Tourismuswelt

Zeit, Musse, Freiheit, Alleinsein: Das sind die wichtigsten Luxusgüter, längst nicht mehr irgendwelche Markenartikel. Bild: Tim Bogdanov

Einwurf Wie definiert sich moderner Luxus eigentlich?

Man kann Luxus unterschiedlich definieren. Wer seiner Reisemarke cleveres Storytelling verleiht, kann davon auf unterschiedlichste Art profitieren.

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Statussymbole vergangener Tage oftmals Mainstream und für jedermann erschwinglich geworden sind? Kaschmir gibt's beim Discounter, Lachs und Kaviar in jeder Migros. Natürlich gibt es viele Luxusmarken noch, und diesen geht es auch gut. Aber, mal «von der Warte der Reichen aus betrachtet», scheint es so zu sein, dass - gerade in der Schweiz - demonstrativ zur Schau gestellte Opulenz nicht nur verpönt ist, sondern längst auch nicht mehr an Marken gekoppelt ist. Apple-Gründer Steve Jobs hatte es vorgemacht: Der milliardenschwere Manager stellte die neusten Produkte meist im schlichten Rollkragenpulli und in Jeans vor. Kleine Designermarken sind ohnehin viel cooler als globale Luxus-Brands, die oft kopiert und von jedem Neureichen getragen werden.

Auch in der Reisewelt war der Luxusbegriff lange an Konventionen wie Designerklamotten, Luxusautos, Champagner & Kaviar sowie over-the-top-Architektur und omnipräsente Lakaien gebunden. Das hat sich geändert. Wer sich wirklich etwas leisten kann, sucht auf Reisen nicht das, was er - danke, globalisierte Welt - längst problemlos zuhause kaufen kann. Es wird das gesucht, was man eben nicht zuhause haben kann: Ruhe, Ungebundenheit, Wildnis, einfaches Essen, ja warum nicht: Einfaches Leben! Irgendwie kommt da die Philosophie von Jean-Jacques Rousseau wieder an die Oberfläche: Zurück zur Natur! Einfach sein! Dies sind die Maximen für modernes Glück. Solches zu vermitteln, setzt aber Kompetenz voraus, denn selbst wenn das Erlebte simpel sein kann, so muss doch alles perfekt klappen und in der Regel auch ein Minimum an Komfort gewährleistet sein. So wie in den abgelegenen Zeltcamps beim australischen Ningaloo Reef, wo die Nacht in der Wildnis Tausende Dollar kostet und man lediglich 20 Liter Wasser täglich für Dusche & WC hat - aber der Top-Rotwein muss abends natürlich gekühlt vorhanden sein.

Es gibt aber noch eine andere Komponente: Gesundheit. Diese ist ebenfalls mittlerweile schon fast ein Luxusgut. Wer kann, ernährt sich eben nicht von «Junk Food» und haut sich auch in der Business-Klasse im Flugzeug nicht einfach Rotwein und Steak rein, sondern achtet auf gesunde Ernährung und darauf, nicht zu dehydrieren. Natürlich hat Wellness per se nicht direkt mit Luxus zu tun, aber wer mit Luxuskundschaft zu tun hat, muss bereit sein, sich auch in Wellness-Fragen und -Angeboten auszukennen.

Ebenso gehört es mittlerweile zum guten Ton, auf die Welt bzw. die Umwelt zu achten. Eine Reise soll sinnstiftend sein, und das kann sie auch sein, indem man zurückgibt. Zyniker sagen, man könnte einfach Geld schicken, aber für die eigene Psychohygiene ist es natürlich besser, wenn man vor Ort helfen, unterstützen, erleben kann. Und meistens ist es auch zielführender. Kurz: Achtsamkeit, Genügsamkeit und Respekt kann man ebenfalls als «neuen Luxus» und nicht mehr nur als althergebrachte Tugenden verstehen. Die Bedürfnisse und Erwartungen von «Reichen» mit jenen von «Armen» im Zielgebiet verknüpfen zu können, ist allerdings delikat.

Zu guter Letzt ist es auch so, dass Zeit eben nicht nur Geld ist, sondern auch gelebter Luxus. Das geht in die Domäne der «Sabbaticals»: Viele Gutbetuchte, aber eben auch viele «Normalverdiener» nehmen gerne Auszeiten von 3 bis 12 Monaten, und das darf dann sehr gerne einiges kosten. Nicht alle sind imstande, ihre Sabbaticals selber zu organisieren. Wer eine sechsmonatige Sabbatical-Reise für ein Paar, eine Familien, eine Freundesgruppe organisiert, bewegt sich zumindest beim Dossierpreis quasi schon im Luxussegment. Da gilt es, genau die Erwartungen zu erfüllen. Auch Nur-Frauen-Reisen oder Solo-Sabbaticals können vermittelt werden und fallen gewissermassen unter diese Luxus-Definition.

Kurz: Das Luxussegment ist eine jener Nischen, wo Beratung und Service höchstes Gut sind und wo sich noch gutes Geld machen lässt. Allerdings nur, wenn das Reiseunternehmen auch gewillt ist, alles zu tun für optimalen Service und höchste Beratungskompetenz, und idealerweise einen gewissen Leistungsausweis vorlegen kann.

(JCR)