränkungen aufgrund des Coronavirus betroffen, bzw. das EDA erteilt eine Reisewarnung für die Destination.

--> Das Reisebüro bemüht sich, dem Kunden zu helfen. Sämtliche entstehenden Kosten trägt der Kunde (siehe Art. 15 Bundesgesetz über Pauschalreisen)

WICHTIG: Einige Reiseversicherungen decken die Mehrkosten bei Problemen an der Destination und für möglichen Umbuchungen. Jeder Fall ist durch den Kunden individuell mit seiner Versicherung abzuklären.

ITB-Organisatoren stellen auch den Besuchern Fragen

Noch immer ist unklar, ob die ITB überhaupt durchgeführt wird. Der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer plädierte für eine Absage, der Gesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich skeptisch gegenüber übertriebenem Aktionismus. Eine Coronavirus-Arbeitsgruppe im deutschen Bundestag wird in Absprache mit lokalen Gesundheitsbehörden heute wohl eine Weisung hierzu verabschieden. Bislang ist nur eine Verschärfung der Hygieneregeln innerhalb des ITB-Geländes entschieden.

Die ITB-Messeleitung hat ihrerseits zwischenzeitlich die Zutrittsmassnahmen erweitert: Der Fragebogen muss nicht mehr wie ursprünglich angedacht nur von den Ausstellern ausgefüllt werden, sondern von allen, die das Messegelände betreten wollen - Aussteller, Besucher oder Messebauarbeiter. Diese müssen vier Fragen beantworten. Inwiefern dies als konkrete Massnahme helfen soll und wie das bei den ohnehin schon notorisch überlaufenen Messe-Eingängen organisatorisch vor sich gehen soll, ist allerdings noch unklar.

Weitere ITB-Absagen

  • Auch DER Touristik hat den ITB-Partnerabend am ITB-Dienstag abgesagt bzw. bis 2020 pausiert. Offiziell heisst es: «Die für den 3. März 2020 geplante Traditionsveranstaltung mit 1700 Gästen aus aller Welt wird angesichts einer potenziellen Ausbreitung des Corona-Virus abgesagt. [...] Vorrang hat bei dieser Entscheidung, allen Mitarbeitern, Führungskräften und Partnern Sicherheit zu geben. Eine unbeschwerte, fröhliche Feier wäre bei der allgemeinen Unsicherheit über eine Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus nicht möglich. Deshalb pausiert der DER Touristik Partnerabend in diesem Jahr.» Wobei sich hier die Frage stellt: Wenn die Party abgesagt wird, wieso wird dann nicht die Messe abgesagt, bei welcher sich noch viele Menschen mehr tummeln?
  • Die Regierung der Mongolei hat allen mongolischen Veranstaltern untersagt, an die ITB 2020 zu reisen.
  • Das Hotelbuchungsportal HRS, ein gewichtiger Player an der ITB, hat die Teilnahme an der ITB komplett abgesagt.
  • Auch das ITB Executive Dinner von Aviareps ist abgesagt.

Voraussichtlich ist die Anzahl abgesagter Events und Meetings extrem viel grösser, zumindest wenn man sich auf Äusserungen von Branchenteilnehmern bezieht.

Bundesrat verbietet Grossveranstaltungen

Um eine Erkrankungswelle in der Schweiz möglichst zu verhindern oder hinauszuzögern, hat der Bundesrat beschlossen, bis auf Weiteres keine Grossanlässe mit mehr als 1000 Personen mehr zu erlauben. Wo Menschen länger auf engem Raum zusammen sind – etwa in Bürogebäuden, auch solchen mit mehr als insgesamt 1000 Personen – gilt die Massnahme aber nicht. Zumindest die Basler Fasnacht oder auch der Genfer Autosalon sind aber betroffen, sowie zahlreiche Konzerte, Events und Sportveranstaltungen.

BAG lanciert Informationskampagne für die Bevölkerung

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat im Zusammenhang mit dem Coronavirus Massnahmen an der Grenze zu Italien und für die Bevölkerung beschlossen. So lanciert das BAG unter anderem eine Kampagne zur Bevölkerungsinformation. In einem ersten Schritt sollen drei wichtige Hygiene- und Verhaltensregeln breit bekannt gemacht werden.

  • 1. Gründlich Hände waschen.
  • 2. In Taschentuch oder Armbeuge husten und niesen.
  • 3. Bei Fieber und Husten zu Hause bleiben.

Als Sofortmassnahme an den Grenzübergängen zu Italien, den grösseren Bahnhöfen und an Autobahnraststätten werden Flyer verteilt. Zudem informieren Plakate die Grenzgänger und Reisenden über wichtige Verhaltensregeln.

Zur Information der breiten Bevölkerung erscheinen ab Freitag, 28.02.2020, in verschiedenen Zeitungen Anzeigen mit den drei Verhaltens- und Hygieneregeln. Anfang nächster Woche folgen Bewegtbild-Werbemittel in Fernsehen und Online sowie digitale Plakate. Eine Website mit der URL www.bag-coronavirus.ch wird ebenfalls in Kürze aufgeschaltet.

Auch AIDA Cruises informiert über Vorsichtsmassnahmen

In Übereinstimmung mit internationalen Regularien und unter Berücksichtigung der Gesundheit und Sicherheit der eigenen Gäste und Besatzungsmitglieder hat AIDA Cruises auf allen Kreuzfahrtschiffen erhöhte Vorsorgemassnahmen umgesetzt. Die nachfolgenden Vorsichtsmassnahmen gelten ab sofort und betreffen folgende Länder/Regionen:

  • China, Hongkong
  • Macau
  • Taiwan
  • Südkorea
  • Regionen Lombardei und Venetien (Italien)

Bis auf weiteres kann AIDA Gästen und Besatzungsmitgliedern eine Mitreise an Bord nicht ermöglichen, die in den letzten 14 Tagen vor Reisebeginn:

  • selbst in eine der obenstehenden Regionen gereist sind (inkl. Flughafentransit),
  • Kontakt zu Personen hatten, die sich kürzlich dort aufgehalten haben,
  • unter Quarantäne standen und/oder vor diesem Hintergrund aus gesundheitlichen Gründen vom Dienst freigestellt waren
  • Kontakt zu Personen hatten, bei denen der Coronavirus vermutet bzw. bestätigt wurde.

Bei AIDA Cruises gibt es festgelegte Prozesse zur Prävention von Viruserkrankungen: Entsprechend wurden an Bord aller Schiffe vorsorglich zusätzliche Hygienemassnahmen in die Wege geleitet:

  • Alle Personen ab 18 Jahren (Besatzung und Gäste) sind verpflichtet, vor der Einschiffung eine Gesundheitserklärung für Reisende abzugeben.
  • Gäste mit Symptomen wie Fieber, Atembeschwerden, Schüttelfrost oder Husten werden vor dem Boarding einem Gesundheitscheck unterzogen.
  • Neben verstärkten Reinigungsmassnahmen werden Gäste und Besatzung gebeten, sich die Hände regelmässig zu waschen sowie die bereit gestellten Händedesinfektionsständer zu nutzen.
  • Bei ersten Grippeanzeichen empfehlen wird ein Besuch beim Bordarzt empfohlen.

Easyjet streicht den Streckenplan zusammen

Easyjet meldet, dass infolge der Häufung von Coronavirus-Fällen in Norditalien ein deutlicher Rückgang der Nachfrage wie auch der Auslastung zu und von norditalienischen Standorten festgestellt wird, aber auch eine abgeschwächte Nachfrage in anderen europäischen Märkten. Aus diesem Grund hat sich die Fluggesellschaft entschieden, einige Flüge zu streichen – insbesondere von und nach Italien.

Um die Auswirkungen des Coronavirus zu mildern, wird sich Easyjet in der Zwischenzeit darauf konzentrieren, operative Effizienz und Kosteneinsparungen in einer Reihe von Geschäftsbereichen zu erzielen, die da wären:

  • Budgetkürzungen in administrativen Bereichen und diskretionäre Ausgaben
  • Aussetzen von Neueinstellungen, Beförderungen und Gehältern im gesamten Netzwerk
  • Zurückstellung unkritischer Projekt- und Investitionsausgaben
  • Angebot unbezahlten Urlaubs und Einstellung der nicht obligatorischen Trainings
  • Zusammenarbeit mit Drittanbietern zur weiteren Kostensenkung
  • Die Neuzuweisung von Flugzeugen für den Sommer 2020, die bei einer Markterholung die höchsten Einnahmemöglichkeiten bieten wird.

Es gibt bereits Coronavirus-Betrugsmaschen

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt davor, dass sich Kriminelle die grosse Unsicherheit rund um das Coronavirus bereits zunutze machen. Es wird von Fällen berichtet, in welchen sich Kriminelle als WHO oder andere Gesundheitsorganisationen ausgeben, um an Geld bzw. sensitive Informationen zu gelangen.

Die WHO hält fest, dass man sich stets über die Quelle einer Anfrage sicher sein soll und dass die WHO selber in keinem Fall jemals Fragen zu Logins stellt, unaufgefordert Attachments verschickt oder zu Seiten ausserhalb von who.int verlinkt, oder Geld für Konferenz- oder Hotel-Reservationen fordert oder für öffentliche Gesundheits-Initiativen sammelt.

(JCR)