Tourismuswelt

Port Klang nahe Kuala Lumpur am 11. Februar 2020: Neben der Seabourn Ovation die Queen Mary 2, welche dort einen zusätzlichen Stopp auf dem Weg nach Australien eingelegt hat, offenbar zu jenem Zeitpunkt schon seit fünf Tagen, ohne dass die Passagiere aussteigen durften. Bild: Hans-Peter Lehmann

«Stress, Unsicherheit und Ungewissheit verfolgten uns auf der ganzen Reise»

Jean-Claude Raemy

Die meisten Reedereien haben ihre Fahrten im asiatischen Raum infolge der Coronavirus-Krise eingestellt bzw. umgeleitet. Was Kreuzfahrtgäste auf Schiffen in Asien letzte Woche erlebten, schildert Flughafen-Tourguide Hans Peter Lehmann, der neulich dort unterwegs war.

Offiziell endet heute die Quarantäne der «Diamond Princess» im Hafen von Yokohama. Erstmals seit zwei Wochen dürfen Passagiere gestaffelt von Bord gehen - zumindest jene, bei denen das Coronavirus nicht nachgewiesen wurde und die keinen engen Kontakt zu Infizierten hatten. Aber auch dies wohl nur unter höchsten Sicherheitsmassnahmen: Trotz des Schiffs-internen «Hausarrests» der 3500 Passagiere an Bord kam es zu insgesamt 542 Infektionen. Und was mit jenen passiert, welche das Schiff verlassen dürfen, ist auch nicht ganz klar, denn beispielsweise wurden Passagiere der MS Westerdam, die in Sihanoukville (Kambodscha) an Land ging, nicht von Airlines befördert und stecken nun zwar nicht mehr auf dem Schiff, aber immer noch in Asien fest.

Der MS Westerdam war zuvor das Einlaufen in fünf verschiedene asiatische Häfen verwehrt worden - und dies, obwohl gar keine Coronavirus-Fälle auf dem Schiff gemeldet wurden. Und nun, da die Passagiere in Kambodscha von Bord gehen konnten, nimmt sie keine Airline mit. Blanke Panik in Asien! Kein Wunder, haben zahlreiche Airlines und Reedereien bis auf Weiteres ihre Asien-Programme angepasst. Jüngstes Beispiel: MSC Cruises hat die Reiseroute der MSC Bellissima für die 29-Nächte-Grand-Voyage angepasst und wird die Anläufe in den Häfen Shenzhen (China), Hongkong und Keelung (Taiwan) streichen und durch die Häfen Laem Chabang/Bangkok (Thailand) und Phu My/Ho Chi Minh City (Vietnam) ersetzen.

Tägliche Planwechsel

Hans-Peter Lehmann.

Einer, der aus erster Hand von einer «aussergewöhnlichen Kreuzfahrt» durch Asien berichten kann, ist Hans-Peter Lehmann (69), früher während fast drei Jahrzehnten bei Imholz/TUI, Vögele und Hotelplan tätig und heute noch als Tourguide am Flughafen Zürich aktiv.

Er freute sich Anfangs Jahr mit seiner Gattin Irenka auf die bereits 11. Seabourn-Kreuzfahrt, dieses mal mit der neuen «Seabourn Ovation» vom 1.–15. Februar 2020 ab Hongkong über Xiamen Richtung Philippinen zu den Hundred Islands und weiter nach Manila, Coron, Puerto Princesa und schliesslich in Malaysia noch Kota Kinabalu und zuletzt nach Singapur.

Am 29. Januar ging es bereits los, mit einem kleinen Vorprogramm in Abu Dhabi. Am 30. Januar, am Tag vor der Einschiffung, kam laut Lehmann die Information von Seabourn, dass das Schiff die chinesische Hafenstadt Xiamen auslassen würde und alle Anlaufhäfen einen Tag früher besucht werden, und anstelle von Xiamen zusätzlich ein Stopp in Sandakan (Malaysia) erfolgt. So weit so problemlos. Immer noch vor der Einschiffung, am 31. Januar, kam die Information, dass in Hong Kong zusteigende Gäste aus China kommend sowie alle Chinesen allgemein nicht mit aufs Schiff dürfen.

Lehmann erzählt: «Bei der Ankunft in Hong Kong sind wir dann auf Empfehlung von Seabourn vom Flughafen direkt zum Kai Tak Cruise Terminal gefahren. Die Strassen und Busse waren leer, viele Restaurants und Geschäfte waren geschlossen. Eine Atmosphäre, wie wir sie in Hongkong noch nie erlebten.» Am Abend lief das Schiff dann normal in Richtung Philippinen ab. Doch bereits am ersten Tag auf See kommt's wieder zum Planwechsel: Der Kapitän informiert, dass man neu zwei Tage in Richtung Vietnam kreuzen werde, nachdem die Philippinen alle Häfen für Schiffe kommend aus Hongkong geschlossen haben.

Am 4. Februar dann ankert das Schiff den ganzen Tag vor dem Hafen von Da Nang (Hue) in Vietnam, darf aber nicht in den Hafen einfahren. «Abends informiert der Kapitän, dass wir auch übermorgen nicht wie geplant in Ho Chi Minh einlaufen dürfen», fährt Lehmann fort. So verbringen die Lehmann zwei weitere Seetage, immerhin «an Bord eines wunderbaren Schiffes», und werden über das neue Programm informiert. Es folgt der angenehmste Teil der Reise: Am 7. Februar wird Halt in Laem Chabang gemacht, mit Ausflugsmöglichkeiten nach Bangkok oder Pattaya, am 8. Februar gibt's am einsamen Sandstrand auf Ko Kood (Thailand) ein Champagner-/Lobster-Buffet.

Am 11. Februar ankert die Seabourn Ovation in Port Klang nahe Kuala Lumpur und hat neben sich die viel grössere Queen Mary 2, welche offenbar schon seit Tagen im Hafen festsitzt. Für die Seabourn-Gäste geht es weiter nach Langkawi und Phuket und schliesslich zum geplanten Zielort Singapur.

Empfang durch Personen in Schutzanzügen

In Singapur angekommen, gehen die Lehmanns wieder gemäss Empfehlung von Seabourn vom Schiff direkt zum Flughafen. «Um 11 Uhr war die Seabourn Ovation leer», erinnert sich Lehmann, «die Angestellten wurden informiert, dass das Schiff in Singapur bleibt und die nachfolgende vierwöchige Kreuzfahrt von Singapur nach Hong Kong und zurück annulliert sei.»

Insofern hatte das Paar eigentlich gerade noch Glück, macht sich nun aber Sorgen um die Angestellten, die nicht genau wissen, wie es weitergeht, und um die Reedereien selber, auf welche nun riesige logistische Herausforderungen zukommen. Selber war Lehmann aber am meisten überrumpelt von der Behandlung in den jeweiligen Anlaufhäfen während seiner Reise: «Wir wurden in jedem Hafen ausser Ko Kood von Leuten in Schutzanzügen empfangen, welche die Körpertemperatur auf allfälliges Fieber massen.» Natürlich herrschte auch an Bord eine gewisse Nervosität: Täglich wurden die Nachrichten auf Sky oder BBC World News verfolgt, um zu sehen, ob jemand an Bord des eigenen Schiffes am Coronavirus erkrankt war. «Wir waren erleichtert, dass dies nicht so war, sonst wären wir wohl nicht wie geplant letzten Sonntag nach Hause zurückgekehrt», schliesst Lehmann.

Fazit: Richtig erholsam war die Reise nicht. «Stress, Unsicherheit und Ungewissheit verfolgten uns auf der ganzen Reise», bilanziert Lehmann und beklagt, dass er statt der spannenden neuen Kreuzfahrt ein klassisches, bereits mehrfach bekanntes Programm abgespult habe. Einen Vorwurf an die Reederei erhebt er jedoch nicht, im Gegenteil: «Die Grosszügigkeit von Seabourn überrascht: 100 Prozent der Kosten für diese Kreuzfahrt werden uns bei der nächsten Seabourn-Kreuzfahrt angerechnet, zusätzlich erhielten wir 2 x 250 US-Dollar aufs Bordkonto gutgeschrieben und eine Rückerstattung der Kosten für das teure China-Visum in Höhe von 188 Franken pro Person.»

China im freien Fall

Dass solche Odysseen weder fürs Image noch für die Finanzen förderlich sind, wissen die Reedereien, weshalb die Asien-Programme weitgehend eingestellt oder «re-routed» sind.

China ist in Sachen Transportanbindung ohnehin im freien Fall. Vor wenigen Wochen war China noch der drittgrösste internationale Flugmarkt der Welt, nach neusten OAG-Zahlen rangiert China inzwischen diesbezüglich auf Rang 25, noch hinter Portugal und knapp vor Vietnam, ohne kurzfristige Besserung in Sicht. Um dies in Perspektive zu setzen: China Eastern und China Southern haben ihre Kapazität derzeit um 200'000 Sitze pro Woche reduziert, womit China Southern jetzt noch knapp mehr internationale Flugsitze pro Woche anbietet als Air Astana und China Eastern im globalen Ranking der Airlines mit den meisten internationalen Flugsitzen auf Rang 113 zurückgefallen ist, knapp vor Tunisair aus dem Kleinstaat Tunesien.