Tourismuswelt

Ein immer öfter zu sehendes Bild: Menschen sind in Flughäfen und Flugzeugen aus Angst vor einer Coronavirus-Ansteckung nur noch mit Atemschutzmasken unterwegs. Bild: AdobeStock

Das Coronavirus wird die Branche noch lange beschäftigen

Die Coronavirus-Krise beherrscht weiterhin die Nachrichten. In der Schweizer Outgoing-Reisebranche scheint das Thema für wenige Wellen oder meist Kopfschütteln zu sorgen. Doch die Reise-Welt wird gehörig durchgeschüttelt.

Das neue Coronavirus hält die Welt weiterhin in seinem Bann. Reisen von und nach China sind massiv eingeschränkt; bislang haben 14 Länder Restriktionen oder gar Einreisesperren verhängt, um die weitere Verbreitung des Virus einzudämmen – darunter die USA, Australien, Neuseeland, Israel sowie diverse asiatische Staaten. Das hat Tausende Personen, die in China wohnhaft sind, weltweit gestrandet – beispielsweise verharren 5000 chinesische Touristen aus China derzeit auf Bali, nachdem Indonesien die Flüge nach China eingestellt hat.

Umgekehrt ist es Chinesen derzeit fast nicht mehr möglich, das Land zu verlassen. Und wer kürzlich in China war, steht unter Generalverdacht, Träger des gefürchteten Virus zu sein, welches bislang rund 650 Menschenleben gefordert hat und wozu es bislang über 31‘000 anerkannte Infektionsfälle gibt. Die allermeisten Fälle sind auf die chinesische Provinz Hebei beschränkt; inzwischen macht allerdings auch das Kreuzfahrtschiff «Diamond Princess» von Princess Cruises Schlagzeilen, welches im Hafen von Yokohama (Japan) in Quarantäne liegt und auf welchem es nun 61 Fälle gibt – die höchste Zahl an Infektionen ausserhalb von China. Es wird davon ausgegangen, dass ein Passagier aus Hong Kong das Virus an Bord brachte.

Diverse Reedereien ändern bereits ihre Reiserouten und fahren etwa Hong Kong nicht mehr an. Der internationale Kreuzfahrtverband CLIA hat beschlossen, dass Schiffe ab sofort keine Passagiere und Besatzungsmitglieder mehr an Bord nehmen, die in den 14 Tagen vor Reiseantritt auf dem chinesischen Festland unterwegs gewesen sind, egal wo. Zudem würden laut CLIA in Abstimmung mit Gesundheitsbehörden und der WHO Reisen geändert, umgeleitet oder gestrichen.

Wer kürzlich in China war, sollte sich freiwillig einem Gesundheitstest unterziehen, erst recht, wenn allfällige Grippesymptome auftauchen – weil dann eine Übertragung möglich wird. Auch der Schweizer Reise-Verband (SRV) bittet Reisende, die sich im Januar/Februar in China aufhielten, sich vor dem nächsten Reiseantritt mit ihrem Reisebüro bzw. ihrer Buchungsstelle in Verbindung zu setzen oder sich bei der Botschaft des neu zu bereisenden Landes über die aktuellen Einreiseformalitäten zu informieren.

In diesem Zusammenhang hier nochmals wesentliche Fakten:

Es ist nicht so, dass es sich um ein völlig neuartiges Virus handelt. Wie Virologe Alexander Kekulé im «Focus» festhält, ist das offiziell «2019-nCoV» genannte Virus eine Variante des Coronavirus, welches SARS auslöst. Oder anders gesagt: Mit dem neuen Virus ist die Krankheit SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) zurück, welche von Coronaviren ausgelöst wird. Beim Ausbruch 2003 starben rund 10 von 100 Infizierten, die Sterberate lag also bei rund 10 Prozent; beim aktuellen Coronavirus liegt diese bei 2 Prozent. Das ist jedoch immer noch eine deutlich höhere Sterberate als bei einer herkömmlichen Grippeerkrankung, bei der die Sterberate bei rund 0,1 Prozent liegt. Dass die Zahl der Grippetoten deutlich höher als die Zahl der SARS-Toten ist, hat mit den viel höheren Zahl der Infizierten zu tun – was sich im Fall einer Pandemie ändern könnte.

Das Virus hat eine Inkubationszeit von in der Regel 3-5 Tagen, maximal sogar 14 Tagen. In dieser noch symptomfreien Zeit ist eine Ansteckung höchstens kurz vor dem Krankheitsausbruch möglich – und nicht, wie teils kolportiert, auch schon von völlig symptomfreien Personen. In der Regel sind Patienten drei Tage nach vollständiger Ausheilung nicht mehr ansteckend.

Die Viren werden über Tröpfchen- und Schmierinfektion übertragen, aber nicht über längere Strecken durch die Luft – anders als bei Grippe oder Windpocken.

Wie gefährlich ist das Coronavirus und wie wird es übertragen?

Braucht es schärfere Einreisemassnahmen?

Kekulé argumentiert, dass es auch in Deutschland (und, daraus folgernd, in der Schweiz) eine Einreisekontrolle an Flughäfen geben müsste, bei welcher Personen mit Fieber anhand von Wärmebildkameras erfasst werden. Mit diesen Personen müsste sofort das Gespräch gesucht werden (Kommen sie aus Risikogebieten? Gehören Sie zu einer Risikogruppe?) und dann müssten man allenfalls Tests durchführen oder sicherstellen, dass diese Personen «auf Distanz bleiben» - ob dies in Form von Quarantäne oder anders erfolgen soll, wird nicht diskutiert.

Für Kekulé steht jedoch ausser Frage, dass sich das Virus längst auch in Gebieten ausserhalb Chinas verbreitet – etwa im afrikanischen Raum, in welchem China zahlreiche wirtschaftliche Interessen hat und folglich reger Personenverkehr herrscht. Durch die dort manchmal weniger leistungsfähigen Gesundheitssysteme könnte die Identifizierung und später die Behandlung von Infizierten ein noch kommendes Problem sein.

Manche Reisebüros bleiben entspannt, andere machen sich Sorgen

Travelnews hat bereits vor mehreren Tagen eine schriftliche Umfrage zu den Auswirkungen des Coronavirus lanciert, jedoch nur wenige Antworten erhalten. Wollen sich die Agenten zunächst weiter informieren, oder sie sind zu beschäftigt mit Anfragen betreffend dem Coronavirus? Wohl beides. In persönlichen Gesprächen an Messen und Seminaren wird das Coronavirus zwar bislang meist als «masslose Übertreibung» oder «Hysterie» charakterisiert und es wird darauf gehofft, dass sich die Sache bald von allein legt.

Jene, die sich gemeldet haben, scheinen bislang wenige Probleme auszumachen. Laut Claudio Glisenti (Glisenti Travel, St. Moritz) spielt das Coronavirus bislang «überhaupt keine Rolle»; China werde nicht gebucht, aber sonst spiele das Coronavirus bei der Destinationswahl bislang keine spürbare Rolle. Glisenti sagt seinen Kunden, dass es zur Zeit keinen Grund gebe, sich Sorgen zu machen: «Europa hat die Flughäfen zur Zeit noch im Griff. Zunehmen wird das Virus sicher noch in China.»

Ähnlich klingt es bei Mirco Engel (Dantours, Schönenwerd): «Die Situation bei uns ist relativ ruhig, was das Coronavirus betrifft. Lediglich ein Reisender nach Thailand hat sich informiert, wird seine Ferien aber antreten. Wir haben einige Flüge via Hong Kong nach Asien. Nach China selber haben wir aktuell keine Reisenden.»

Alex Bähler (Media Reisen) indes sagt: «Das ist bei uns ein Riesenthema. Wir stellen fest, dass vor allem Reisen westwärts gefragt sind und Asien nachlässt, dort nachweislich wegen Coronavirus-Angst. Ein Kunde, der eine Transatlantikreise gebucht hatte, wollte gar wissen, wie viele Chinesen an Bord sind. Das Coronavirus hat also klar Auswirkungen auf die Nachfrage bzw. es hat das Potenzial, uns noch langfristig zu beschäftigen - und es verstärkt nun vielleicht gar den seit einiger Zeit spürbaren Greta-Effekt.»

Wie weiter?

Die Airline-Industrie hat die Kapazität nach China massiv eingeschränkt. Das hat auch Auswirkungen an der Börse: Die Aktien zahlreicher Airlines sind wegen der Krise eingesackt, laut «Bloomberg World Airlines Index» global um rund 5 Prozent seit Mitte Januar. Chinesische Unternehmen sagen ihre Teilnahme an internationalen Shows ab - unter anderem an der Singapore Air Show von nächster Woche, der wichtigsten Luftfahrtmesse Asiens.

Weltweit zittern Orte wiederum um die chinesischen Touristen, welche derzeit ausbleiben, darunter natürlich auch die Schweiz. Der ökonomische Schaden ist jetzt schon immens. Und aktuell spricht man ja noch nicht einmal von einer Pandemie, sondern erst von der drohenden Gefahr einer solchen. Dass sich die Situation negativ auf das eigentlich hoffnungsvoll begonnene Reisejahr 2020 auswirken wird, scheint sicher, die Frage ist nur, wie. Die USA hoffen darauf, von einer möglichen Schwächung der Asien-Nachfrage profitieren zu können. Gewiss hoffen auch näher gelegene Ziele (in unserem Fall Schweizer Ziele oder solche in Nachbarländern) auf eine Besinnung zu «Ferien in der Nähe», angesichts der zunehmenden Angst vor Flughäfen und Flugzeugen, welche schon vor dem Coronavirus-Ausbruch als «Bazillen- und Virenschleudern» galten. Auch wir wünschen uns nichts sehnlicher als ein rasches Ende dieser Krise - aktuell sieht es aber so aus, als ob das Coronavirus die Welt und damit die Tourismusindustrie noch eine gute Weile lang beschäftigen wird.

(JCR)