Tourismuswelt

Das Coronavirus ist nicht mehr ein China-Problem, sondern ist bei uns angekommen und schlägt jetzt auf die Konsumentenstimmung durch. Bild: Macau Photo Agency

Coronavirus: Jetzt werden Massnahmen ergriffen

Jean-Claude Raemy

Bei Knecht Reisen wurden konkrete Massnahmen wegen dem Coronavirus eingeleitet und auch die anderen Grossveranstalter beobachten die Lage genau. Die Lufthansa hat ein Massnahmenpaket beschlossen und auch die Swiss prüfe Massnahmen. MSC Cruises kontrolliert den Zugang zu den Schiffen nun extrem strikt. Derweil scheinen sich die ITB-Gänger nicht vor dem Coronavirus zu fürchten.

Mit dem ersten laborbewiesenen Coronavirus-Fall in der Schweiz hat sich die globale Gesundheits-Krise nun definitiv in den Köpfen der breiten Schweizer Öffentlichkeit festgelegt. In den Management-Zimmern der Tourismusindustrie ist sie aber schon seit längerem, denn die wirtschaftlichen Auswirkungen sind bereits jetzt real - in Form von Flugausfällen, teuren Umdisponierungen, Event-Annullierungen, sinkenden Börsenkursen und mehr. Nun werden Massnahmen ergriffen.

Anspannung bei den Grossveranstaltern

Wir haben uns bei den Grossveranstaltern umgehört. Am Konkretesten drückt sich Roger Geissberger, CEO Knecht Reisegruppe, aus: «Bis letzte Woche war wenig zu spüren und wir lagen zahlenmässig über dem Vorjahr. Seit Montag sind die Buchungen um 50 Prozent eingebrochen. Nicht weil die Kunden nicht reisen wollen, sondern weil derzeit einfach grosse Verunsicherung vorhanden ist und es deshalb eine Zurückhaltung bei den Buchungen gibt. Wir haben nun den Krisenstab aktiviert und erste Massnahmen getroffen: Aktuell haben wir einen Einstellungsstopp verhängt und die Werbebudgets heruntergefahren. Natürlich bereiten wir uns auch auf den Fall vor, dass einer unserer Mitarbeitenden sich ansteckt - also etwa, wie das Szenario aussieht, falls der Hauptsitz unter Quarantäne gestellt wird. Aktuell sind 10 Personen von uns für die ITB angemeldet, aber wir prüfen noch, ob alle gehen. Ich schätze das Ansteckungsrisiko in Berlin als hoch ein und wir möchten möglichst keine infizierten Mitarbeitenden, obwohl wir vorbereitet wären, falls es zu Heimarbeit kommen muss.»

Laura Zygmunt, Sprecherin von DER Touristik Suisse, hält fest: «Das Coronavirus und die damit verbundene Berichterstattung führen in der Tat dazu, dass DER Touristik Suisse im Februar eine gewisse Zurückhaltung bei der Buchung von Auslandreisen spürt. Der kurz- und mittelfristige Einfluss auf das Geschäftergebnis kann derzeit aber noch nicht abgeschätzt werden. Wir beobachten die Entwicklung selbstverständlich mit erhöhter Aufmerksamkeit. Für - von uns heute als unwahrscheinlich angesehene - Szenarien bereiten wir uns vor. Damit gehen die entsprechenden Gremien routiniert um, schliesslich treffen exogene Faktoren die Touristik immer wieder. Allfällige Unsicherheiten unserer Kunden nehmen wir ernst und suchen mit ihnen individuelle Lösungen. Unsere AGB bleiben aber – mit Ausnahme Chinas – intakt, weil auch offizielle Stellen wie das EDA, das BAG oder das WHO nicht vor Reisen abraten.»

Hotelplan-Sprecherin Bianca Gähweiler bestätigt erst, dass die Asien-Nachfrage rückläufig sei und dass die Lage kontinuierlich beobachtet werde. «Ohne das Coronavirus wäre die Buchungslage im Februar sicher besser», umschreibt sie die Lage, es sei jedoch noch zu früh für klare Aussagen hinsichtlich Buchungsrückgängen. Sie hofft einfach, dass sich die Lage bald wieder beruhigt. Zur ITB schickt Hotelplan Suisse nach aktuellem Planungsstand weiterhin gleich viele Personen wie im Vorjahr.

André Lüthi, CEO Globetrotter Group, will aktuell «Ruhe bewahren» und orientiert sich an den aus seiner Sicht hervorragenden Informationen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Aktuell sei die Nachfrage mit Ausnahme von Asien noch «on track» und er schätzt, dass die Schweizer noch nicht im Panikmodus seien, jedoch Tendenzen zum Umbuchen feststellbar seien.

Ebenfalls noch ziemlich entspannt klingt es aus dem Hause von TUI Suisse. Sprecherin Bianca Schmidt sagt: «Der Buchungseingang für die Sommerferien ist sehr stabil, wir liegen aktuell für den Sommer leicht über den guten Vorjahreswerten und bemerken keine Zurückhaltung aufgrund des Coronavirus. An der Front haben unsere Kunden wie auch unsere TUI-Reiseleiter in den Destinationen vermehrt Informationsbedarf und wollen über die Einschätzungen des Bundes oder Vorsichtsmassnahmen informiert sein. Bislang hat es aber noch zu keiner Umbuchung oder Stornierung geführt. TUI verfolgt die Situation sehr genau und ist dazu in unserem Krisenzentrum in Hannover auch stetig im Austausch mit Behörden, Experten und Gästen sowie Mitarbeitenden. Hier in der Schweiz raten wir unseren Kollegen, gewisse Hygienestandards einzuhalten und Anweisungen von Experten wie bspw. Ärzten Folge zu leisten. Auch die ITB werden wir wie geplant besuchen.»

Der Schweizer Reise-Verband (SRV) derweil hat per Communiqué mitgeteilt: «Solange keine Reisewarnung in bestimmte Gebiete ausgesprochen und der Coronavirus nicht als Epidemie oder Pandemie deklariert wird, gibt es keinen Anlass, die geltenden Annullationsbedingungen anzupassen.»

13 Langstreckenflugzeuge der Lufthansa Group am Boden

«Um den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus frühzeitig zu begegnen», hat die Lufthansa Group per Mitteilung ein umfangreiches Massnahmenpaket zur Kostensenkung vorgelegt. Unter anderem werden alle geplanten Neueinstellungen nochmals überprüft, ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Darüber hinaus bietet Lufthansa ihren Mitarbeitenden ab sofort unbezahlten Urlaub an. Alle geplanten Stations- und Flugbegleiter-Lehrgänge ab April 2020 werden nicht durchgeführt. Die Kursteilnehmer der bereits laufenden Lehrgänge werden vorerst nicht in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen. In den administrativen Bereichen kürzt die Kernmarke Lufthansa das Projekt-Volumen um zehn Prozent, das Sachkostenbudget um 20 Prozent. Auch bei Swiss werden derzeit Massnahmen geprüft, wie eine Swiss-Sprecherin auf Anfrage von nau.ch erklärt.

Die Lufthansa Group hatte bereits alle Flüge von Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines von und nach Festland-China bis zum Ende des Winterflugplans am 28. März gestrichen. Aufgrund der aktuellen Nachfragesituation für Flüge von und nach Hongkong wurden zudem auf dieser Strecke bereits Kapazitätsanpassungen vorgenommen. Weitere Frequenzanpassungen von und nach Frankfurt, München und Zürich seien geplant. «Rein rechnerisch stehen zurzeit 13 Langstreckenflugzeuge der Lufthansa Group am Boden», schreibt die Lufthansa Group. Die aus den aktuellen Entwicklungen zu erwartende Ergebnisbelastung sei aktuell noch nicht abschätzbar (der Konzern wird sich im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am 19. März dazu äussern).

Massnahmen bei MSC Cruises

Auch die Cruise-Branche ist natürlich betroffen. Anlässlich des Coronavirus-Ausbruchs in China hat etwa MSC Cruises Vorsichtsmassnahmen für die Gesundheit der Gäste und der Besatzung auf der gesamten Flotte weltweit ergriffen, wie Sprecher Dominik Gebhard bekanntgibt. Obwohl es zu keiner Zeit an Bord eines MSC-Schiffes einen Coronavirus-Fall gab, sollen diese Vorsichtsmassnahmen die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Gäste und der Besatzung weiterhin gewährleisten. Dazu gehören strikte Untersuchungen vor der Einschiffung (Temperaturkontrolle mit Wärmebildkameras vor der Einschiffung); Gäste, die Anzeichen von Krankheiten oder Symptome wie Fieber über 38° C, Schüttelfrost, Husten oder Atembeschwerden haben, werden von der Einschiffung ausgeschlossen. Dies gilt auch für deren Mitreisende. Auch während der Reise werden die Gäste und Besatzungsmitglieder regelmässig mit Wärmebildkameras beim Ein- und Aussteigen in den Häfen auf Fiebersymptome untersucht. Zusätzlich wird ein umfassendes Reinigungsprogramm mit erhöhter Desinfektion der öffentlichen Bereiche auf jedem Schiff der gesamten MSC-Flotte durchgeführt.

Und: Jedem Gast, der sich in den letzten 14 Tagen auf dem chinesischen Festland, in Hongkong oder Macau aufgehalten hat (dies schliesst Transitflüge durch die oben genannten Länder ein), wird der Zugang zum Schiff verweigert. Dasselbe gilt für die Mitreisenden dieser Passagiere. Ebenso wird jedem, der in einer der folgenden Städte Zentralnorditaliens lebt oder in den letzten 14 Tagen von oder durch eine dieser Städte gereist ist, die Einschiffung verweigert: Casalpusterlengo, Codogno, Castiglione d'Adda, Fombio, Maleo, Somaglia, Bertonico, Terranova dei Passerini, Castelgerundo, San Fiorano und Vò. Dies sind die Gemeinden, die den Quarantänemassnahmen der italienischen Gesundheitsbehörden unterliegen.

Seit dem Ausbruch des Coronavirus in China beobachtet MSC Cruises die aktuelle Gesundheits- und Sicherheitslage in jeder Region, die die Schiffe befahren, äusserst genau. Das Unternehmen hat sich mit internationalen und lokalen Gesundheitsbehörden beraten und befolgt deren Ratschläge und Empfehlungen.

Das Virus schreckt die ITB-Besucher kaum ab

Travelnews fragte gestern in die Runde, wer seinen bereits geplanten ITB-Besuch nächste Woche beibehält bzw. auf Eis legt. Per heute Morgen (26. Februar, 10.45 Uhr) hatten bereits 115 Personen an der Umfrage teilgenommen, weshalb das Resultat durchaus eine gewisse Aussagekraft hat. Demnach halten 84 Prozent an ihren ITB-Reiseplänen fest (97 Personen), 65 Prozent ohne Bedenken und 19 Prozent (22 Personen) wollen zumindest besondere Vorsichtsmassnahmen treffen. 16 Prozent der Befragten (18 Personen) sagen dagegen ihre ITB-Reise ab. Obwohl damit klar die Mehrheit geht, ist die Anzahl jener, die den ITB-Besuch offenbar stornieren, doch signifikant.

Auf der Website der ITB Berlin steht aktuell, dass die Messe wie geplant stattfindet.

Der Allianz-CEO beschwichtigt

Oliver Baete, der CEO des Versicherungsriesen Allianz, hat heute Morgen auf Bloomberg Television festgehalten, dass die Märkte auf die Coronavirus-Krise überreagieren und die Weltwirtschaft zwar Auswirkungen spüren wird, diese jedoch nur kurzfristig. Er mache sich mehr Sorgen um die Gesundheit seiner Mitarbeitenden als um die Auswirkungen auf sein Geschäft und verglich das Virus nonchalant mit einer «starken Grippe».

Die globalen Finanzmärkte ächzen wegen der ganzen Coronavirus-Angst, sowohl in Asien als auch in Europa und Nordamerika. Die Ausbrüche bzw. Häufung von Fällen in Europa und Nahost hat Ängste geschürt, wonach das Coronavirus tatsächlich zu einer globalen Pandemie wird.